Vierte Szene

[870] Es treten auf Coriolanus, Volumnia, Virgilia, Menenius, Cominius und mehrere junge Patrizier.


CORIOLANUS.

Nein, weint nicht mehr! Ein kurz Lebwohl! Das Tier

Mit vielen Köpfen stößt mich weg. Ei. Mutter!

Wo ist dein alter Mut? Du sagtest oft:

Es sei das Unglück Prüfstein der Gemüter,[870]

Gemeine Not trag' ein gemeiner Mensch.

Es segl' auf stiller See mit gleicher Kunst

Ein jedes Boot; doch tiefe Todeswunden,

Die Glück in guter Sache schlägt, verlangten

Den höchsten Sinn. – Du ludest oft mir auf

Belehrungen, die unbezwinglich machten

Die Herzen, die sie ganz durchdrangen.

VIRGILIA.

O Himmel! Himmel!

CORIOLANUS.

Nein, ich bitte, Frau –

VOLUMNIA.

Die Pestilenz treff alle Zünfte Roms,

Und die Gewerke Tod!

CORIOLANUS.

Was, was! Ich werde

Geliebt sein, wenn ich bin gemißt. Nun, Mutter,

Wo ist der Geist, der sonst dich sagen machte,

Wärst du das Weib des Herkules gewesen,

Sechs seiner Taten hättest du getan,

Und deinem Mann so vielen Schweiß erspart?

Cominius!

Frisch auf! Gott schütz' Euch! – Lebt wohl, Frau und Mutter!

Mir geht's noch gut. – Menenius, alter, treuer,

Salz'ger als jüngern Manns sind deine Tränen,

Und giftig deinem Aug'. Mein weiland Feldherr,

Ich sah dich finster, und oft schautest du

Herzhärtend Schauspiel; sag den bangen Frauen:

Beweinen Unvermeidliches sei Torheit

Sowohl, als drüber lachen. – Weißt du, Mutter,

Mein Wagnis war dein Trost ja immer! Und,

Das glaube fest, geh' ich auch jetzt allein,

So wie ein Drache einsam, den die Höhle

Gefürchtet macht, besprochen mehr, weil nicht gesehn, –

Dein Sohn ragt über dem Gemeinen stets,

Wo nicht, fällt er durch Tück' und niedre List.

VOLUMNIA.

Mein großer Sohn!

Wo willst du hin? Nimm für die erste Zeit

Cominius mit: bestimme dir den Lauf,

Statt wild dich jedem Zufall preis zu geben,

Der auf dem Weg dich anfällt.

CORIOLANUS.

O ihr Götter![871]

COMINIUS.

Den Monat bleib' ich bei dir; wir bedenken,

Wo du verweilen magst, von uns zu hören,

Und wir von dir: daß, wenn die Zeit den Anlaß

Für deine Rückberufung reift, wir nicht

Nach einem Mann die Welt durchsuchen müssen,

Die Gunst verlierend, welche stets erkaltet,

Ist jener fern, der sie bedarf.

CORIOLANUS.

Leb wohl!

Du trägst der Jahre viel, hast übersatt

Kriegsschwelgerei, mit einem umzutreiben,

Des Gier noch frisch. Bringt mich nur aus dem Tor;

Komm, süßes Weib, geliebte Mutter, und

Ihr wohlerprobten Freunde! – Bin ich draußen,

Sagt: »Lebe wohl!« und lächelt! Bitte, kommt –

Solang' ich überm Boden bin, sollt ihr

Stets von mir hören, und nie etwas andres,

Als was dem frühem Marcius gleicht.

MENENIUS.

So würdig,

Wie man nur hören kann. Laßt uns nicht weinen!

Könnt' ich nur sieben Jahr herunterschütteln

Von diesen alten Gliedern, – bei den Göttern!

Ich wollt' auf jedem Schritt dir folgen.

CORIOLANUS.

Kommt!

Deine Hand!


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 870-872.
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Julius Cäsar /Antonius und Cleopatra /Coriolanus
Coriolan / The Tragedy of Coriolanus (Gesamtausgabe, Band 31)
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