[200] Rom. Der Garten des Brutus.
Brutus tritt auf.
BRUTUS.
He, Lucius! auf! –
Ich kann nicht aus der Höh' der Sterne raten,
Wie nah der Tag ist. – Lucius, hörst du nicht? –
Ich wollt', es wär mein Fehler, so zu schlafen. –
Nun, Lucius, nun! Ich sag': erwach'! Auf, Lucius!
Lucius kommt.
LUCIUS.
Herr, riefet Ihr?
BRUTUS.
Bring' eine Kerze mir ins Lesezimmer,
Und wenn sie brennt, so komm und ruf' mich hier!
LUCIUS.
Ich will es tun, Herr.
Ab.
BRUTUS.
Es muß durch seinen Tod geschehn. Ich habe
Für mein Teil keinen Grund, ihn wegzustoßen,
Als fürs gemeine Wohl. Er wünscht gekrönt zu sein:
Wie seinen Sinn das ändern möchte, fragt sich.
Der warme Tag ist's, der die Natter zeugt;
Das heischt mit Vorsicht gehn. Ihn krönen? – Das
Und dann ist's wahr, wir leihn ihm einen Stachel,
Womit er kann nach Willkür Schaden tun.
Der Größe Mißbrauch ist, wenn von der Macht
Sie das Gewissen trennt: und, um von Cäsarn
Die Wahrheit zu gestehn, ich sah noch nie,
Daß ihn die Leidenschaften mehr beherrscht
Als die Vernunft. Doch oft bestätigt sich's,
Die Demut ist der jungen Ehrsucht Leiter;[200]
Wer sie hinanklimmt, kehrt den Blick ihr zu;
Doch hat er erst die höchste Spross' erreicht,
Dann kehret er der Leiter seinen Rücken,
Schaut himmelan, verschmäht die niedern Tritte,
Die ihn hinaufgebracht. Das kann auch Cäsar:
Drum, eh' er kann, beugt vor! Und weil der Streit
Nicht Schein gewinnt durch das, was Cäsar ist,
Legt so ihn aus: das, was er ist, vergrößert,
Kann dies und jenes Übermaß erreichen.
Drum achtet ihn gleich einem Schlangenei,
Das, ausgebrütet, giftig würde werden
Wie sein Geschlecht, und würgt ihn in der Schale!
Lucius kommt zurück.
LUCIUS.
Die Kerze brennt in Eurem Zimmer, Herr.
Als ich nach Feuerstein im Fenster suchte,
Fand ich dies Blatt, versiegelt; und ich weiß,
Es war nicht da, als ich zu Bette ging.
BRUTUS.
Geh wieder in dein Bett: es ist noch Nacht.
Ist morgen nicht des Märzen Idus, Knabe?
LUCIUS.
Ich weiß nicht, Herr.
BRUTUS.
Such' im Kalender denn und sag es mir!
LUCIUS.
Das will ich, Herr.
Ab.
BRUTUS.
Die Ausdünstungen, schwirrend in der Luft,
Gewähren Licht genug, dabei zu lesen.
Er öffnet den Brief und liest.
»Brutus, du schläfst. Erwach' und sieh dich selbst!
Soll Rom –? – Sprich, schlage, stelle her!
Brutus, du schläfst. Erwache! –«
Oft hat man schon dergleichen Aufgebote
Mir in den Weg gestreut.
»Soll Rom –?« – So muß ich es ergänzen:
Soll Rom vor einem Manne beben? Wie?
Mein Ahnherr trieb einst von den Straßen Roms
Tarquin hinweg, als er ein König hieß.
»Sprich, schlage, stelle her!« Werd' ich zu sprechen,
Zu schlagen angemahnt? O Rom, ich schwöre,[201]
Wenn nur die Herstellung erfolgt, empfängst du
Dein ganz Begehren von der Hand des Brutus!
Lucius kommt zurück.
LUCIUS.
Herr, vierzehn Tage sind vom März verstrichen.
Man klopft draußen.
BRUTUS.
's ist gut. Geh an die Pforte: jemand klopft.
Lucius ab.
Seit Cassius mich spornte gegen Cäsar,
Schlief ich nicht mehr.
Bis zur Vollführung einer furchtbar'n Tat
Vom ersten Antrieb, ist die Zwischenzeit
Wie ein Phantom, ein grauenvoller Traum.
Der Genius und die sterblichen Organe
Sind dann im Rat vereint; und die Verfassung
Des Menschen, wie ein kleines Königreich,
Erleidet dann den Zustand der Empörung.
Lucius kommt zurück.
LUCIUS.
Herr, Euer Bruder Cassius wartet draußen;
Er wünschet Euch zu sehn.
BRUTUS.
Ist er allein?
LUCIUS.
Nein, es sind mehr noch bei ihm.
BRUTUS.
Kennst du sie?
LUCIUS.
Nein, Herr, sie tragen eingedrückt die Hüte
Und das Gesicht im Mantel halb begraben,
Daß ich durchaus sie nicht erkennen kann
An irgendeinem Zuge.
BRUTUS.
Laß sie ein!
Lucius ab.
Es sind die Bundesbrüder. O Verschwörung!
Du schämst dich, die verdächt'ge Stirn bei Nacht
Zu zeigen, wann das Bös' am freisten ist?
O denn, bei Tag, wo willst du eine Höhle
Entdecken, dunkel g'nug, es zu verlarven,
Dein schnödes Antlitz? – Verschwörung, suche keine![202]
In Lächeln hüll' es und in Freundlichkeit!
Denn trät'st du auf in angeborner Bildung,
So wär' der Erebus nicht finster g'nug,
Vor Argwohn dich zu schützen.
Cassius, Casca, Decius, Metellus Cimber und Trebonius treten auf.
CASSIUS.
Sind wir gelegen? Guten Morgen, Brutus!
Ich fürchte, daß wir Eure Ruhe stören.
BRUTUS.
Längst war ich auf, und wach die ganze Nacht.
Kenn' ich die Männer, welche mit Euch kommen?
CASSIUS.
Ja, jeden aus der Zahl; und keiner hier,
Der Euch nicht hoch hält, und ein jeder wünscht,
Ihr hättet nur die Meinung von Euch selbst,
Die jeder edle Römer von Euch hegt.
Dies ist Trebonius.
BRUTUS.
Er ist willkommen.
CASSIUS.
Dies Decius Brutus.
BRUTUS.
Er ist auch willkommen.
CASSIUS.
Dies Casca, dies Cinna, und dies Metellus Cimber.
BRUTUS.
Willkommen alle!
Was stellen sich für wache Sorgen zwischen
Die Nacht und eure Augen?
CASSIUS.
Auf ein Wort,
Wenn's Euch beliebt!
Sie reden leise mit einander.
DECIUS.
Hier liegt der Ost: bricht da der Tag nicht an?
CASCA.
Nein.
CINNA.
Doch, um Verzeihung! und die grauen Streifen,
Die das Gewölk durchziehn, sind Tagesboten.
CASCA.
Ihr sollt gestehn, daß ihr euch beide trügt.
Die Sonn' erscheint hier, wo mein Degen hinweist;
Das ist ein gut Teil weiter hin nach Süden,
Wenn ihr die junge Jahreszeit erwägt.
Zwei Monde noch, und höher gegen Norden
Steigt ihre Flamm' empor, und grade hier
Steht hinterm Kapitol der hohe Ost.
BRUTUS.
Gebt eure Hand mir, einer nach dem andern![203]
CASSIUS.
Und lasset uns beschwören den Entschluß!
BRUTUS.
Nein, keinen Eid! Wenn nicht der Menschen Antlitz,
Das innre Seelenleid, der Zeit Verfall –
Sind diese Gründe schwach, so brecht nur auf,
Und jeder fort zu seinem trägen Bett!
Laßt frechgesinnte Tyrannei dann schalten,
Bis jeder nach dem Lose fällt. Doch tragen
Sie Feuer g'nug in sich, wie offenbar,
Um Feige zu entflammen und mit Mut
Des Weibes schmelzendes Gemüt zu stählen:
O denn, Mitbürger! welchen andern Sporn
Als unsre Sache braucht es, uns zu stacheln
Zur Herstellung? Was für Gewähr als diese:
Verschwiegne Römer, die das Wort gesprochen,
Und nicht zurückziehn? welchen andern Eid,
Als Redlichkeit mit Redlichkeit im Bund,
Daß dies gescheh', wo nicht, dafür zu sterben?
Laßt Priester, Memmen, Schriftgelehrte schwören,
Verdorrte Greis' und solche Jammerseelen,
Die für das Unrecht danken; schwören laßt
Bei bösen Händeln Volk, dem man nicht traut!
Entehrt nicht so den Gleichmut unsrer Handlung
Und unsern unbezwinglich festen Sinn,
Zu denken, unsre Sache, unsre Tat
Brauch' einen Eid; da jeder Tropfe Bluts,
Der edel fließt in jedes Römers Adern,
Sich seines echten Stamms verlustig macht,
Wenn er das kleinste Teilchen nur verletzt
Von irgendeinem Worte, das er gab.
CASSIUS.
Doch wie mit Cicero? Forscht man ihn aus?
Ich denk', er wird sehr eifrig für uns sein.
CASCA.
Laßt uns ihn nicht vorübergehn!
CINNA.
Nein, ja nicht!
METELLUS.
Gewinnt ihn ja für uns! Sein Silberhaar
Wird eine gute Meinung uns erkaufen
Und Stimmen werben, unser Werk zu preisen.
Sein Urteil habe unsre Hand gelenkt,[204]
So wird es heißen; unsre Hastigkeit
Und Jugend wird im mind'sten nicht erscheinen,
Von seinem würd'gen Ansehn ganz bedeckt.
BRUTUS.
O nennt ihn nicht! Laßt uns ihm nichts eröffnen:
Denn niemals tritt er einer Sache bei,
Wenn andre sie erdacht.
CASSIUS.
So laßt ihn weg!
CASCA.
's ist wahr, er paßt auch nicht.
DECIUS.
Wird niemand sonst als Cäsar angetastet?
CASSIUS.
Ja, gut bedacht! Mich dünkt, daß Mark Anton,
Der so beliebt beim Cäsar ist, den Cäsar
Nicht überleben darf. Er wird sich uns
Gewandt in Ränken zeigen, und ihr wißt,
Daß seine Macht, wenn er sie nutzt, wohl hinreicht,
Uns allen Not zu schaffen. Dem zu wehren,
Fall' Cäsar und Antonius zugleich!
BRUTUS.
Zu blut'ge Weise, Cajus Cassius, wär's,
Das Haupt abschlagen und zerhaun die Glieder,
Wie Grimm beim Tod und Tücke hinterher.
Antonius ist ja nur ein Glied des Cäsar.
Laßt Opferer uns sein, nicht Schlächter, Cajus!
Wir alle stehen gegen Cäsars Geist,
Und in dem Geist des Menschen ist kein Blut.
O könnten wir denn Cäsars Geist erreichen,
Und Cäsarn nicht zerstücken! Aber, ach!
Cäsar muß für ihn bluten. Edle Freunde,
Laßt kühnlich uns ihn töten, doch nicht zornig;
Zerlegen laßt uns ihn, ein Mahl für Götter,
Nicht ihn zerhauen wie ein Aas für Hunde!
Laßt unsre Herzen, schlauen Herren gleich,
Zu rascher Tat aufwiegeln ihre Diener,
Und dann zum Scheine schmälen. Dadurch wird
Notwendig unser Werk und nicht gehässig;
Und wenn es so dem Aug' des Volks erscheint,
Wird man uns Reiniger, nicht Mörder nennen.
Was Mark Anton betrifft, denkt nicht an ihn,
Denn er vermag nicht mehr als Cäsars Arm,
Wenn Cäsars Haupt erst fiel.[205]
CASSIUS.
Doch fürcht' ich ihn,
Denn seine Liebe hängt so fest am Cäsar –
BRUTUS.
Ach, guter Cassius, denket nicht an ihn!
Liebt er den Cäsar, so vermag er nichts
Als gegen sich: sich härmen, für ihn sterben.
Und das wär' viel von ihm, weil er der Lust,
Der Wüstheit, den Gelagen sich ergibt.
TREBONIUS.
Es ist kein Arg in ihm: er sterbe nicht,
Denn er wird leben und dies einst belachen.
Die Glocke schlägt.
BRUTUS.
Still! Zählt die Glocke!
CASSIUS.
Sie hat drei geschlagen.
TREBONIUS.
Es ist zum Scheiden Zeit.
CASSIUS.
Doch zweifl' ich noch,
Ob Cäsar heute wird erscheinen wollen.
Denn kürzlich ist er abergläubisch worden,
Ganz dem entgegen, wie er sonst gedacht
Von Träumen, Einbildung und heil'gen Bräuchen.
Vielleicht, daß diese großen Wunderdinge,
Daß ungewohnte Schrecken dieser Nacht
Und seiner Augurn Überredung ihn
Entfernt vom Kapitol für heute hält.
DECIUS.
Das fürchtet nimmer: wenn er das beschloß,
So übermeistr' ich ihn. Er hört es gern,
Das Einhorn lasse sich mit Bäumen fangen,
Der Löw' im Netz, der Elefant in Gruben,
Der Bär mit Spiegeln und der Mensch durch Schmeichler.
Doch sag' ich ihm, daß er die Schmeichler haßt,
Bejaht er es, am meisten dann geschmeichelt.
Laßt mich gewähren.
Denn ich verstehe sein Gemüt zu lenken,
Und will ihn bringen auf das Kapitol.
CASSIUS.
Ja, laßt uns alle gehn, um ihn zu holen!
BRUTUS.
Zur achten Stund' aufs späteste, nicht wahr?
CINNA.
Das sei das spät'ste, und dann bleibt nicht aus!
METELLUS.
Cajus Ligarius ist dem Cäsar feind,
Der's ihm verwies, daß er Pompejus lobte:
Es wundert mich, daß niemand sein gedacht.[206]
BRUTUS.
Wohl, guter Cimber, geht nur vor bei ihm:
Er liebt mich herzlich, und ich gab ihm Grund.
Schickt ihn hieher, so will ich schon ihn stimmen.
CASSIUS.
Der Morgen übereilt uns: wir gehen, Brutus.
Zerstreut euch, Freunde: doch bedenket alle,
Was ihr gesagt, und zeigt euch echte Römer!
BRUTUS.
Seht, werte Männer, frisch und fröhlich aus;
Tragt euren Vorsatz nicht auf eurer Stirn!
Nein, führt's hindurch wie Helden unsrer Bühne,
Mit munterm Geist und äußrer Festigkeit!
Und somit insgesamt euch guten Morgen!
Alle ab, außer Brutus.
BRUTUS.
He, Lucius! – Fest im Schlaf? Es schadet nichts.
Genieß' den honigschweren Tau des Schlummers!
Du siehst Gestalten nicht noch Phantasien,
Womit geschäft'ge Sorg' ein Hirn erfüllt;
Drum schläfst du so gesund.
Portia tritt auf.
PORTIA.
Mein Gatte! Brutus!
BRUTUS.
Was wollt Ihr, Portia? Warum steht Ihr auf?
Es dient Euch nicht, die zärtliche Natur
Dem rauhen kalten Morgen zu vertraun.
PORTIA.
Euch gleichfalls nicht. Unfreundlich stahlt Ihr, Brutus,
Von meinem Bett Euch; und beim Nachtmahl gestern
Erhobt Ihr plötzlich Euch und gingt umher,
Sinnend und seufzend, mit verschränkten Armen.
Und wenn ich Euch befragte, was es sei,
So starrtet Ihr mich an mit finstern Blicken.
Ich drang in Euch, da riebt Ihr Euch die Stirn
Und stampftet ungeduldig mit dem Fuß;
Doch hielt ich an, doch gabt Ihr keine Rede,
Und winktet mit der Hand unwillig weg,
Damit ich Euch verließ. Ich tat es auch,
Besorgt, die Ungeduld noch zu verstärken,
Die schon zu sehr entflammt schien, und zugleich[207]
Mir schmeichelnd, nur von Laune rühr' es her,
Die ihre Stunden hat bei jedem Mann.
Nicht essen, reden, schlafen läßt es Euch,
Und könnt' es Eure Bildung so entstellen,
Als es sich Eurer Fassung hat bemeistert,
So kennt' ich Euch nicht mehr. Mein teurer Gatte,
Teilt mir die Ursach' Eures Kummers mit!
BRUTUS.
Ich bin nicht recht gesund, und das ist alles.
PORTIA.
Brutus ist weise: wär' er nicht gesund,
Er nähm' die Mittel wahr, um es zu werden.
BRUTUS.
Das tu' ich – gute Portia, geh zu Bett!
PORTIA.
Ist Brutus krank? und ist es heilsam, so
Entblößt umherzugehn und einzusaugen
Den Dunst des Morgens? Wie, ist Brutus krank,
Und schleicht er vom gesunden Bett sich weg,
Der schnöden Ansteckung der Nacht zu trotzen?
Und reizet er die böse Fieberluft,
Sein Übel noch zu mehren? Nein, mein Brutus,
Ihr tragt ein krankes Übel im Gemüt,
Wovon, nach meiner Stelle Recht und Würde,
Ich wissen sollte; und auf meinen Knie'n
Fleh' ich bei meiner einst gepriesnen Schönheit,
Bei allen Euren Liebesschwüren, ja
Bei jenem großen Schwur, durch welchen wir
Einander einverleibt und eins nur sind:
Enthüllt mir, Eurer Hälfte, Eurem Selbst,
Was Euch bekümmert, was zu Nacht für Männer
Euch zugesprochen; denn es waren hier
Sechs oder sieben, die ihr Antlitz selbst
Der Finsternis verbargen.
BRUTUS.
O kniet nicht, liebe Portia!
PORTIA.
Ich braucht' es nicht, wärt Ihr mein lieber Brutus.
Ist's im Vertrag der Ehe, sagt mir, Brutus,
Bedungen, kein Geheimnis sollt' ich wissen,
Das Euch gehört? Und bin ich Euer Selbst
Nur gleichsam, mit gewissen Einschränkungen:
Beim Mahl um Euch zu sein, Eu'r Bett zu teilen,
Auch wohl mit Euch zu sprechen? Wohn' ich denn[208]
Nur in der Vorstadt Eurer Zuneigung?
Ist es nur das, so ist ja Portia
Des Brutus Buhle nur und nicht sein Weib.
BRUTUS.
Ihr seid mein echtes, ehrenwertes Weib,
So teuer mir als wie die Purpurtropfen,
Die um mein trauernd Herz sich drängen.
PORTIA.
Wenn dem so wär', so wüßt' ich dies Geheimnis.
Ich bin ein Weib, gesteh' ich, aber doch
Ein Weib, das Brutus zur Gemahlin nahm.
Ich bin ein Weib, gesteh' ich, aber doch
Ein Weib von gutem Rufe, Catos Tochter.
Denkt Ihr, ich sei so schwach wie mein Geschlecht,
Aus solchem Stamm erzeugt und so vermählt?
Sagt mir, was Ihr beschloßt: ich will's bewahren.
Ich habe meine Stärke hart erprüft,
Freiwillig eine Wunde mir versetzend
Am Schenkel hier: ertrüg' ich das geduldig
Und das Geheimnis meines Gatten nicht?
BRUTUS.
Ihr Götter, macht mich wert des edlen Weibes!
Man klopft draußen.
Horch! horch! man klopft; geh eine Weil' hinein,
Und unverzüglich soll dein Busen teilen,
Was noch mein Herz verschließt.
Mein ganzes Bündnis will ich dir enthüllen
Und meiner finstern Stirne Zeichenschrift.
Verlaß mich schnell!
Portia ab.
Lucius und Ligarius kommen.
BRUTUS.
Wer klopft denn, Lucius?
LUCIUS.
Hier ist ein Kranker, der Euch sprechen will.
BRUTUS.
Ligarius ist's, von dem Metellus sprach.
Du, tritt beiseit! – Cajus Ligarius, wie?
LIGARIUS.
Nehmt einen Morgengruß von matter Zunge!
BRUTUS.
O welche Zeit erwählt Ihr, wackrer Cajus,
Ein Tuch zu tragen! Wärt Ihr doch nicht krank!
LIGARIUS.
Ich bin nicht krank, hat irgendeine Tat,
Des Namens Ehre würdig, Brutus vor.[209]
BRUTUS.
Solch eine Tat, Ligarius, hab' ich vor,
Wär' Euer Ohr gesund, davon zu hören.
LIGARIUS.
Bei jedem Gott, vor dem sich Römer beugen!
Hier sag' ich ab der Krankheit. Seele Roms!
Du wackrer Sohn, aus edlem Blut entsprossen!
Wie ein Beschwörer riefst du auf in mir
Den abgestorbnen Geist. Nun heiß' mich laufen,
So will ich an Unmögliches mich wagen,
Ja, Herr darüber werden. Was zu tun?
BRUTUS.
Ein Wagestück, das Kranke heilen wird.
LIGARIUS.
Doch gibt's nicht auch Gesunde krank zu machen?
BRUTUS.
Die gibt es freilich. Was es ist, mein Cajus,
Eröffn' ich dir auf unserm Weg zu ihm,
An dem es muß geschehn.
LIGARIUS.
Macht Euch nur auf;
Mit neuentflammtem Herzen folg' ich Euch,
Zu tun, was ich nicht weiß. Doch es genügt,
Daß Brutus mir vorangeht.
BRUTUS.
Folgt mir denn!
Beide ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Julius Cäsar
|
Buchempfehlung
Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«
270 Seiten, 9.60 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro