[32] Vorige. Pizarro. Später Marzelline und Jaquino mit den Gefangenen.
PIZARRO.
Verwegner Alter, welche Rechte
Legst du dir frevelnd selber bei?
Und ziemt es dem gedungnen Knechte,
Zu geben die Gefangnen frei?
ROCCO verlegen.
O Herr!
PIZARRO.
Wohlan!
ROCCO eine Entschuldigung suchend.
Des Frühlings Kommen,
Das heitre warme Sonnenlicht,
Dann:
Sich fassend.
habt Ihr wohl in acht genommen,
Was sonst zu meinem Vorteil spricht?
Die Mütze abnehmend.
Des Königs Namensfest ist heute,
Das feiern wir auf solche Art.
Geheim zu Pizarro.
[32]
Der unten stirbt – doch laßt die andern
Jetzt fröhlich hin und wider wandern;
Für jenen sei der Zorn gespart.
PIZARRO leise.
So eile, ihm sein Grab zu graben,
Hier will ich stille Ruhe haben.
Schließ die Gefangnen wieder ein,
Mögst du nie mehr verwegen sein!
DIE GEFANGENEN kommen aus dem Garten zurück.
Leb wohl, du warmes Sonnenlicht,
Schnell schwindest du uns wieder;
Schon sinkt die Nacht hernieder,
Aus der so bald kein Morgen bricht.
MARZELLINE die Gefangenen betrachtend.
Wie eilten sie zum Sonnenlicht
Und scheiden traurig wieder.
Für sich.
Die andern murmeln nieder:
Hier wohnt die Lust, die Freude nicht.
LEONORE zu den Gefangenen.
Ihr hört das Wort, drum zögert nicht,
Kehrt in den Kerker wieder.
Für sich.
Angst rinnt durch meine Glieder.
Ereilt den Frevler kein Gericht?
JAQUINO zu den Gefangenen.
Ihr hört das Wort, drum zögert nicht,
Kehrt in den Kerker wieder.
Für sich, Rocco und Leonore betrachtend.
Sie sinnen auf und nieder!
Könnt' ich verstehn, was jeder spricht!
PIZARRO.
Nun, Rocco, zögre länger nicht,
Steig in den Kerker nieder.
Leise.
Nicht eher kehrst du wieder,
Bis ich vollzogen das Gericht.
ROCCO.
Nein, Herr, ich zögre länger nicht,
Ich steige eilend nieder.
Für sich.
Mir beben meine Glieder;
O unglückselig harte Pflicht!
Die Gefangenen gehen in ihre Zellen, die Leonore und Jaquino verschließen.
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