[27] Einsamer Platz im Walde. Aaron tritt auf.
AARON.
Wer Witz hat, dächte wohl, er fehle mir,
Weil ich dies Geld hier unterm Baum vergrub,
Von wo mir's niemals wieder aufersteht.
So wisse denn, wer mich so albern wähnt,
Daß dieses Gold mir einen Anschlag münzt,
Der, listig ausgeführt, gebären soll
Ein recht ausbündig wackres Bubenstück:
So ruh' hier Gold, und störe deren Ruhe,
Die Gaben nehmen aus der Kais'rin Truhe!
Tamora kommt.
TAMORA.
Mein süßer Aaron, was bekümmert dich,
Wenn alles rings von Fröhlichkeit erklingt?
Die Vögel singen hell aus jedem Busch,
Die Schlange sonnt sich, aufgerollt im Grün,
Das Laub erzittert in der kühlen Luft
Und malet Schattengitter auf den Grund:
In seinem süßen Dunkel laß uns ruhn!
Horch! Widerhalls Geplauder neckt die Hunde,
Dem vollen Horn antwortend hellen Ruf,
Als tönt' ein Doppeljagen uns zugleich. –
Setz' dich und horch' dem fröhlichen Gebell![27]
Und nach verliebtem Kampf (des, wie man wähnt,
Der flücht'ge Held und Dido einst sich freuten,
Als sie ein glücklicher Orkan gescheucht
Und die verschwiegne Höhl' als Vorhang schirmte), –
Laß uns, verschränkt eins in des andern Arm,
Nach unsrer Lust des goldnen Schlafs uns freun,
Weil Hund und Horn und süßer Waldgesang
Uns einlullt wie der Amme Wiegenlied,
Wenn sie ihr holdes Kind in Schlummer singt.
AARON.
Fürstin, wie Venus deinen Sinn beherrscht,
So ist Saturn des meinigen Monarch.
Was deutet sonst mein tödlich starres Aug',
Mein Schweigen, meiner Stirn Melancholie,
Mein Vlies von krauser Wolle, jetzt entlockt,
Recht wie die Natter, wenn sie sich entrollt
Zu schlimmem Biß und gift'gem Überfall?
Nein, Fürstin, das sind Venuszeichen nicht:
Rachsucht erfüllt mein Herz, Tod meine Faust,
Blut und Verderben toben mir im Haupt. –
Hör', Tamora, du Kais'rin meiner Seele,
Die nicht auf andern Himmel hofft, als dich, –
Heut ist des Bassianus Schicksalstag.
Verstummen muß heut seine Philomele,
Es plündern deine Söhne ihre Keuschheit,
Und waschen ihre Hand im Blut Bassians.
Sieh diesen Brief, den nimm zu dir; ich bitt' dich,
Gib deinem Herrn dies Blatt voll Todeslist! –
Nun frage mich nicht mehr: man schleicht uns nach,
Hier kommt ein Teil der hoffnungsreichen Beute:
Sie ahnen nicht, wie nah Vernichtung droht! –
TAMORA.
Ah, süßer Mohr, mir süßer als der Tag!
AARON.
Still, große Königin, Bassianus kommt:
Zeig' dich erzürnt, die Söhne hol' ich her
Zu deinem Beistand, wenn du Streit beginnst.
Ab.
Bassianus und Lavinia kommen.
BASSIANUS.
Wer naht uns hier? Roms hohe Kaiserin,
Vom ziemenden Gefolg' so weit entfernt?[28]
Wie, oder Diana, so geschmückt wie sie,
Die ihr geheiligt Waldasyl verließ,
Zu schaun die große Jagd in diesem Forst?
TAMORA.
Frecher Nachspürer unsrer Einsamkeit,
Hätt' ich die Macht, die, sagt man, Dianen ward,
Die Schläfen augenblicks umpflanzt' ich dir
Mit Hörnern wie Aktäon, und die Hunde
Verfolgten deine neue Hirschgestalt,
Schamloser, der du hier dich eingedrängt! –
LAVINIA.
Mit Eurer Gunst, huldreiche Kaiserin!
Man sagt, mit Hörnern wißt Ihr umzugehn;
Und wohl verrät sich's, daß der Mohr und Ihr
Zu solcherlei Versuch Euch hier verirrt.
Heut schütze Zeus vor Hunden Euren Gatten,
Denn Unglück wär' es, sähn sie ihn als Hirsch!
BASSIANUS.
Glaubt, Fürstin, dieser nächtliche Cimmerier
Macht Eure Ehre schwarz wie seine Haut,
Befleckt, abscheulich, aller Welt ein Greu'l.
Was stahlt Ihr heimlich vom Gefolg' Euch weg,
Stiegt ab von Eurem schmucken, weißen Zelter,
Und schlicht hieher an diesen finstern Ort,
Von einem schnöden Mohren nur geführt,
Wenn böse Lust Euch nicht verleitete?
LAVINIA.
Und weil er Euch gestört in solchem Spiel,
Versteht sich's, müßt Ihr meinen edlen Herrn
Für Frechheit schelten. – Bitt' Euch, gehn wir fort:
Gönnt ihr des rabenfarb'gen Buhlen Kuß,
Dies Tal ist höchst gelegen solchem Werk.
BASSIANUS.
Dem Kaiser, meinem Bruder, meld' ich dies.
LAVINIA.
Ja, solch Entweichen ward schon längst bemerkt:
Wie gröblich täuscht man dich, du guter Fürst! –
TAMORA.
Wie hab' ich noch Geduld, dies anzuhören? –
Chiron und Demetrius kommen.
DEMETRIUS.
Wie, teure Kaiserin und gnäd'ge Mutter,
Was blickt Eu'r Hoheit so verstört und bleich?
TAMORA.
Was meint Ihr, hab' ich Grund nicht, bleich zu sehn?[29]
Die zwei verlockten mich in dieses Tal:
Ihr seht, es ist ein wüst abscheul'cher Ort,
Die Bäum', obwohl im Sommer, kahl und dürr,
Erstickt von Moos und tück'schem Mistelwuchs.
Hier scheint die Sonne nie, hier atmet nichts,
Nachteulen nur und unglückdroh'nde Raben.
Und als sie mir gezeigt die grause Schlucht,
Erzählten sie, wie um die Mitternacht
Wohl tausend Geister, tausend Schlangen zischend,
Zehntausend schwell'nde Kröten, Molch' und Igel
Erhüben solch ein furchtbar tödlich Schrei'n,
Daß jeden Sterblichen, der dies vernimmt,
Wahnsinn befällt, wenn er nicht plötzlich stirbt.
Drauf, als sie kaum erzählt die Höllenmär,
Alsbald mich festzubinden drohten sie
An eines grausen Eibenbaumes Stamm,
Daß ich so schnödem Tod verfallen sei.
Dann schalten sie mich Ehebrecherin,
Verbuhlte Gotin, und die herbsten Worte,
Die je ein Ohr im bittern Schmähn vernahm:
Und kamt ihr durch ein Wunder nicht zum Glück,
Sie hätten diese Rach' an mir vollbracht.
Rächt eurer Mutter Leben, liebt ihr mich,
Sonst nenn' ich nimmer meine Kinder euch.
DEMETRIUS ersticht den Bassianus.
Nimm dies zum Zeugnis, daß ich sei dein Sohn! –
CHIRON durchsticht ihn gleichfalls.
Der Stoß für mich, zum Zeichen meiner Kraft! –
LAVINIA.
Ja, komm, Semiramis, – nein, wüt'ge Tamora!
Kein Name ziemt dir, als der eigne nur! –
TAMORA.
Gebt mir den Dolch: laßt eurer Mutter Hand
An ihr vergelten eurer Mutter Schmach!
DEMETRIUS.
Halt, Königin, hier ist noch mehr im Werk;
Erst drescht das Korn, und dann verbrennt das Stroh!
Dies Püppchen rühmte viel von ihrer Zucht,
Von ihrem Eh'gelübd' und reiner Treu',
So mit geschminkter Tugend trotzt sie Euch.
Und nähme sie das alles mit ins Grab?[30]
CHIRON.
Wenn dies geschieht, müßt' ich ein Hämling sein.
Schleif' ihren Gatten einer Höhle zu:
Sein toter Leib sei Pfühl für unsre Lust!
TAMORA.
Doch ward der Honig euer, den ihr wünscht,
Laßt nicht die Wesp' am Leben, uns zu stechen!
CHIRON.
Ich schwör' Euch, Fürstin, ruhig sollt Ihr sein! –
Kommt, Dame, jetzt gewaltsam rauben wir,
Was Ihr so spröd' und ängstlich habt bewahrt.
LAVINIA.
O Tamora, du trägst ein weiblich Antlitz –
TAMORA.
Ich will sie nicht mehr hören, führt sie weg! –
LAVINIA.
O liebe Herrn, ein Wort nur laßt mich sprechen!
DEMETRIUS.
Vernehmt sie, schöne Frau! Sei's Euer Ruhm,
Sie weinen sehn: doch bleib' Eu'r Herz so hart
Wie Kiesel, fühllos bei des Regens Guß.
LAVINIA.
Wann lehrte je des Tigers Brut die Mutter?
Oh, lehr' sie keinen Grimm, sie lehrt' ihn dich!
Die Milch, die du gesogen, ward zu Marmor;
Schon an der Brust empfingst du Grausamkeit. –
Zu Chiron.
Doch sind nicht jeder Mutter Söhne gleich:
Fleh' du zu ihr um Mitleid für ein Weib! –
CHIRON.
Was! sollt' ich selber mich zum Bastard stempeln?
LAVINIA.
's ist wahr, der Rabe brütet Lerchen nicht,
Doch hört' ich einst – (oh, fänd' ich's nun bewährt!),
Bewegt von Mitleid ließ der Löwe zu,
Daß man die königlichen Klau'n ihm stumpft;
Der Rabe, sagt man, füttre Waisenkindlein,
Derweil im eignen Nest sein Junges darbt.
Oh, sei du mir, sagt auch dein Herz dir Nein,
Wenn auch so mild nicht, etwas doch gerührt! –
TAMORA.
Ich weiß nicht, was das heißt; hinweg mit ihr!
LAVINIA.
Ich lehr' es dich: um meines Vaters halb,
Der dir, dem Tod verfallen, Leben schenkte,
Sei nicht verstockt; öffne dein taubes Ohr! –
TAMORA.
Und hätt'st du selber nimmer mich gekränkt,
Um seinetwillen bin ich mitleidlos.
Gedenkt nur, Knaben, wie ich weint' umsonst,
Vom Opfer euern Bruder zu befrein;
Doch nimmer gab der grimme Titus nach![31]
Drum schafft sie fort, verfahrt mit ihr nach Lust;
Je schlimmer, um so besser mir geliebt!
LAVINIA.
O Tamora, ich preise deine Huld,
Wenn du mit eigner Hand mich hier erschlägst:
Nicht um mein Leben fleht' ich ja so lang',
Ich Arme starb, als Bassianus fiel.
TAMORA.
Was batst du denn? Hinweg, du töricht Weib! –
LAVINIA.
Den schnellsten Tod erfleh' ich, und noch eins,
Was Frauenmund nicht auszusprechen wagt:
Hemm' ihre mehr als mörderische Lust! –
Oh, senke mich in eines Sumpfes Pfuhl,
Wo nie ein menschlich Auge mich erspäht;
Das tu', und sei barmherz'ge Mörderin!
TAMORA.
So brächt' ich meine Söhn' um ihren Ruhm?
Nein, laß sie nehmen, was ihr Eigentum!
DEMETRIUS.
Fort, schon zu lange hielt'st du uns zurück.
LAVINIA.
Kein Mitleid? Keine Scham? O viehisch Weib!
Feindin und Schmach für unser ganz Geschlecht!
Vernichtung fall' ...
CHIRON schleppt sie fort.
Dann stopf' ich dir den Mund. – Bring' du den Gatten;
In diese Höhle hieß ihn Aaron bergen.
Sie gehn ab.
TAMORA.
Geht, Söhne, schafft sie mir in Sicherheit:
Und wahrlich, nimmer soll mein Herz sich freun,
Bis Titus' ganzer Stamm hinweggetilgt.
Zu dir nun, liebster Mohr, will ich mich wenden,
Indes die Knaben jene Dirne schänden.
Ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Titus Andronicus
|
Buchempfehlung
Nach dem Vorbild von Abraham von Franckenberg und Daniel Czepko schreibt Angelus Silesius seine berühmten Epigramme, die er unter dem Titel »Cherubinischer Wandersmann« zusammenfasst und 1657 veröffentlicht. Das Unsagbare, den mystischen Weg zu Gott, in Worte zu fassen, ist das Anliegen seiner antithetisch pointierten Alexandriner Dichtung. »Ich bin so groß als Gott, er ist als ich so klein. Er kann nicht über mich, ich unter ihm nicht sein.«
242 Seiten, 11.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro