Erhebung

[182] Einsam wall' ich in der Abendröthe,

Zu den Sternen hebet sich mein Blick,

Was des Lebens Rosenglanz erhöhte,

Sinkt schon längst in Dämm'rung mir zürück;

Um die bleichen Urnen windet Trauer

Kränze von der Myrthe dunkelm Grün,

Ernster Abendstille heil'ger Schauer

Führt den Geist zu schönern Welten hin!


Aus den nachtumwölkten eitlen Träumen

Eilt er zu der Morgenröthe Höh'n,

Wo in ewig sonnenhellen Räumen

Freundlich winken heilige Trophä'n;

Wo der Dämm'rung Schleier niederfallen,

Keine Täuschung unsern Blick umhüllt,

Wo der Wahrheit ew'ge Ströme wallen,

Und der Liebe Urquell ewig quillt;


Wo um Sternen – Auen selig schwebend,

Psyche reinen Lebensäther trinkt,

Und zu ihrem Urstoff sich erhebend

An der heil'gen Quelle niedersinkt;

Da versiegen dieses Lebens Träume

Hin auf ewig in der Lethe Fluth,

Schimmer lichten schon die dunkeln Räume,

Flammen lodern von der Opfergluth!

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 182-183.
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