[71] Tamora, Demetrius und Chiron treten verkleidet auf.
TAMORA.
So nun, in dieser fremden, düstern Tracht
Will ich begegnen dem Andronicus;
Die Rache nenn' ich mich, der Höll' entsandt,
Mit ihm vereint sein schrecklich Leid zu schlichten.
Klopf' an die Zelle, wo er weilen soll,
Entwürfe seltsam wilder Rache brütend;
Sag, Rache sei gekommen, ihm vereint
Zu wirken seiner Feinde Untergang.
Sie klopfen unten; Titus öffnet sein Studierzimmer und spricht von oben.
TITUS.
Wer stört mich hier in meinem ernsten Werk?
Ist's eure List, daß ich auftu' die Tür,
Damit die finstern Pläne weg mir fliegen
Und all mein Sinnen ohne Wirkung sei?
Ihr irrt euch; denn was ich zu tun beschloß,
Seht her, in blut'gen Zeilen schrieb ich's hin,
Und was ich aufgezeichnet, soll geschehn.
TAMORA.
Titus, mit dir zu reden kam ich her.
TITUS.
Nein, nicht ein Wort. Kann ich mit Anmut reden,
Da eine Hand mir zur Gebärdung fehlt?
Du bist zu sehr im Vorteil, drum laß ab!
TAMORA.
Wenn du mich kenntest, sprächest du mit mir.
TITUS.
Ich bin nicht toll; dich kenn' ich nur zu gut:
Bezeug's der arme Stumpf, die Purpurschrift,
Bezeug's dies Antlitz, tief von Gram gefurcht,
Bezeug's der traur'ge Tag, die lange Nacht,
Bezeug' es alles Weh, – ich kenne dich
Als unsre stolze Kais'rin Tamora.
Nicht wahr, du kommst um meine zweite Hand?
TAMORA.
Unsel'ger, wiss', ich bin nicht Tamora;
Sie haßt dich, ich bin freundlich dir gesinnt:
Ich bin die Rach', entsandt dem Höllenreich,
Dein Herz zu heilen von des Geiers Biß
Durch blutige Vergeltung an dem Feind. –[71]
Komm und begrüß' mich auf der Oberwelt,
Zieh' mich zu Rat nun über Tod und Mord!
Denn keine Höhle gibt es, kein Versteck,
Kein ödes Dunkel, kein umnebelt Tal,
Wo Raub und Schandtat und verruchter Mord
Sich scheu verbergen, – dennoch find' ich sie,
Und nenne meinen grausen Namen »Rache«,
Der die verworfnen Sünder zittern macht.
TITUS.
So bist du Rache? Bist mir zugesandt,
Um allen meinen Feinden Qual zu sein?
TAMORA.
Ich bin's; drum komm herab, begrüße mich!
TITUS.
Tu' einen Dienst mir, eh' ich dir vertrau', –
Sieh, dir zur Seite seh' ich Raub und Mord:
Nun gib Beweis, daß du die Rache bist;
Erstich sie, schleif' sie an des Wagens Rädern,
Dann will ich kommen und dein Fuhrmann sein,
Und rasch mit dir hinbrausen um die Welt.
Schaff' dir zwei wackre Renner, schwarz wie Nacht,
Dein rächend Fuhrwerk fortzuziehn im Sturm;
Such' Mörder auf in ihrer schuld'gen Schlucht;
Und ist dein Karrn von ihren Häuptern voll,
Dann steig' ich ab und trab' am Wagenrad
Gleich einem Knecht zu Fuß den ganzen Tag,
Früh von Hyperions Aufgang dort in Ost,
Bis wo er abends spät sich taucht ins Meer:
Und Tag für Tag tu' ich dies schwere Werk,
Wenn du mir Raub und Mord allhier vertilgst.
TAMORA.
Sie sind mir Diener und begleiten mich.
TITUS.
Die beiden dienen dir? Wie nennst du sie?
TAMORA.
Sie heißen Raub und Mord, also genannt,
Weil sie heimsuchen solche Missetat.
TITUS.
O Gott! wie gleichen sie der Kais'rin Söhnen! –
Und du der Kais'rin! – Doch wir ird'schen Menschen
Sehn mit armsel'gen, blöden, falschen Augen.
O süße Rache, nun komm' ich zu dir,
Und wenn dir eines Arms Umfahn genügt,
Schließ' ich dich an die Brust im Augenblick.
Titus kommt von oben herab.[72]
TAMORA.
Ihm so sich fügen, paßt für seine Tollheit!
Was ich ersann, zu nähren diesen Wahn,
Das stärkt und unterstützt durch euer Wort!
Jetzt glaubt er fest, ich sei die Rache selbst,
Und wie er gläubig solchem Traumbild folgt,
Soll er zu Lucius senden, seinem Sohn,
Und während ich beim Schmaus ihn selber halte,
Ersinn' ich einen list'gen Anschlag wohl,
Die leichtbetörten Goten zu zerstreun,
Wo nicht, sie mind'stens feindlich ihm zu stimmen.
Sieh da, er kommt; nun spiel' ich meine Rolle.
Titus tritt auf.
TITUS.
Lang' war ich weit, weit weg; und nur nach dir. –
Willkommen, Furie, in mein Haus des Wehs!
Ihr, Raub und Mord, seid gleichfalls mir willkommen!
Wie gleicht ihr Tamora und ihren Söhnen!
Ihr wärt vollkommen, fehlt' euch nicht ein Mohr;
Gab's nicht im ganzen Abgrund solchen Teufel?
Wahrlich, nie schweift die Kaiserin umher,
Daß nicht ein Mohr in ihrer Nähe sei;
Und wollt ihr recht der Kön'gin Bild uns stellen,
So wär' es gut, ihr hättet solchen Teufel. –
Doch, wie ihr seid, willkommen! – Was zu tun? –
TAMORA.
Was soll'n wir für dich tun, Andronicus?
DEMETRIUS.
Zeig' mir 'nen Mörder, und ich greif' ihn an.
CHIRON.
Zeig' mir 'nen Räuber, der Gewalt geübt:
Ich bin gesandt, ihn vor Gericht zu ziehn.
TAMORA.
Zeig' tausend mir, durch die dein Recht gekränkt:
Mein Amt ist, alle vor Gericht zu ziehn.
TITUS.
Durchsuch' die frevelhaften Straßen Roms,
Und findst du einen Menschen, der dir gleicht,
Den töte, guter Mord, er ist ein Mörder.
Geh du mit ihm, und wenn's auch dir gelingt,
'nen andern aufzufinden, der dir gleicht,
Den töte, Raub, er ist ein Weiberschänder.
Geh du mit ihnen; an des Kaisers Hof
Lebt eine Kön'gin, und mit ihr ein Mohr,[73]
Die magst du, als dein Abbild, leicht erkennen,
Denn ganz, von Kopf zu Füßen, gleicht sie dir.
Ich bitt' dich, diesen gib grausamen Tod,
Sie waren grausam meinem Stamm und mir.
TAMORA.
Du hast uns wohl belehrt; wir wollen's tun.
Doch nun ersuch' ich dich, Andronicus,
Sende zu Lucius, deinem tapfern Sohn,
Der jetzt auf Rom mit mut'gen Goten zieht:
Zu einem Schmause lad' ihn in dein Haus,
Und wenn er hier ist, recht zu deinem Fest,
Bring' ich die Kais'rin dir und ihre Söhne,
Den Kaiser selbst und alle, die dir feind;
Und dir zu Füßen soll'n sie knieend flehn,
Und deines Herzens Ingrimm treffe sie!
Was sagt Andronicus zu diesem Rat?
TITUS.
Marcus, heraus! der traurige Titus ruft.
Marcus kommt.
Geh, Marcus, geh zu deinem Neffen Lucius,
Im Gotenheere sollst du ihn erfragen;
Sag, daß er zu mir kommt und mit sich bringt
Noch einige der tapfern Gotenfürsten.
Heiß' ihn, die Krieger lagern, wo sie stehn;
Sag ihm, den Kaiser und die Kaiserin
Erwart' ich hier zum Fest und so auch ihn.
Dies tu' zu Liebe mir, er tu' es auch,
So wert ihm ist des alten Vaters Leben.
MARCUS.
Das tu' ich gleich, und kehre schnell zurück.
Ab.
TAMORA.
Nun geh' ich augenblicks an mein Geschäft
Und nehme meine Diener mit hinweg.
TITUS.
Nein, nein, laß Raub und Mord doch hier bei mir,
Sonst ruf' ich meinen Bruder wieder heim,
Und halte mich allein an Lucius' Rache.
TAMORA zu ihren Söhnen.
Was sagt ihr, Söhne? Bleibt ihr wohl mit ihm,
Bis ich dem Kaiser, meinem Herrn, erzählt,
Wie uns der wohlerdachte Scherz gelang?
Folgt seiner Laune, sprecht ihm freundlich zu,
Und weilt mit ihm, bis ich zurückgekehrt![74]
TITUS beiseit.
Ich kenn' euch all', obschon ihr toll mich wähnt,
Und fang' euch in dem selbstgestellten Garn,
Euch junge Höllenbrut samt eurer Mutter.
DEMETRIUS beiseit.
Geht nach Gefallen, Fürstin, laßt uns hier!
TAMORA.
Titus, leb wohl; die Rache geht zu Taten,
Dir alle deine Feinde zu verraten.
TITUS.
Das hoff' ich, teure Rache; leb denn wohl!
Tamora geht ab.
CHIRON.
Nun, Alter, sprich, was gibst du uns zu tun?
TITUS.
O still! ich schaff' euch Arbeit überg'nug.
Auf, Cajus, Publius und Valentin!
Publius und Diener kommen.
PUBLIUS.
Was wollt Ihr?
TITUS.
Kennst du die zwei?
PUBLIUS.
Die Söhne, denk' ich, sind's
Der Kais'rin, Chiron und Demetrius.
TITUS.
Pfui, Publius, wie gröblich du dich irrst!
Der ein' ist Mord, des andern Nam' ist Raub.
Drum binde sie mir fest, mein Publius;
Cajus und Valentin, legt Hand an sie!
Oft hab' ich diese Stunde mir gewünscht;
Nun fand ich sie: drum bindet sie recht fest,
Stopft ihnen auch den Mund, sobald sie schrein!
Ab.
CHIRON.
Schurken, laßt ab! Wir sind der Kais'rin Söhne!
PUBLIUS.
Und deshalb tun wir, was uns auferlegt. –
Stopft ihren Mund, gönnt ihnen nicht ein Wort;
Ward er auch fest gebunden? Schließt sie gut!
Titus kommt zurück mit einem Messer und Lavinia mit einem Becken.
TITUS.
Lavinia, komm, die Feinde sind im Netz!
Stopft ihren Mund, kein Wort gestatt' ich mehr.
Doch laßt sie hören meinen grimmen Spruch:
O Schurken, Chiron und Demetrius!
Hier ist der Quell, den ihr getrübt mit Schlamm,
Der holde Lenz, durch euern Frost erstarrt.
Ihr schlugt ihr den Gemahl; für diesen Greu'l
Sind ihrer Brüder zwei zum Tod verdammt.[75]
Mir ward die Hand geraubt zu frechem Spott,
Ihr Händ' und Zunge, ja, was teurer ist
Als Zung' und Hand, – die unbefleckte Keuschheit,
Herzlose Buben! raubtet ihr mit Zwang. –
Was spräch't ihr jetzt, wenn ich euch reden ließ'? –
Ihr dürftet nicht aus Scham um Mitleid flehn.
Hört, Buben, welche Qual ich euch ersann:
Die Hand blieb, euch die Gurgel durchzuschneiden,
Indes Lavinia mit den Stümpfen hält
Dies Becken, das eu'r schuldig Blut empfängt.
Die Kaiserin, wißt ihr, will zum Schmaus mir kommen,
Und nennt sich Rache, wähnt, ich sei verrückt:
Nun hört mich! Eu'r Gebein reib' ich zu Staub
Und knet' es ein zu Teig mit euerm Blut;
Und aus dem Teige bild' ich eine Rinde,
Drin einzubacken eure Schurkenhäupter;
Dann soll die Metze, eure hünd'sche Mutter,
Der Erde gleich die eigne Brut verschlingen:
Dies ist das Mahl, zu dem ich sie beschied,
Und dies der Schmaus, an dem sie schwelgen soll.
Denn mehr als Philomel' erlitt mein Kind,
Und mehr als Prokne nehm' ich Rach' an euch.
Jetzt reicht die Gurgeln her! – Lavinia, komm,
Fang' auf den Strahl; und wenn ich sie entseelt,
Zerstampf' ich ihr Gebein in feinen Staub,
Und feucht' es an mit dem verhaßten Blut,
Die Häupter einzubacken in den Teig.
Kommt, seid mir alle jetzt zur Hand, dies Mahl
Zu rüsten, das viel grimmer werden soll
Und blutiger, als der Centauren Schmaus.
Er durchschneidet ihre Kehlen.
So!
Nun tragt sie hin, ich mache selbst den Koch,
Sie anzurichten, bis die Mutter kommt. –
Alle gehn ab.[76]
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