[210] Ein Zimmer in Cäsars Palaste.
Donner und Blitz. Cäsar in seinem Nachtkleide
CÄSAR.
Zu Nacht hat Erd' und Himmel Krieg geführt.
Calpurnia rief im Schlafe dreimal laut:
»O helft! Sie morden Cäsarn!« – Niemand da?
Ein Diener kommt.
DIENER.
Herr?
CÄSAR.
Geh, heiß' die Priester gleich zum Opfer schreiten,
Und bring' mir ihre Meinung vom Erfolg!
DIENER.
Es soll geschehn.
Ab.
CALPURNIA tritt auf.
Was meint Ihr, Cäsar? Denkt Ihr auszugehn?
Ihr müßt heut keinen Schritt vom Hause weichen.
CÄSAR.
Cäsar geht aus. Mir haben stets Gefahren[210]
Im Rücken nur gedroht; wenn sie die Stirn
Des Cäsar werden sehn, sind sie verschwunden.
CALPURNIA.
Cäsar, ich hielt auf Wunderzeichen nie,
Doch schrecken sie mich nun. Im Haus ist jemand,
Der außer dem, was wir gesehn, gehört,
Von Greueln meldet, so die Wach' erblickt.
Es warf auf offner Gasse eine Löwin,
Und Grüft' erlösten gähnend ihre Toten.
Wildglüh'nde Krieger fochten auf den Wolken
In Reih'n, Geschwadern und nach Kriegsgebrauch,
Wovon es Blut gesprüht aufs Kapitol.
Das Schlachtgetöse klirrte in der Luft;
Da wiehern Rosse, Männer röcheln sterbend,
Und Geister wimmerten die Straßen durch
O Cäsar! Unerhört sind diese Dinge:
Ich fürchte sie.
CÄSAR.
Was kann vermieden werden,
Das sich zum Ziel die mächt'gen Götter setzten?
Ich gehe dennoch aus, denn diese Zeichen,
So gut wie Cäsarn, gelten sie der Welt.
CALPURNIA.
Kometen sieht man nicht, wann Bettler sterben.
Der Himmel selbst flammt Fürstentod herab.
CÄSAR.
Der Feige stirbt schon vielmal, eh' er stirbt,
Die Tapfern kosten einmal nur den Tod.
Von allen Wundern, die ich je gehört,
Scheint mir das größte, daß sich Menschen fürchten,
Da sie doch sehn, der Tod, das Schicksal aller,
Kommt, wann er kommen soll.
Der Diener kommt zurück.
Was dünkt den Augurn?
DIENER.
Sie raten Euch, für heut nicht auszugehn.
Da sie dem Opfertier das Eingeweide
Ausnahmen, fanden sie kein Herz darin.
CÄSAR.
Die Götter tun der Feigheit dies zur Schmach.
Ein Tier ja wäre Cäsar ohne Herz,
Wenn er aus Furcht sich heut zu Hause hielte.
Das wird er nicht: gar wohl weiß die Gefahr,[211]
Cäsar sei noch gefährlicher als sie.
Wir sind zwei Leu'n, an einem Tag geworfen,
Und ich der ältre und der schrecklichste;
Und Cäsar wird doch ausgehn.
CALPURNIA.
Ach, mein Gatte!
In Zuversicht geht Eure Weisheit unter.
Geht heute doch nicht aus: nennt's meine Furcht,
Die Euch zu Hause hält, nicht Eure eigne.
Wir senden Mark Anton in den Senat,
Zu sagen, daß Ihr unpaß heute seid.
Laßt mich auf meinen Knieen dies erbitten!
CÄSAR.
Ja, Mark Anton soll sagen, ich sei unpaß,
Und dir zu lieb will ich zu Hause bleiben.
Decius tritt auf.
Sieh, Decius Brutus kommt; der soll's bestellen.
DECIUS.
Heil, Cäsar! Guten Morgen, würd'ger Cäsar!
Ich komm' Euch abzuholen zum Senat.
CÄSAR.
Und seid gekommen zur gelegnen Zeit,
Den Senatoren meinen Gruß zu bringen.
Sagt ihnen, daß ich heut nicht kommen will;
Nicht kann, ist falsch; daß ich's nicht wage, falscher.
Ich will nicht kommen heut: sagt ihnen das!
CALPURNIA.
Sagt, er sei krank!
CÄSAR.
Hilft Cäsar sich mit Lügen?
Streckt' ich so weit erobernd meinen Arm,
Graubärten scheu die Wahrheit zu verkleiden?
Geht, Decius! Sagt nur: Cäsar will nicht kommen.
DECIUS.
Laßt einen Grund mich wissen, großer Cäsar,
Daß man mich nicht verlacht, wenn ich es sage!
CÄSAR.
Der Grund ist nur mein Will'; ich will nicht kommen,
Das g'nügt zu des Senats Befriedigung.
Doch um Euch insbesondere g'nug zu tun,
Weil ich Euch liebe, will ich's Euch eröffnen.
Calpurnia hier, mein Weib, hält mich zu Haus:
Sie träumte diese Nacht, sie säh' mein Bildnis,
Das wie ein Springbrunn klares Blut vergoß
Aus hundert Röhren; rüst'ge Römer kamen,[212]
Und tauchten lächelnd ihre Hände drein.
Dies legt sie aus als Warnungen und Zeichen
Und Unglück, das uns droht, und hat mich knieend
Gebeten, heute doch nicht auszugehn.
DECIUS.
Ihr habt den Traum ganz irrig ausgelegt;
Es war ein schönes, glückliches Gesicht:
Eu'r Bildnis, Blut aus vielen Röhren spritzend,
Vorein so viele Römer lächelnd tauchten,
Bedeutet, saugen werd' aus Euch das große Rom
Belebend Blut; und große Männer werden
Nach Heiligtümern und nach Ehrenpfändern
Sich drängen. Das bedeutet dieser Traum.
CÄSAR.
Auf diese Art habt Ihr ihn wohl erklärt.
DECIUS.
Ja, wenn Ihr erst gehört, was ich Euch melde:
Wißt denn: an diesem Tag will der Senat
Dem großen Cäsar eine Krone geben.
Wenn Ihr nun sagen laßt, Ihr wollt nicht kommen,
So kann es sie gereun. Auch ließ' es leicht
Zum Spott sich wenden; jemand spräche wohl:
»Verschiebt die Sitzung bis auf andre Zeit,
Wann Cäsars Gattin beßre Träume hat!«
Wenn Cäsar sich versteckt, wird man nicht flüstern:
»Seht, Cäsar fürchtet sich?«
Verzeiht mir, Cäsar: meine Herzensliebe
Heißt dieses mich zu Eurem Vorteil sagen,
Und Schicklichkeit steht meiner Liebe nach.
CÄSAR.
Wie töricht scheint nun Eure Angst, Calpurnia!
Ich schäme mich, daß ich ihr nachgegeben.
Reicht mein Gewand mir her, denn ich will gehn!
Publius, Brutus, Ligarius, Metellus, Casca, Trebonius und Cinna treten auf.
Da kommt auch Publius, um mich zu holen.
PUBLIUS.
Guten Morgen, Cäsar!
CÄSAR.
Publius, willkommen! –
Wie, Brutus? Seid Ihr auch so früh schon auf? –
Guten Morgen, Casca! – Cajus Ligarius,
So sehr war Cäsar niemals Euer Feind[213]
Als dieses Fieber, das Euch abgezehrt. –
Was ist die Uhr?
BRUTUS.
Es hat schon acht geschlagen.
CÄSAR.
Habt Dank für Eure Müh' und Höflichkeit!
Antonius tritt auf.
Seht! Mark Anton, der lange schwärmt des Nachts,
Ist doch schon auf. – Antonius, seid gegrüßt!
ANTONIUS.
Auch Ihr, erlauchter Cäsar!
CÄSAR.
Befehlt, daß man im Hause fertig sei:
Es ist nicht recht, so auf sich warten lassen.
Ei, Cinna! – Ei, Metellus! – Wie, Trebonius?
Ich hab' mit Euch ein Stündchen zu verplaudern.
Gedenkt daran, daß Ihr mich heut besucht,
Und bleibt mir nah, damit ich Euer denke!
TREBONIUS.
Das will ich, Cäsar, –
beiseit
will so nah Euch sein,
Daß Eure besten Freunde wünschen sollen,
Ich wär' entfernt gewesen.
CÄSAR.
Lieben Freunde,
Kommt mit herein und trinkt ein wenig Weins;
Dann gehen wir gleich Freunden mit einander.
BRUTUS beiseit
Daß gleich nicht stets dasselbe ist, o Cäsar!
Das Herz des Brutus blutet, es zu denken.
Alle ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Julius Cäsar
|
Buchempfehlung
Am Heiligen Abend des Jahres 820 führt eine Verschwörung am Hofe zu Konstantinopel zur Ermordung Kaiser Leos des Armeniers. Gryphius schildert in seinem dramatischen Erstling wie Michael Balbus, einst Vertrauter Leos, sich auf den Kaiserthron erhebt.
98 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro