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[46] 1.
Die reine Sonn zu morgen
In sanften haaren blos/
Den brand noch trug verborgen
In ihrem purpur schos:
Da gab ich mich zu Felde/
Laut rieffe meinem Schatz/
Der vber gold/ vnd gelde
Bey mir gefunden platz.
2.
Auff grüner Heyd vnd Matten
Bey krausem Lorbeerbaum/
Ich spreitet mich in Schatten/
Sanck ab in süssen traum:
Bald wider ich erwachet/
Mein JESVM fande da/
So lieb- vnd freundtlich lachet/
Zu mir tratt aller nah.
3.
Er gleich zu mir thät ziehlen
Mit reinem augenblitz:[47]
Auff mich mit hauffen fielen
Die Stralen voller hitz:
Die pfeil da kamen loffen
Von seinen äuglein thewr/
So mir das hertz getroffen/
Mit bitter-süssem fewr.
4.
Von seinen gläser-bogen
Zu mir mit süssem schein
Die süsse Flämlein flogen/
Auß beyden fensterlein.
O wee! wan ich der stunden/
Wan ich der zeit gedenck/
Auß frisch-genetzter wunden
Ich hertz/ vnd wangen tränck.
5.
Ich dachte sein geniessen/
Den ich so lang gesucht/
Wen wolt es nicht verdriessen?
Von mir er nam die flucht.
Er sprang durch feld vnd wisen
Frisch fertig wie der windt;
Den lauff möcht jhm erkiesen/
Ein frisches hirschen-kindt.
6.
Ihr töchter keusch/ vnd reine/
Von Sion wol bekandt/[48]
Zu todt ich mich noch weine/
Für lieb/ vnd hertzen-brandt.
Nun saget mir in trewen/
Wo dan sich finden laß/
Der seither mich geht schewen
Mit je zu starckem paß?
7.
Ich aller ort/ vnd plätzen
Dem jüngling streiche nach/
Ach woltet jhr nur schwetzen/
Wen weg er schleissen mag?
Ach woltet mich nur weisen/
Den Pfad mir zeigen an:
Nach jhm ich wolte reisen/
Durch hoch- vnd niderbaan.
8.
Ja du zuvor vermelde/
Wer ist der liebste dein?
Sag vnß/ von diesem Helde/
Sag an/ wer er mag sein.
Vns laß den jüngling wissen/
Vns mach denselben kund;
So dir steht abgerissen
In deinem hertzen wund.
9.
O Töchter hoch geprisen/
Nembt war den liebsten mein/[49]
Nach balsam süß/ vnd bisem
Riecht jhm der athem fein;
Sein haupt auch raucht/ vnd windet
Nach Zimmet/ vnd Zibeth:
O seelig wer nur findet
JESVM von Nazareth.
10.
Die Morgenröth erbleichet/
Vnd scheinet gleich dem koth/
So nur man sie vergleichet
Gen seine wänglein roth.
Sonn/ Mon han jhm entstolen
Von seiner stirnen rein
All jhren glantz vnd strolen/
Den golt- vnd perlen-schein.
11.
Corall/ vnd purpur/ seyden
Gleich jedes auch erwarb
Von seinen lefftzen beyden
Die schöne rosenfarb.
Ist weiß vnd roth bey-neben/
Von rotem trauben-schaum/
Den er erpreßt von reben
Mit schwärem kelter-baum.
12.
Händ/ füß hat er gefarbet
In außgepreßtem wein/[50]
In roth hat er verarbet
So weisses helffenbein.
Ach zeiget mir die strassen/
Sich wo nun Er verhelt;
O Gott/ wer möcht vmbfassen
Den weis- vnd rothen held!
13.
O mägdlein wir dich fragen/
Ist er dan roth/ vnd weis?
Thut er die farben tragen
Von rothem trauben-schweiß?
Hat er händ/ füß gefarbet
In außgepreßtem wein?
Hat er in roth verarbet
So weisses helffenbein?
14.
Wol da dan/ wir dir zeigen/
Wer orten er mag sein;
Zum Creutzweg thu dich neigen/
Dort findest jhn allein.
Alda pflegt er zu schwitzen
In rothem kelterhauß/
Alda die brünnlein spritzen/
Mit sanfft- vnd lindem sauß.
15.
Alda pflegt Er auch brechen.
Die rothe röselein:[51]
Ob schon die dörner stechen/
Sich tröstet Er der pein/
O Töchter hoch beflissen
Soll ich zum Creutzweg gan?
Ja frey dan sollet wissen/
Will dapffer tretten an.
16.
Gleich ich zum Creutzweg kame/
Gleich rieff dem liebsten mein;
Gleich dort ich jhn vername
Bezecht in Bitter-wein.
Die stirn er hat bestecket
Mit rothen Blümelein/
In händen außgestrecket
Er trug zwo Rosen fein.
17.
Den ruch alß ich empfande
Von beyden Rosen roth
Im eylen mir geschwande/
Bey viel zu süsser noth.
Er leinet mich in armen/
Mich hälfet ohn verdruß/
Vnd freundlich thät erwarmen
Mit manch- vnd manchem kuß.
18.
Die Bäcklein er mir klebet
Auff meine wangen beyd/[52]
Mich gütlich legt/ vnd hebet
An seine purpur seit.
Da gund ich mich erholen/
Kam wider zu verstandt/
O wee! doch lag in kohlen
In herb- vnd süssem brand.
19.
O süssigkeit in peinen!
O pein in süssigkeit!
Alhie doch wil ich leinen
Biß gar in Ewigkeit.
Alhie nun wil ich rasten/
Mit JESV meinem Heldt:
Ade golt/ gelt in kasten/
Ade nun alle welt.
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