Vierte Szene

[615] Feld.


Trompeten. Es treten auf Duncan, Malcolm, Donalbain, Lenox, Gefolge.


DUNCAN.

Ist Cawdor hingerichtet? oder jene,

Die wir beauftragt, noch nicht wieder da?

MALCOLM.

Sie sind noch nicht zurück, mein Oberherr;

Doch sprach ich einen, der ihn sterben sah,

Der sagte mir, er habe den Verrat

Freimütig eingestanden, um Eu'r Hoheit

Verzeihn gefleht und tiefe Reu' gezeigt;

Nichts stand in seinem Leben ihm so gut,

Als wie er es verlassen hat; er starb

Wie einer, der sich auf den Tod geübt,

Und warf das Liebste, was er hatte, von sich,

Als wär's unnützer Tand.

DUNCAN.

Kein Wissen gibt's,

Der Seele Bildung im Gesicht zu lesen;

Es war ein Mann, auf den ich gründete

Ein unbedingt Vertraun. – Würdigster Vetter!

Es treten auf Macbeth, Banquo, Rosse und Angus.


Die Sünde meines Undanks drückte schwer

Mich eben jetzt. Du bist so weit voraus,

Daß der Belohnung schnellste Schwing' erlahmt,

Dich einzuholen. Hätt'st du wen'ger doch verdient,

Daß ich ausgleichen könnte das Verhältnis

Von Dank und Lohn! Nimm das Geständnis an:

Mehr schuld' ich, als mein Alles zahlen kann.

MACBETH.

Dienst, so wie Lehnspflicht, lohnt sich selbst im Tun.

Genug, wenn Eure Hoheit unsre Pflichten

Annehmen will: und unsre Pflichten sind

Die Söhn' und Diener Eures Throns und Staates,

Und tun nur, was sie müssen, tun sie alles,

Was Lieb' und Ehrfurcht heischt.[615]

DUNCAN.

Willkommen hier!

Ich habe dich gepflanzt und will dich pflegen,

Um dein Gedeihn zu fördern. – Edler Banquo,

Nicht minder ist dein Wert, und wird von uns

Nicht minder anerkannt. Laß dich umschließen

Und an mein Herz dich drücken!

BANQUO.

Wachs' ich da,

So ist die Ernte Euer.

DUNCAN.

Meine Wonne,

Üppig im Übermaß, will sich verbergen

In Schmerzenstropfen. – Söhne, Vettern, Thans,

Und ihr, die Nächsten unserm Thron, vernehmt,

An Malcolm, unsern Ältsten, übertragen

Wir unser Thronrecht: Prinz von Cumberland

Heißt er demnach, und solche Ehre soll

Nicht unbegleitet ihm verliehen sein;

Denn Adelszeichen sollen, Sternen gleich,

Auf jeden Würd'gen strahlen. – Fort von hier

Nach Inverneß, und sei uns näher stets!

MACBETH.

Arbeit ist jede Ruh', die Euch nicht dient.

Ich selbst bin Euer Bote und beglücke

Durch Eures Nahens Kunde meine Hausfrau:

So scheid ich demutsvoll.

DUNCAN.

Mein würd'ger Cawdor!

MACBETH für sich.

Ha! Prinz von Cumberland! – Das ist ein Stein,

Der muß, sonst fall' ich, übersprungen sein,

Weil er mich hemmt. Verbirg dich, Sternenlicht!

Schau' meine schwarzen, tiefen Wünsche nicht!

Sieh, Auge, nicht die Hand; doch laß geschehen,

Was, wenn's geschah, das Auge scheut zu sehen!


Er geht ab.


DUNCAN.

Ja, teurer Banquo, er ist ganz so edel,

Und ihn zu preisen, ist mir eine Labung;

Es ist ein Fest für mich. Laßt uns ihm nach,

Des Lieb' uns vorgeeilt, uns zu begrüßen:

Wer gleicht dem teuren Vetter?


Trompeten. Alle gehn ab.[616]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 615-617.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Macbeth
Lektürehilfen William Shakespeare
Macbeth
Macbeth: Zweisprachige Ausgabe
Die Tragödie des Macbeth (insel taschenbuch)
Macbeth. Textanalyse und Interpretation mit ausführlicher Inhaltsangabe und Abituraufgaben mit Lösungen

Buchempfehlung

Dulk, Albert

Die Wände. Eine politische Komödie in einem Akte

Die Wände. Eine politische Komödie in einem Akte

Diese »politische Komödie in einem Akt« spiegelt die Idee des souveränen Volkswillen aus der Märzrevolution wider.

30 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon