An meine kleine Enkelin,

Elise Duncker

[290] Wie das junge Maienthal,

Sanft geküsst von Eos Stral,

Seine vollen Kränze

In den Morgenäther taucht,

Wenn der Tellus Altar raucht

Im erwachten Lenze;


Wie die jüngste Charis schön

Wallt um sanft-beblümte Höh'n,

Auf der Blumenwiese,

Eilst du am umkränzten Bach'

Neckend bunten Sylphen nach,

Liebliche Elise!


Alles, was ein Mädchen ehrt,

Werde Deinem Herzen werth,

Sey mit Dir im Bunde.

Bei Gesang und Fleiss entfleugt

Heiter, wie Aurora steigt,

Jede Lebensstunde!
[291]

In der Unschuld Lilienkranz

Schwinde, unter Lust und Tanz,

Deines Lebens Jugend!

Kindlich bleibe Dein Gemüth,

Still', wie dort das Veilchen blüht,

Leb' einst für die Tugend!

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 290-292.
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