Erste Szene

[250] Die Ebene von Philippi.

Octavius, Antonius und ihr Heer.


OCTAVIUS.

Nun, Mark Anton, wird meine Hoffnung wahr:

Ihr sprecht, der Feind werd' auf den Höh'n sich halten

Und nicht herab in unsre Ebne ziehn;

Es zeigt sich anders: seine Scharen nahn;

Sie wollen zu Philippi hier uns mahnen

Und Antwort geben, eh' wir sie befragt.

ANTONIUS.

Pah, steck' ich doch in ihrem Herzen, weiß,

Warum sie's tun: sie könnten sich begnügen,

Nach andern Plätzen hinzuziehn, und kommen

Mit bangem Trotz, im Wahn, durch diesen Aufzug

Uns vorzuspiegeln, sie besitzen Mut.

Allein dem ist nicht so.


Ein Bote tritt auf.


BOTE.

Bereitet euch, ihr Feldherrn:

Der Feind rückt an in wohlgeschloßnen Reih'n.

Sein blut'ges Schlachtpanier ist ausgehängt,

Und etwas muß im Augenblick geschehn.

ANTONIUS.

Octavius, führet langsam Euer Heer

Zur linken Hand der Ebne weiter vor!

OCTAVIUS.

Zur rechten ich, behaupte du die linke!

ANTONIUS.

Was kreuzt Ihr mich, da die Entscheidung drängt?

OCTAVIUS.

Ich kreuz' Euch nicht, doch ich verlang' es so.


Marsch.


Die Trommel gerührt. Brutus und Cassius kommen mit ihrem Heere; Lucilius, Titinius, Messala und andre.[250]


BRUTUS.

Sie halten still und wollen ein Gespräch.

CASSIUS.

Titinius, steh! Wir treten vor und reden.

OCTAVIUS.

Antonius, geben wir zur Schlacht das Zeichen?

ANTONIUS.

Nein, Cäsar, laßt uns ihres Angriffs warten!

Kommt, tretet vor! Die Feldherrn wünschen ja

Ein Wort mit uns.

OCTAVIUS.

Bleibt stehn bis zum Signal!

BRUTUS.

Erst Wort, dann Schlag: nicht wahr, ihr Landsgenossen?

OCTAVIUS.

Nicht daß wir mehr als ihr nach Worten fragen.

BRUTUS.

Gut Wort, Octavius, gilt wohl bösen Streich.

ANTONIUS.

Ihr, Brutus, gebt bei bösem Streich gut Wort.

Des zeuget Cäsars Herz, durchbohrt von Euch,

Indes Ihr rieft: »Lang' lebe Cäsar, Heil!«

CASSIUS.

Die Führung Eurer Streiche, Mark Anton,

Ist uns noch unbekannt; doch Eure Worte

Begehn an Hyblas Bienen Raub und lassen

Sie ohne Honig.

ANTONIUS.

Nicht auch stachellos?

BRUTUS.

O ja! auch tonlos, denn Ihr habt ihr Summen

Gestohlen, Mark Anton, und drohet weislich,

Bevor Ihr stecht.

ANTONIUS.

Ihr tatet's nicht, Verräter,

Als eure schnöden Dolch' einander stachen

In Cäsars Brust: Ihr zeigtet eure Zähne

Wie Affen, krocht wie Hunde, bücktet tief

Wie Sklaven euch, und küßtet Cäsars Füße;

Derweil von hinten der verfluchte Casca

Mit tück'schem Bisse Cäsars Nacken traf.

O Schmeichler!

CASSIUS.

Schmeichler! – Dankt Euch selbst nun, Brutus:

Denn diese Zunge würde heut nicht freveln,

Wär' Cassius' Rat befolgt.

OCTAVIUS.

Zur Sache! kommt! Macht Widerspruch uns schwitzen,

So kostet rötre Tropfen der Erweis.

Seht! auf Verschworne zück' ich dieses Schwert:

Wann, denkt ihr, geht es wieder in die Scheide?

Nie, bis des Cäsar dreiundzwanzig Wunden[251]

Gerächt sind, oder bis ein andrer Cäsar

Mit Mord gesättigt der Verräter Schwert!

BRUTUS.

Cäsar, du kannst nicht durch Verräter sterben,

Du bringest denn sie mit.

OCTAVIUS.

Das hoff' ich auch:

Von Brutus' Schwert war Tod mir nicht bestimmt.

BRUTUS.

O wärst du deines Stammes Edelster,

Du könntest, junger Mann, nicht schöner sterben.

CASSIUS.

Ein launisch Bübchen, unwert solches Ruhms,

Gesellt zu einem Wüstling und 'nem Trinker.

ANTONIUS.

Der alte Cassius!

OCTAVIUS.

Komm, Antonius! fort!

Trotz in die Zähne schleudr' ich euch, Verräter!

Wagt ihr zu fechten heut, so kommt ins Feld:

Wo nicht, wenn's euch gemutet!


Octavius und Antonius mit ihrem Heere ab.


CASSIUS.

Nun tobe, Wind! schwill, Woge! schwimme, Nachen!

Der Strom ist wach und alles auf dem Spiel.

BRUTUS.

Lucilius, hört! Ich muß ein Wort Euch sagen.

LUCILIUS.

Herr?


Brutus und Lucilius reden beiseit mit einander.


CASSIUS.

Messala!

MESSALA.

Was befiehlt mein Feldherr?

CASSIUS.

Messala, dies ist mein Geburtstag; grade

An diesem Tag kam Cassius auf die Welt.

Gib mir die Hand, Messala: sei mein Zeuge,

Daß ich gezwungen, wie Pompejus einst,

An eine Schlacht all unsre Freiheit wage.

Du weißt, ich hielt am Epikurus fest

Und seiner Lehr'; nun ändr' ich meinen Sinn,

Und glaub' an Dinge, die das Künft'ge deuten.

Auf unserm Zug von Sardes stürzten sich

Zwei große Adler auf das vordre Banner;

Da saßen sie und fraßen gierig schlingend

Aus unsrer Krieger Hand; sie gaben uns

Hieher bis nach Philippidas Geleit;

Heut morgen sind sie auf und fortgeflohn.[252]

Statt ihrer fliegen Raben, Geier, Kräh'n

Uns überm Haupt und schaun herab auf uns

Als einen siechen Raub; ihr Schatten scheint

Ein Trauerhimmel, unter dem das Heer,

Bereit, den Atem auszuhauchen, liegt.

MESSALA.

Nein, glaubt das nicht!

CASSIUS.

Ich glaub' es auch nur halb,

Denn ich bin frisches Mutes und entschlossen,

Zu trotzen standhaft jeglicher Gefahr.

BRUTUS.

Tu' das, Lucilius!

CASSIUS.

Nun, mein edler Brutus,

Sei'n uns die Götter heute hold, auf daß wir

Gesellt in Frieden unserm Alter nahn!

Doch weil das Los der Menschen niemals sicher,

Laßt uns bedacht sein auf den schlimmsten Fall:

Verlieren wir dies Treffen, so ist dies

Das allerletzte Mal, daß wir uns sprechen:

Was habt Ihr dann Euch vorgesetzt zu tun?

BRUTUS.

Ganz nach der Vorschrift der Philosophie,

Wonach ich Cato um den Tod getadelt,

Den er sich gab (ich weiß nicht, wie es kommt,

Allein ich find' es feig und niederträchtig,

Aus Furcht, was kommen mag, des Lebens Zeit

So zu verkürzen), will ich mit Geduld

Mich waffnen und den Willen hoher Mächte

Erwarten, die das Irdische regieren.

CASSIUS.

Dann, geht die Schlacht verloren, laßt Ihr's Euch

Gefallen, daß man durch die Straßen Roms

Euch im Triumphe führt?

BRUTUS.

Nein, Cassius, nein! Glaub' mir, du edler Römer,

Brutus wird nie gebunden gehn nach Rom.

Er trägt zu hohen Sinn. Doch dieser Tag

Muß enden, was des Märzen Idus anfing;

Ob wir uns wieder treffen, weiß ich nicht:

Drum laßt ein ewig Lebewohl uns nehmen!

Gehab' dich wohl, mein Cassius, für und für!

Sehn wir uns wieder, nun, so lächeln wir;

Wo nicht, so war dies Scheiden wohlgetan.[253]

CASSIUS.

Gehab' dich wohl, mein Brutus, für und für!

Sehn wir uns wieder, lächeln wir gewiß;

Wo nicht, ist wahrlich wohlgetan dies Scheiden.

BRUTUS.

Nun wohl, führt an! O wüßte jemand doch

Das Ende dieses Tagwerks, eh' es kommt!

Allein es g'nüget, enden wird der Tag,

Dann wissen wir sein Ende. – Kommt und fort!


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 250-254.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Julius Cäsar
Julius Caesar Wordsworth classics
Julius Caesar by Shakespeare, William ( AUTHOR ) Apr-01-2011 Paperback
Julius Cäsar
Julius Caesar [Zweisprachig]
Julius Cäsar: Zweisprachige Ausgabe

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Rameaus Neffe

Rameaus Neffe

In einem belebten Café plaudert der Neffe des bekannten Komponisten Rameau mit dem Erzähler über die unauflösliche Widersprüchlichkeit von Individuum und Gesellschaft, von Kunst und Moral. Der Text erschien zuerst 1805 in der deutschen Übersetzung von Goethe, das französische Original galt lange als verschollen, bis es 1891 - 130 Jahre nach seiner Entstehung - durch Zufall in einem Pariser Antiquariat entdeckt wurde.

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon