Vierte Szene

[644] Prunksaal im Schloß, gedeckte Tafel.


Es treten auf Macbeth, Lady Macbeth, Rosse, Lenox, Lords, Gefolge.


MACBETH.

Ihr kennt selbst euren Rang: nehmt Platz! Willkommen

Seid ein für allemal![644]

LORDS.

Dank Euer Hoheit!

MACBETH.

Wir wollen uns in die Gesellschaft mischen,

Als aufmerksamer Wirt. Die Wirtin nahm

Schon ihren Sitz; doch mit Vergünstigung

Ersuchen wir um ihren Gruß und Willkomm.

LADY MACBETH.

Sprich ihn für mich zu allen unsern Freunden;

Denn herzlich heiß' ich alle sie willkommen.


Der erste Mörder tritt zur Seitentür ein.


MACBETH.

Sieh, ihres Herzens Dank kommt dir entgegen.

Gleich voll sind beide Seiten. Hier will ich

Mich in die Mitte setzen. Ungehemmt

Sei nun die Lust; gleich soll der Becher kreisen.

Auf deiner Stirn ist Blut –

MÖRDER.

So ist es Banquos.

MACBETH.

Viel besser draußen an dir, als er hier drinnen.

So ist er abgetan?

MÖRDER.

Herr, seine Kehle

Ist durchgeschnitten; – das tat ich für ihn.

MACBETH.

Du bist der beste Kehlabschneider; doch

Auch der ist gut, der das für Fleance getan;

Warst du's, so hast du deinesgleichen nicht.

MÖRDER.

Mein königlicher Herr, Fleance ist entwischt.

MACBETH.

So bin ich wieder krank; sonst wär' ich stark,

Gesund wie Marmor, fest wie Fels gegründet,

Weit, allgemein, wie Luft und Windeshauch;

Doch jetzt bin ich umschränkt, gepfercht, umpfählt,

Geklemmt von niederträcht'ger Furcht und Zweifeln.

Doch Banquo ist uns sicher?

MÖRDER.

Ja, teurer Herr! im Graben liegt er sicher:

In seinem Kopfe zwanzig tiefe Wunden,

Die kleinst' ein Lebenstod.

MACBETH.

Nun, dafür Dank!

Da liegt

Die ausgewachsne Schlange; das entfloh'ne

Gewürm ist giftig einst, nach seiner Art;

Doch zahnlos jetzt. – Nun mach' dich fort; auf morgen

Vernehm ich mehr.


Mörder geht ab.[645]


LADY MACBETH.

Mein königlicher Herr,

Ihr seid kein heitrer Wirt. Das Fest ist feil,

Wird nicht das Mahl durch Freundlichkeit gewürzt,

Durch Willkomm erst geschenkt. Man speist am besten

Daheim; doch auswärts macht die Höflichkeit

Den Wohlgeschmack der Speisen: nüchtern wäre

Gesellschaft sonst.

MACBETH.

Du holde Mahnerin! –

Nun, auf die Eßlust folg' ein gut Verdauen,

Gesundheit beiden!

LENOX.

Gefällt es Eurer Hoheit, sich zu setzen?

Banquos Geist kommt und setzt sich auf Macbeths Platz.


MACBETH.

Beisammen wär' uns hier des Landes Adel,

Wenn unser Freund nicht, unser Banquo, fehlte;

Doch möcht' ich lieber ihn unfreundlich schelten,

Als eines Unfalls wegen ihn bedauern.

LENOX.

Da er nicht kommt, verletzt er sein Versprechen.

Gefällt's Eu'r Majestät, uns zu beglücken,

Indem Ihr Platz in unsrer Mitte nehmt?

MACBETH.

Die Tafel ist voll.

LENOX.

Hier ist ein Platz noch.

MACBETH.

Wo?

LENOX.

Hier, teurer König. Was erschreckt Eu'r Hoheit?

MACBETH. Wer von euch tat das?

LORDS.

Was, mein guter Herr?

MACBETH.

Du kannst nicht sagen, daß ich's tat. Oh, schüttle

Nicht deine blut'gen Locken gegen mich!

ROSSE.

Steht auf, ihr Herrn, dem König ist nicht wohl.

LADY MACBETH.

Bleibt sitzen, Herrn: der König ist oft so,

Und war's von Jugend an – oh, steht nicht auf!

Schnell geht der Anfall über; augenblicks

Ist er dann wohl. Beachtet ihr ihn viel,

So reizt ihr ihn, und länger währt das Übel.

Eßt, seht ihn gar nicht an! – Bist du ein Mann?

MACBETH.

Ja, und ein kühner, der das wagt zu schauen,

Wovor der Teufel blaß wird.

LADY MACBETH.

Schönes Zeug![646]

Das sind die wahren Bilder deiner Furcht;

Das ist der luft'ge Dolch, der, wie du sagtest,

Zu Duncan dich geführt! – Ha! dieses Zucken,

Dies Starr'n, Nachäffung wahren Schrecks, sie paßten

Zu einem Weibermärchen am Kamin,

Bestätigt von Großmütterchen. – Oh, schäme dich!

Was machst du für Gesichter! denn am Ende;

Schaust du nur auf 'nen Stuhl.

MACBETH.

In bitt' dich, sieh! blick' auf! schau' an! was sagst du? –

Ha! meinethalb! Wenn du kannst nicken, sprich auch!

Wenn Grab und Beingewölb' uns wieder schickt

Die wir begruben, sei der Schlund der Geier

Uns Totengruft!


Der Geist geht fort.


LADY MACBETH.

Was! ganz entmannt von Torheit!

MACBETH.

So wahr ich leb', ich sah ihn!

LADY MACBETH.

O der Schmach!

MACBETH.

Blut ward auch sonst vergossen, schon vor Alters,

Eh' menschlich Recht den frommen Staat verklärte;

Ja, auch seitdem geschah so mancher Mord,

Zu schrecklich für das Ohr: da war's Gebrauch,

Daß, war das Hirn heraus, der Mann auch starb,

Und damit gut.

Doch heutzutage stehn sie wieder auf,

Mit zwanzig Todeswunden an den Köpfen,

Und stoßen uns von unsern Stühlen: Das

Ist wohl seltsamer noch als solch ein Mord.

LADY MACBETH.

Mein König, Ihr entzieht Euch Euren Freunden.

MACBETH.

Ha! ich vergaß; –

Staunt über mich nicht, meine würd'gen Freunde;

Ich hab' ein seltsam Übel, das nichts ist

Für jene, die mich kennen.

Wohlan! Lieb' und Gesundheit trink' ich allen,

Dann setz' ich mich. Ha! Wein her! voll den Becher!


Der Geist kommt.[647]


So trink' ich auf das Wohl der ganzen Tafel

Und Banquos, unsers Freunds, den wir vermissen.

Wär' er doch hier! Sein Wohlergehn, wie aller

Trink' ich: Ihm, Euch!

LORDS.

Wir danken pflichtergeben.

MACBETH.

Hinweg! – Aus meinen Augen! – Laß

Die Erde dich verbergen!

Marklos ist dein Gebein, dein Blut ist kalt;

Du hast kein Anschaun mehr in diesen Augen,

Mit denen du so stierst.

LADY MACBETH.

Nehmt dies, ihr Herrn,

Als was Alltägliches: nichts weiter ist's;

Nur daß es uns des Abends Lust verdirbt.

MACBETH.

Was einer wagt, wag' ich:

Komm du mir nah als zott'ger russ'scher Bär,

Geharn'scht Rhinozeros, hyrkan'scher Tiger –

Nimm jegliche Gestalt, nur diese nicht –

Nie werden meine festen Nerven beben.

Oder sei lebend wieder; fordre mich

In eine Wüst' aufs Schwert; verkriech' ich mich

Dann zitternd, ruf' mich aus als Dirnenpuppe!

Hinweg! gräßlicher Schatten!

Unkörperliches Blendwerk, fort! –Ha! So! –


Geist entweicht.


Du nicht mehr da, nun bin ich wieder Mann. –

Ich bitte, steht nicht auf!

LADY MACBETH.

Ihr habt die Lust

Verscheucht und die Geselligkeit gestört,

Durch höchst fremdart'ge Grillen.

MACBETH.

Kann solch Wesen

An uns vorüberziehn wie Sommerwolken,

Ohn' unser mächtig Staunen? Ihr entfremdet

Mich meinem eignen Selbst, bedenk' ich jetzt,

Daß ihr anschaut Gesichte solcher Art,

Und doch die Röte eurer Wangen bleibt,

Wenn Schreck die meinen bleicht.

ROSSE.

Was für Gesichte?[648]

LADY MACBETH.

Ich bitt' Euch, sprecht nicht; er wird schlimm und schlimmer;

Fragen bringt ihn in Wut. Gut' Nacht mit eins!

Beim Weggehn haltet nicht auf euern Rang,

Geht all' zugleich!

LENOX.

Wir wünschen Eurer Hoheit

Gut' Nacht, und beßres Wohl!

LADY MACBETH.

Gut' Nacht euch allen!


Alle Lords nebst Gefolge gehn ab.


MACBETH.

Es fordert Blut, sagt man: Blut fordert Blut.

Man sah, daß Fels sich regt' und Bäume sprachen;

Auguren haben durch Geheimnisdeutung

Von Elstern, Kräh'n und Dohlen ausgefunden

Den tief verborgnen Mörder. – Wie weit ist die Nacht?

LADY MACBETH.

Im Kampf fast mit dem Tag: ob Nacht, ob Tag.

MACBETH.

Was sagst du, daß Macduff zu kommen weigert

Auf unsre Ladung?

LADY MACBETH.

Sandtest du nach ihm?

MACBETH.

Ich hört's von ungefähr; doch will ich senden:

Kein einz'ger, in des Haus mir nicht bezahlt

Ein Diener lebte. Morgen will ich hin,

Und in der Frühe zu den Zauberschwestern:

Sie sollen mehr mir sagen; denn gespannt

Bin ich, das Schlimmst' auf schlimmstem Weg zu wissen.

Zu meinem Vorteil muß sich alles fügen;

Ich bin einmal so tief in Blut gestiegen,

Daß, wollt' ich nun im Waten stille stehn,

Rückkehr so schwierig wär', als durch zu gehn.

Seltsames glüht im Kopf, es will zur Hand,

Und muß getan sein, eh' noch recht erkannt.

LADY MACBETH.

Dir fehlt die Würze aller Wesen, Schlaf.

MACBETH.

Zu Bett! – Daß selbstgeschaffnes Grau'n mich quält,

Ist Furcht des Neulings, dem die Übung fehlt: –

Wahrlich, wir sind zu jung nur. –


Sie gehen ab.[649]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 644-650.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Macbeth
Lektürehilfen William Shakespeare
Macbeth
Macbeth: Zweisprachige Ausgabe
Die Tragödie des Macbeth (insel taschenbuch)
Macbeth. Textanalyse und Interpretation mit ausführlicher Inhaltsangabe und Abituraufgaben mit Lösungen

Buchempfehlung

Suttner, Bertha von

Memoiren

Memoiren

»Was mich einigermaßen berechtigt, meine Erlebnisse mitzuteilen, ist der Umstand, daß ich mit vielen interessanten und hervorragenden Zeitgenossen zusammengetroffen und daß meine Anteilnahme an einer Bewegung, die sich allmählich zu historischer Tragweite herausgewachsen hat, mir manchen Einblick in das politische Getriebe unserer Zeit gewährte und daß ich im ganzen also wirklich Mitteilenswertes zu sagen habe.« B.v.S.

530 Seiten, 24.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon