[533] Fluths Haus.
Es kommes Page, Fluth, Frau Page, Frau Fluth und Evans.
EVANS. 's ischt so kroße Tugendwertigkeit von Frau, als ich jemahlen ankekucket hape.
PAGE. Und schickte er euch die beiden Briefe zur selben Zeit? –
FRAU PAGE. In der nämlichen Viertelstunde.
FLUTH.
Vergib mir, Frau; hinfort tu', was du willst:
Die Sonne werd' ich eh' der Kälte zeihn,
Als dich des Leichtsinns. Deine Ehre wurzelt
Bei dem, der eben noch ein Ketzer war,
So fest als Glaube.
PAGE.
Gut, sehr gut; nicht mehr:
Treib' nicht die Unterwerfung jetzt so weit
Als die Beleid'gung. –
Doch, führen wir's zu Ende; laß die Frau'n
Noch einmal, uns zum allgemeinen Scherz,[533]
Den alten fetten Burschen herbestellen,
Daß wir ihn fangen und ihn derb verspotten.
FLUTH.
Kein beßres Mittel gibt's als ihren Plan.
PAGE.
Was! ihn bestellen soll'n sie in den Park
Um Mitternacht? Ei, geht, er kommt uns nie.
EVANS. Ihr sagt, er sei in die Kewässer keworfen und erpärmlich mit Schläken pehantelt als alte Frau; mir petünkt, er müsse sein voller Angsthaftigkeit und Schrecknis, tas er nicht werte kommen; mir scheint, sein Fleisch ischt kezüchtigt und wird aplassen von aller pösen Luscht.
PAGE. Das denk' ich auch.
FRAU FLUTH.
Sinnt ihr nur, was ihr tun wollt, wenn er kommt,
Wir beid' ersinnen schon, ihn herzuschaffen.
FRAU PAGE.
Man hat ein Märlein, daß der Jäger Herne
(Vor alters Förster hier im Windsorwald)
Im ganzen Winter jede Mitternacht
Um eine Eiche geht mit großen Hörnern.
Dann schädigt er den Baum, behext das Vieh,
Verwandelt trächt'ger Kühe Milch in Blut
Und rasselt mit der Kette wild und greulich.
Ihr alle hörtet von dem Spuk, und wißt,
Daß unsre schwachen, abergläub'schen Alten
Die Mär vom Jäger Herne so überkamen
Und unsrer Zeit als Wahrheit überliefert.
PAGE.
Jawohl; noch gibt es manchen, der sich scheut,
In dunkler Nacht sich Hernes Baum zu nahn.
Doch wozu soll's?
FRAU FLUTH.
Nun seht, dies ist der Plan:
Daß Falstaff an der Eich' uns treffen soll,
Verkappt wie Herne, mit großem Hirschgeweih.
PAGE.
Wohlan, wir zweifeln nicht, er stellt sich ein,
Und in der Tracht; doch, wenn er angelangt,
Was soll mit ihm geschehn? Was habt ihr vor?
FRAU PAGE.
Auch das ist abgeredet. Hört nur weiter:
Mein kleiner Sohn und meine Tochter Annchen
Und drei, vier andre Kinder kleiden wir
Als Zwerge, Feen und Elfen, grün und weiß,
Wachskerzen auf dem Kopf als Feuerkronen,[534]
Und Klappern in der Hand; dann soll'n sie plötzlich,
Wenn Falstaff, sie und ich uns just gefunden,
Aus einer Sägegrub' hervor sich stürzen
Mit gellendem Gesang. Sobald sie nahn,
So fliehn wir beide mit Entsetzen fort;
Dann schließen sie im Kreise rings ihn ein
Und zwicken, Feen gleich, den saubern Ritter,
Und fragen, wie er's wagt, auf heil'gen Pfaden
Der Elfen nächt'ge Spiele zu entweihn
In niedrer Hülle?
FRAU FLUTH.
Bis er's eingesteht,
Laßt die vermeinten Feen ihn tüchtig kneipen
Und mit den Kerzen brennen.
FRAU PAGE.
Ist's zu Ende,
Dann zeigen wir uns all', enthörnen ihn
Und spotten ihn nach Haus.
FLUTH.
Man muß die Kinder
Sorgfältig üben, sonst gelingt es nie.
EVANS. Ich werteten Kintern ihr Petraken einlehren, und will mir auch wie ein Hansaff kepärten und ten Ritter mit Karzern prennen.
FLUTH. Vortrefflich! Ich will gehn und Masken kaufen.
FRAU PAGE.
Mein Annchen spielt der Feien Königin;
Wir kleiden schmuck sie in ein weiß Gewand.
PAGE.
Den Atlas kauf' ich ihr; und mittlerweil'
Entführt Herr Schmächtig Annchen sich und läßt
Sich traun zu Eton. Schickt sogleich zu Falstaff! –
FLUTH.
Nein, ich geh' selbst, als Bach, noch einmal zu ihm;
Er teilt mir alles mit; gewiß, er kommt.
FRAU PAGE.
Seid unbesorgt; schafft allen Zubehör
Und Putz für unsre Fei'n!
EVANS. Wir wollen kleich tran kehn; tas sein allerliepste Erkötzlichkeiten und prafe Schelmstückchen.
Page, Fluth und Evans ab.
FRAU PAGE.
Geht, Frau Fluth,
Laßt ihn die Hurtig fragen, ob er kommt.
Frau Fluth ab.[535]
Ich will zum Doktor; er empfing mein Wort,
Und keiner wird mir Annchens Mann, als er.
Schmächtig hat Güter zwar, doch ist's ein Tropf;
Den wünscht vor allen sich mein Mann zumeist.
Cajus ist reich, und seine Freunde gelten
Bei Hofe viel; drum unser Eidam sei er,
Und kämen auch noch tausend beßre Freier!
Geht ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Die lustigen Weiber von Windsor
|
Buchempfehlung
Diese Ausgabe fasst die vier lyrischen Sammelausgaben zu Lebzeiten, »Gedichte« (1841), »Neue Gedichte« (1850), »Lyrisches und Episches« (1855) und »Neueste Gedichte« (1870) zusammen. »Letzte Gedichte« (1895) aus dem Nachlaß vervollständigen diese Sammlung.
278 Seiten, 13.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro