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[784] Zähl' ich die Glocke, die die Zeiten mißt,

Seh' ich den wackern Tag in Nacht verloren,

Und wie des Veilchens Lenz vorüber ist,

Wie sich mit Silber dunkle Haar' umfloren;

Erblick' ich hoher Wipfel dürres Laub,

Die erst ein Schattendach der Herde waren,

Geschürzt in Garben grünen Feldesraub

Weißbärtig, wie im Sarg, zur Scheuer fahren:

Dann kommt mir deine Schönheit in den Sinn,

Daß du der Zeiten Trümmer mußt vermehren;

Weil Reiz und Jugendschmuck sich selbst entfliehn,

Sich selbst so schnell als andre blühn, zerstören,

Und vor dem Sensenhieb der Zeit nichts wahrt

Als, ihm zum Trutz, Fortzeugung deiner Art.[784]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 784-785.
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