[236] Rom. Ein Zimmer im Hause des Antonius.
Antonius, Octavius und Lepidus, an einem Tische sitzend.
ANTONIUS.
Die müssen also sterben, deren Namen
Hier angezeichnet stehn.
OCTAVIUS.
Auch Euer Bruder
Muß sterben, Lepidus. Ihr willigt drein?
LEPIDUS.
Ich will'ge drein.
OCTAVIUS.
Zeichn' ihn, Antonius!
LEPIDUS.
Mit dem Beding, daß Publius nicht lebe,
Der Eurer Schwester Sohn ist, Mark Anton.
ANTONIUS.
Er lebe nicht: sieh her, ein Strich verdammt ihn.
Doch, Lepidus, geht Ihr zu Cäsars Haus,
Bringt uns sein Testament: wir wollen sehn,
Was an Vermächtnissen sich kürzen läßt.
LEPIDUS.
Wie? soll ich hier euch finden?
OCTAVIUS.
Hier oder auf dem Kapitol.
Lepidus ab.
ANTONIUS.
Dies ist ein schwacher, unbrauchbarer Mensch,
Zum Botenlaufen nur geschickt. Verdient er,
Wenn man die dreibenannte Welt verteilt,
Daß er, als dritter Mann, sein Teil empfange?
OCTAVIUS.
Ihr glaubtet es und hörtet auf sein Wort,
Wen man im schwarzen Rate unsrer Acht
Zum Tode zeichnen sollte.
ANTONIUS.
Octavius, ich sah mehr Tag' als Ihr.
Ob wir auf diesen Mann schon Ehren häufen,[236]
Um manche Last des Leumunds abzuwälzen,
Er trägt sie doch nur wie der Esel Gold,
Der unter dem Geschäfte stöhnt und schwitzt,
Geführt, getrieben, wie den Weg wir weisen;
Und hat er unsern Schatz, wohin wir wollen,
Gebracht, dann nehmen wir die Last ihm ab,
Und lassen ihn als led'gen Esel laufen,
Daß er die Ohren schütteln mög' und grasen
Auf offner Weide.
OCTAVIUS.
Tut, was Euch beliebt;
Doch ist er ein geprüfter, wackrer Krieger.
ANTONIUS.
Das ist mein Pferd ja auch, Octavius,
Dafür bestimm' ich ihm sein Maß von Futter.
Ist's ein Geschöpf nicht, das ich lehre fechten,
Umwenden, halten, grade vorwärts rennen,
Des körperliches Tun mein Geist regiert?
In manchem Sinn ist Lepidus nichts weiter:
Man muß ihn erst abrichten, lenken, mahnen;
Ein Mensch von dürft'gem Geiste, der sich nährt
Von Gegenständen, Künsten, Nachahmungen,
Die, alt und schon von andern abgenutzt,
Erst seine Mode werden: sprecht nicht anders
Von ihm als einem Eigentum! – Und nun,
Octavius, vernehmet große Dinge:
Brutus und Cassius werben Völker an:
Wir müssen ihnen stracks die Spitze bieten.
Drum laßt die Bundsgenossen uns versammeln,
Die Freunde sichern, alle Macht aufbieten;
Und laßt zu Rat uns sitzen alsobald,
Wie man am besten Heimliches entdeckt
Und offnen Fährlichkeiten sicher trotzt.
OCTAVIUS.
Das laßt uns tun: denn uns wird aufgelauert,
Und viele Feinde bellen um uns her;
Und manche, so da lächeln, fürcht' ich, tragen
Im Herzen tausend Unheil.
Beide ab.[237]
Ausgewählte Ausgaben von
Julius Cäsar
|
Buchempfehlung
»In der jetzigen Zeit, nicht der Völkerwanderung nach Außen, sondern der Völkerregungen nach Innen, wo Welttheile einander bewegen und ein Land um das andre zum Vaterlande reift, wird auch der Dichter mit fortgezogen und wenigstens das Herz will mit schlagen helfen. Wahrlich! man kann nicht anders, und ich achte keinen Mann, der sich jetzo blos der Kunst zuwendet, ohne die Kunst selbst gegen die Zeit zu kehren.« schreibt Jean Paul in dem der Ausgabe vorangestellten Motto. Eines der rund einhundert Lieder, die Hoffmann von Fallersleben 1843 anonym herausgibt, wird zur deutschen Nationalhymne werden.
90 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro