[107] Ebendaselbst. Diomed und ein Diener treten auf.
DIOMEDES.
Geh, Knappe, nimm das Pferd des Troilus,
Und bring' das gute Roß an Cressida;
Entbiete meinen Ritterdienst der Schönen,
Sag, der verliebte Troer sei gezüchtigt,
Und ich ihr treubewährter Held.
DIENER.
Ich gehe.
Ab.
Agamemnon tritt auf.
AGAMEMNON.
Drauf, drauf! Der wütige Polydamus
Erschlug Menon; Bastard Margarelon
Siegt über Doreus,
Steht als Koloß und schwenkt den Weberbaum
Hoch überm hingestreckten wunden Leib
Der Fürsten Cedius und Epistrophus.
Polyxenes ist tot; Amphimachus
Und Thoas schwer verwundet; tot Patroklus,
Wenn nicht gefangen; Ritter Palamedes
Tödlich verletzt; der grimme Bogenschütz
Schreckt unsre Reih'n. Eilt, Diomed, wir holen
Verstärkung, sonst erliegt das ganze Heer.
Nestor kommt.
NESTOR.
Geht, tragt Patroklus' Leiche zum Achill!
Der träge Ajax waffne sich aus Scham! –
Ein tausend Hektors schalten heut im Feld: –
Nun kämpft er hier, vom Rosse Galathee,
Und alles stürzt; gleich ist er hier zu Fuß,
Und alles weicht ihm, oder stirbt wie Fischbrut
Im Rachen eines Hais; dann kehrt er wieder,
Und die gedrängten Griechen, reif der Sichel,
Sie fallen vor ihm, wie des Mähers Schwad.
Hier, dort und allwärts schneidet er und rafft,
Und so gehorcht Gewandtheit seiner Lust.
Daß, was er will, er tut; und tut so viel,
Daß solch Gelingen scheint Unmöglichkeit.
Ulysses tritt auf.[107]
ULYSSES.
Mut, Mut gefaßt, ihr Fürsten! Held Achill
Greift zu den Waffen, weint, flucht, dürstet Rache.
Patroklus' Fall erregt sein schläfrig Blut
Und sein verstümmelt Myrmidonenvolk,
Das hand- und nasenlos, zerhackt, ihn anschreit,
Hektorn verklagend. – Ajax verlor den Freund
Und schäumt vor Wut und naht in Waffen schon,
Brüllend nach Troilus, der, wie im Wahnsinn,
Unglaublich, übermenschlich heut gemordet,
Einstürzend in den Drang, sich draus befreiend
Mit so sorgloser Kraft und schwacher Sorgfalt,
Als ob ein solch Gelingen recht zum Trotz
Der Klugheit alles ihn gewinnen hieße.
Ajax kommt.
AJAX.
Troilus! Du Memme, Troilus!
Ab.
DIOMEDES.
Dort! Dort!
NESTOR.
Nun zieht's mit allen Strängen! –
Sie gehn ab.
Achilles kommt.
ACHILLES.
Wo ist Hektor?
Komm, Knabenwürger, zeig' mir dein Gesicht!
Sieh, was es heißt, Achilles' Zorn begegnen!
Hektor! Wo ist Hektor? Ich will einzig Hektor!
Geht ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Troilus und Cressida
|
Buchempfehlung
Nach dem Vorbild von Abraham von Franckenberg und Daniel Czepko schreibt Angelus Silesius seine berühmten Epigramme, die er unter dem Titel »Cherubinischer Wandersmann« zusammenfasst und 1657 veröffentlicht. Das Unsagbare, den mystischen Weg zu Gott, in Worte zu fassen, ist das Anliegen seiner antithetisch pointierten Alexandriner Dichtung. »Ich bin so groß als Gott, er ist als ich so klein. Er kann nicht über mich, ich unter ihm nicht sein.«
242 Seiten, 11.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro