Dritte Szene

[695] Es treten auf Cleopatra, Charmion, Iras und Alexas.


CLEOPATRA.

Wo ist er?

CHARMION.

Ich sah ihn nicht seitdem.

CLEOPATRA.

Sieh, wo er ist, wer mit ihm, was er tut

(Ich schickte dich nicht ab): find'st du ihn traurig,

Sag ihm, ich tanze; ist er munter, meld' ihm,

Ich wurde plötzlich krank. Schnell bring' mir Antwort!


Alexas ab.


CHARMION.

Fürstin, mir scheint, wenn Ihr ihn wirklich liebt,

Ihr wählt die rechte Art nicht, ihn zur Liebe

Zu zwingen.

CLEOPATRA.

Und was sollt' ich tun und lass' es?

CHARMION.

Gebt immer nach, laßt Euch von ihm nur führen!

CLEOPATRA.

Törichter Rat! Der Weg, ihn zu verlieren! –[695]

CHARMION.

Versucht ihn nicht zu sehr; ich bitt', erwägt:

Wir hassen bald, was oft uns Furcht erregt.


Antonius kommt.


Doch seht, er kommt.

CLEOPATRA.

Ich bin verstimmt und krank.

ANTONIUS.

Es quält mich, meinen Vorsatz ihr zu sagen.

CLEOPATRA.

Hilf, liebe Charmion, hilf, ich sinke hin:

So kann's nicht dauern, meines Körpers Bau

Wird unterliegen.

ANTONIUS.

Teure Königin ...

CLEOPATRA.

Ich bitt' dich, steh mir nicht so nah! –

ANTONIUS.

Was gibt's?

CLEOPATRA.

Ich seh' in diesem Blick die gute Zeitung!

Was sagt die Eh'gemahlin? Geh nur, geh!

Hätte sie dir's doch nie erlaubt, zu kommen!

Sie soll nicht sagen, daß ich hier dich halte;

Was kann ich über dich? Der Ihre bist du!

ANTONIUS.

Die Götter wissen ...

CLEOPATRA.

Nie ward eine Fürstin

So schrecklich je getäuscht. Und doch, von Anfang

Sah ich die Falschheit keimen.

ANTONIUS.

Cleopatra ...

CLEOPATRA.

Wie soll ich glauben, du seist mein und treu,

Erschüttert auch dein Schwur der Götter Thron,

Wenn du Fulvia verrietst? Schwelgender Wahnsinn,

An solchen mundgeformten Eid sich fesseln,

Der schon im Schwur zerbricht! –

ANTONIUS.

Geliebte Fürstin ...

CLEOPATRA.

Nein, such' nur keine Färbung deiner Flucht!

Geh, sag Lebwohl: als du zu bleiben flehtest,

Da galt's zu sprechen: damals nichts von Gehn! –

In unserm Mund und Blick war Ewigkeit,

Wonn' auf den Brau'n, kein Tropfen Blut so arm,

Der Göttern nicht entquoll: und so ist's noch,

Oder, der größte Feldherr, du, der Welt,

Wurdest zum größten Lügner.

ANTONIUS.

Mir das! Wie![696]

CLEOPATRA.

Hätt' ich nur deine Sehnen, daß du sähst,

Auch in Ägypten gäb's ein Herz ...

ANTONIUS.

Vernimm,

Der Zeiten strenger Zwang heischt unsern Dienst

Für eine Weile: meines Herzens Summe

Bleibt dein hier zum Gebrauch. Unser Italien

Blitzt rings vom Bürgerstahl: Sextus Pompejus

Bedroht mit seinem Heer die Häfen Roms:

Die Gleichheit zweier heim'schen Mächte zeugt

Gefährliche Parteiung: – stark geworden,

Liebt man die sonst Verhaßten: der verbannte

Pompejus, reich durch seines Vaters Ruhm,

Schleicht in die Herzen aller, die im Staat

Jetzt nicht gedeihn, und deren Menge schreckt: –

Und Ruhe, krank durch Frieden, sucht verzweifelnd

Heilung durch Wechsel. Doch ein näh'rer Grund,

Und der zumeist mein Gehn Euch sollt' entschuld'gen,

Ist Fulvias Tod.

CLEOPATRA.

Wenn mich das Alter auch nicht schützt vor Torheit,

Doch wohl vor Kindischsein. Kann Fulvia sterben? –

ANTONIUS.

Geliebte, sie ist tot.

Sieh hier, in übermüß'ger Stunde lies

Die Händel, die sie schuf: zuletzt ihr Bestes,

Sieh, wann und wo sie starb!

CLEOPATRA.

O falsches Lieben.

Wo sind Phiolen, die du füllen solltest

Mit Tau des Grams? Nicht Fulvias Tod beweinen,

Zeigt mir, wie leicht du einst erträgst den meinen.

ANTONIUS.

Zanke nicht mehr. Nein, sei gefaßt zu hören,

Was ich für Plan' entwarf: sie stehn und fallen,

Wie du mir raten wirst. Ja, bei dem Feuer,

Das Nilus' Schlamm belebt, ich geh' von hier,

Dein Held, dein Diener: Krieg erklär' ich, Frieden,

Wie dir's gefällt.

CLEOPATRA.

Komm, Charmion, schnür' mich auf!

Nein, laß nur, mir wird wechselnd schlimm und wohl,

Ganz wie Antonius liebt.[697]

ANTONIUS.

Still, teures Kleinod!

Gib beßres Zeugnis seiner Treu'; die strengste

Prüfung wird sie bestehn.

CLEOPATRA.

Das lehrt mich Fulvia!

O bitte, wende dich und wein' um sie,

Dann sag mir Lebewohl, und sprich: die Tränen

Sind für Ägypten: spiel' uns eine Szene

Ausbünd'ger Heuchelei, und mag sie gelten

Für echte Ehre! –

ANTONIUS.

Du erzürnst mich! Laß! –

CLEOPATRA.

Das geht schon leidlich: doch du kannst es besser.

ANTONIUS.

Bei meinem Schwert ...

CLEOPATRA.

Und Schild: – er spielt schon besser,

Doch ist's noch nicht sein Bestes. Sieh nur, Charmion,

Wie tragisch dieser röm'sche Herkules

Auffährt in seinem Grimm!

ANTONIUS.

So leb denn wohl!

CLEOPATRA.

Höflicher Herr, ein Wort:

Wir beide müssen scheiden, doch das ist's nicht, –

Wir beide liebten einst, – doch das ist's auch nicht, –

Das wißt Ihr wohl: – Was war's doch, das ich meinte?

O mein Gedächtnis ist recht ein Antonius,

Und ich bin ganz vergessen!

ANTONIUS.

Wär' nicht Torheit

Die Dien'rin deines Throns, so hielt' ich dich

Für Torheit selbst.

CLEOPATRA.

O schwere Müh' des Lebens,

Dem Herzen nahe solche Torheit tragen,

Wie diese ich! Doch, teurer Freund, vergib mir,

Denn Tod bringt mir mein Treiben, wenn es dir

Nicht gut ins Auge fällt. Dich ruft die Ehre,

Hör' denn auf meinen eiteln Wahnsinn nicht!

Und alle Götter mit dir! Siegeslorbeer

Kränze dein Schwert, und mühelos Gelingen

Bahne den Weg vor deinen Füßen!

ANTONIUS.

Komm;

Es flieht zugleich und weilet unsre Trennung:

Denn du, hier thronend, gehst doch fort mit mir,[698]

Und ich, fortschiffend, bleibe doch mit dir. –

Hinweg!


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 695-699.
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