Zweite Szene

[808] Tullus Aufidius tritt auf mit einigen Senatoren.


ERSTER SENATOR.

So glaubt Ihr wirklich denn, Aufidius,

Daß die von Rom erforschten unsern Plan

Und wissen, was wir tun?

AUFIDIUS.

Glaubt Ihr's denn nicht?

Was ward wohl je gedacht in unserm Staat,

Das nicht, ch's körperliche Tat geworden,

Rom ausgeforscht? Noch sind's vier Tage nicht,

Daß man von dort mir schrieb; so, denk' ich, lautet's –

Ich hab' den Brief wohl hier; – ja, dieser ist's.


Er liest.


»Geworben wird ein Heer; doch niemand weiß,

Ob für den Ost, den West. Groß ist die Teurung,

Das Volk im Aufruhr, und man raunt sich zu,

Cominius, Marcius, Euer alter Feind

(Der mehr in Rom gehaßt wird als von Euch),

Und Titus Lartius, ein sehr tapfrer Römer,

Daß diesen drei'n die Rüstung ward vertraut.

Wohin's auch geht: wahrscheinlich trifft es Euch,

Drum seht Euch vor!«

ERSTER SENATOR.

Im Feld stehn unsre Scharen;

Wir zweifeln nie, daß Rom, uns zu begegnen,

Stets sei bereit.

AUFIDIUS.

Und Ihr habt klug gehandelt,

Zu bergen Euern großen Plan, bis er

Sich zeigen mußte; doch im Brüten schon

Erkannt' ihn Rom, so scheint's; durch die Entdeckung

Wird unser Ziel geschmälert, welches war,

Zu nehmen manche Stadt, eh' selbst die Römer

Bemerkt, daß wir im Gang.

ZWEITER SENATOR.

Edler Aufidius,[808]

Nehmt Eure Vollmacht, eilt zu Euren Scharen,

Laßt uns zurück, Corioli zu schützen;

Belagern sie uns hier, kommt zum Entsatz

Mit Eurem Heer zurück; doch sollt Ihr sehn,

Die Rüstung gilt nicht uns.

AUFIDIUS.

Oh! zweifelt nicht;

Ich sprech' aus sichrer Nachricht. Ja – noch mehr,

Schon rückten ein'ge Römerhaufen aus,

Und nur hieherwärts. Ich verlass' euch, Väter.

Wenn wir und Cajus Marcius uns begegnen,

So ist geschworen, daß der Kampf nicht endet,

Bis einer fällt.

ALLE SENATOREN.

Die Götter sei'n mit Euch!

AUFIDIUS.

Sie schirmen Eure Ehren!

ERSTER SENATOR.

Lebt wohl!

ZWEITER SENATOR.

Lebt wohl!

AUFIDIUS.

Lebt wohl!


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 808-809.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Coriolanus
Shakespeare, William: Shakespeare's dramatische Werke / Die Comödie der Irrungen. - Die beiden Veroneser. - Coriolanus. Liebes Leid und Lust
Coriolanus. Tragödie.
Julius Cäsar /Antonius und Cleopatra /Coriolanus
Coriolan / The Tragedy of Coriolanus (Gesamtausgabe, Band 31)
Shakespeare's Dramatische Werke: Einleitungen. Viel Lärmen Um Nichts. Die Comödie Der Irrungen. Die Beiden Veroneser. Coriolanus / Uebersetzt Von Dorothea Tieck. Liebes Leid Und Lust (German Edition)

Buchempfehlung

Neukirch, Benjamin

Gedichte und Satiren

Gedichte und Satiren

»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon