147


[852] Mein Lieben ist ein Fieber, es begehrt

Nur was die Krankheit fristet; all sein Sehnen

Geht auf den Zunder, der das Übel nährt,

Dem kranken, launenhaften Reiz zu frönen.

Vernunft, mein Liebesarzt, weil ich verschmäht

Was er mir riet, hat mürrisch mich verlassen.

Und hoffnungslos erkenn ich nur zu spät

Die Mördertriebe, die den Zügel hassen.

Unheilbar bin ich, nun Vernunft zerstoben,

In ew'ger Unruh ein Besessener:

Gedank' und Urteil, wie im Wahnsinn toben

Blind um die Wahrheit irrend hin und her:

Der ich dich schön gepriesen, hell gedacht,

Die schwarz wie Höll' und finster wie die Nacht.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 852.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sonette
The Sonnets/ Die Sonette [Zweisprachig]
The Sonnets / Die Sonette: Englisch/Deutsch
Sonette. Engl./Dt. Übersetzt von Tieck, Regis, u.a., Einleitung von Hanno Helbling.
Die Sonette: Zweisprachige Ausgabe
Shakespeares Sonette