[343] Perikles, Cleon, Dionysa.
PERIKLES.
Geehrter Cleon, durchaus muß ich gehn,
Entfloh'n sind die zwölf Monden, Tyrus steht
Im zweifelhaften Frieden; nehmt den Dank
Des Herzens, Ihr samt der Gemahlin, und
Die Götter mögen alles Euch vergelten.
CLEON.
Wie tödlich Euch des Glücks Erschüttern jagt,
So wirft es wunderbaren Glanz auf uns.
DIONYSA.
Die holde Königin! Der strengen Mächte!
Daß uns ihr Anblick nicht besel'gen sollte!
PERIKLES.
Wir müssen uns wohl unserm Schicksal fügen,
Und tobt' und brüllt' ich, wie die See, die sie begräbt,
So bleibt es, wie es ist. Mein holdes Kind, Marina,
(Weil sie zur See geboren, so genannt)
Vertrau' ich Eurer Liebe, lasse sie
Als Eure Sorge hier, und bitt' Euch, fürstlich
Sie zu erzieh'n, daß Sitte und Geburt
Sich gleichen.
CLEON.
Sorgt, mein König, nicht, Ihr habt
Mit Eurem Korne dieses Land gespeis't,
Wofür das Volk Euch täglich Segen ruft:[343]
Dies wird in Eurem Kind vergolten; wär' ich
So schlecht, es zu versäumen, zwänge mich
Das Land, das Ihr erlöst, zu meiner Pflicht;
Doch, wenn ich dazu irgend Sporn bedarf,
Räch' es an mir der Himmel an den Meinen,
Bis zur Vertilgung des Geschlechts.
PERIKLES.
Ich glaub' Euch!
Mich sichern Eure Her' und Eure Güte
Auch ohne Schwur. Bis sie vermählt ist, bei
Der glänzenden Diana, die wir ehren,
Bleibt diese meine Erbin hier geschwisterlos,
Scheint dies auch Eigensinn. So nehm' ich Abschied;
Macht, edle Frau, mich in der Sorgfalt glücklich,
Im Auferzieh'n des Kind's.
DIONYSA.
Ich hab' ein Kind,
Das soll nicht teurer meinem Herzen sein
Als dies, mein König!
PERIKLES.
Dank Euch und Gebet.
CLEON.
Zum Saum des Meers geleiten wir Eu'r Gnaden,
Um Euch zu übergeben dem verlarvten
Neptun und allen günst'gen Himmelswinden.
PERIKLES.
Ich nehm' es an; so kommt, Ihr edle Frau –
Nein, keine Tränen, o Lychorida,
Für deine kleine Herrin sorge, der
Du künftig unterworfen bist. – So kommt.
Alle gehn ab.
Buchempfehlung
Schnitzlers erster Roman galt seinen Zeitgenossen als skandalöse Indiskretion über das Wiener Gesellschaftsleben. Die Geschichte des Baron Georg von Wergenthin und der aus kleinbürgerlichem Milieu stammenden Anna Rosner zeichnet ein differenziertes, beziehungsreich gespiegeltes Bild der Belle Époque. Der Weg ins Freie ist einerseits Georgs zielloser Wunsch nach Freiheit von Verantwortung gegenüber Anna und andererseits die Frage des gesellschaftlichen Aufbruchs in das 20. Jahrhundert.
286 Seiten, 12.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro