Erster Akt.

[17] Großes Zimmer bei Willem Mews.

Hinten links breites niedriges Fenster aus kleinen Scheiben; rechts Tür, obere Hälfte Glas. Freier Ausblick. Drei Stufen führen auf den mit roten Ziegelsteinen gepflasterten Deich, dahinter Schilf, dann der breite Elbstrom, drüben Blankenese mit Süllberg.

Links in der Mitte stellt ein englischer Kochherd, weiter vorn Küchenschrank mit aufgesetztem Tellerbort. Rechts neben dem Herd Topfständer und zwei emaillierte Wassereimer daneben, ziemlich hinten, Tür.

Rechts Sofa, großer Tisch mit Wachstuchdecke und 6 Holzstühle, an der Wand hängen Familienbilder. Neben der Uhr stehen zwei kleinere Schiffsmodelle unter Glas.

Ein großes, fast meterlanges Modell eines alten Seeräuberschiffes hängt am Balken unter der Holzdecke inmitten des Zimmers.

Man hört hin und nieder das Tuten größerer und kleinerer Dampfer.

Hugo – in Arbeitslose und blauem Wollhemd – sitzt auf dem Sofa, hat den Kopf über ein starkes Buch gestützt. Elsabe hantiert am Herd, bereitet Kaffee.


HUGO. Acht wat! Schlägt das Buch zu, legt sich zurück. dat krieg ick nich to Enn', da ward mi ja de Kopp bie wehdauhn.

ELSABE lachend. Dat 's Di licht öber worden.

HUGO. Glöwst Du denn an all sonn' Kram?

ELSABE wendet sich zu ihm, lacht. Aber Hugo? Dat is doch all nahforscht, dat is einfach wohr! Da brukt man nich veel an to glöben. – Wat kannst denn doran nich begriepen?[17]

HUGO. Dat will mi alltosam nich in' Kopp. So deipes Wader, dat 'n Schipp, wenn 't unnergeiht, öberhaupt nich an 'n Grund kamen kann, giwt nicht! Wi willen se dat denn utforschen? Wenn 't Schipp stahn bliwt, denn bliwt doch dat Lot ok stahn. Kein weit denn, dat 't nich an 'e Grund is?

ELSABE ist unterdes an den Herd gegangen und hat Wasser durch den Kaffeetrichter gegossen; kommt wieder an den Tisch. Wenn man dat to 'n ersten Mal hört, kümmt 't einen ja 'bitten mutsch vör. Dat Wader hett doch ebenso got Gewicht as jedes annere, wenn de Buttel vull Wader is, is he swerer, as wenn he leer is. Nu stell di mal vör, da ligt soveel Wader opeinanner as 'n Karktormspitz hoch, nee, as tein Karktormspitzen hoch! Nu hett doch de unnerste Schicht de gröttste Last, un je höger du kümmst, je weniger hem de Schichten to drägen. Nich wohr? Versteihs Du 't nu?

HUGO. Ja, ja, dat kann ick nu all glöben.

ELSABE. Na ja. Nu geiht jedes Dings, wat man rinnlaten deiht int Wader, so deip as't selbs swar is. Versteihst Du! Also smiet ick dit Messer rinn, dat geiht viellicht man ein Karktormspitz deip, 'n Lot viellicht söß, 'n gotteres von tein Pund woll tein, aber denn geiht't nich wieder, denn warden de unnern Schichten von all dat Wader, wat doröber is, all so stark tosam preßt, dat't nich mehr wieder kann; un denn bliwt 't stahn. Geht wieder zum Herd.

HUGO. – Jä, angahn kann 't ja.[18]

ELSABE lacht. Nee! dat 's wohr!

HUGO. Jä. – Aber wie wölt s' denn dat rutkriegen, dat dat Wader in Würklichkeit noch veel deiper is? Wenn doch kein Lot mehr deiper geiht?

ELSABE geht wieder zu ihm. Dat 's sonn Saak, nich? Kiek mal, sonn' grot Lot von tein Pund, wenn dat nu an ein Stell, wo 't öberhaupt kein Grund giwt, so wiet dahlaten is, dat 't steiht, denn is dat so swer, will man 't weder rut trecken, dat Haup- un Stahltrossen un ok Ankerkeden rieten würden!

HUGO. Sall ik dat nu glöben? Elsbe! Du hest mi all weder in fienen to'n Besten.

ELSABE lacht. Nee, nee, nee! ditmal nich! Aber denk doch mal 'n bitten nah: denk mal, dit lange Enn' von de Lien, de se mit dahl laten hem, de wigt doch ok all wat, un denn ligt op dat Lot so veel veel Wader – denn ehr dat steiht, möt 't all ornlich deip sien – de möst doch denn dat Lot all heben kön'. Dat kann 't nich! Uns' Riesenkrohn wür dat Ding nich weder rutkriegen.

HUGO. Mi ward all ganz swinnlig. Dräum ick nu, oder lüchst Du?

ELSABE. Dat Du dat nu nich begriepen kannst.

HUGO. Dat Du lüchst?

ELSABE geht auf ihn zu. Jung! Du kriegst gliek 'n Flicken!

HUGO wirft sich lang aufs Sofa, das Gesicht in die Polster; spattelt mit den Beinen, schreit. Mama! Mama!

ELSABE lachend. Gott, Hugo! schrei doch nich so![19] Wat denken de Lüd! Geht zum Herd, gießt den Rest Wasser auf und holt dann Tassen aus dem Schrank. Ick vertell Di einfach nichs weder. Wenn Du mi doch nichs glöben wullt.

HUGO. Doch! ick glöw 't ja! Ick glöw alles! Leig man wieder.

ELSABE trägt die Tassen auf den Tisch. Ick will Di wat lachen!

HUGO. Jo! dat möst mi noch erst seggen, wi 's de Loten weder rut kriegt, un denn, wur se weeten, dat 't nich an 'n Grund is.

ELSABE setzt sich an den Tisch. Dat steiht ja alles hier in, les doch! Dat Swatt is de Schrift.

HUGO. De kann ick woll lesen. Süh mal, aber man nich, wat datwischen steiht. Datwischen steiht 't meiste! Du kannst mi dat all so schön utdüden. Wo du man 'n por Wür to brukst, da mokt de Kerl 'n ganzes Bok von! un wat 'n dickes Aas! de Deubel war dor klok ut.

ELSABE hat das Buch genommen und blättert darin. Du möst di mehr Meuh geben, Hugo! 't is ganz got, wenn man 'n bitten wat versteiht. Hebt ji denn sowat nicht in 'e School hatt?

HUGO. Nee! giwt ja gornich! Religion, Singen, Schönschrieben! Aber 'n bitten wat Intressantes, nee! denn wür uns ja dat Schoolgahn Spoß maken, un dat darf 't doch nich! Da haut s' ein 'all sonn' Hangelbangel nah 'n Liew rinn, de Striemen bliewt länger as dat Lehrte. Religion brukt wie nich! Singen lehrt[20] wie up Strot! un wenn ick man selbst lesen kann, wat ick schriew, is genog. De kleuksten Minschen schrieben doch am slechsten!

ELSABE lacht.

HUGO. Ji hebt doch sowat ok nich in 'e School hatt?

ELSABE. Nee! Aber ick dacht ji Jungs harn mehr as wi.

HUGO. Mehr Släg! Jeden Dag, denn Gott in Himmel warden lätt! Ick wull doch kein fremde Lüd Kinner wat lern, nich för alles in 'e Welt!

ELSABE. Ach! ick har grote Lust dorto! Aber ick möst ja gliek in Deinst un mit verdein.

HUGO. Donn lewt dien Mudder noch? Ik denk, de har sick all – um 't Leben bröcht.

ELSABE. Nee, donn noch nich, gliek dornah erst. Ich bruk s' nich mehr, ick kunn mi nu allein helpen' schreew s' in' Breif – un denn hett s' sick ophangt. – Un 'n Vadder hew ick ja öberhaupt nich kennt, na, da wär dat nichs mit mien lehrn. – Aber ick hew leest, alls wat ik faten kriegen künn, de halben Nachten dörch ...

HUGO. Dat deist ja noch.

ELSABE. Ah, langs nich mehr so! Bie denn olln Kaptein hew ick de ganze Bibliothek dörchpleugt. De lad ja öberhaupt alles von mi, sonn' richtigen Schörtenjäger wär dat noch, un darbie har he all griese Hoor. Aber bi mir har he sick sneeden. As denn sien Frau stürw, sull ick noch länger bie em blieben, so as Mäken för alles weißt Du ...[21]

HUGO. Kann 'ck denn olln griesen Buck gornich verdenken.

ELSABE langt aus. Du!

HUGO hält still. Do dat leiber nich, Elsbe, Du künnst Di de Hand wehdohn.

ELSABE blättert. Dat wür ok noch nichs schaden. – Kiek! Zeigt ins Buch. da is ja sonn' Ding afbild't, wats' an de deipen Stelln runner lat, wo se immer noch Grund hebt, aber dat Bot weder optofier doch to swer is. Kiek! disse Stang, de dörch de Kugel geiht, stött denn op Grund un dordörch lätt de Keed los, de swore Kugel rutscht af un se bruken bloß de Lien optofiern.

HUGO. Donnerwetter! wat klok sind de Minschen!

ELSABE lachend. Ja. Un hier is nu ok glieks sonn' Art Kannon, wo se dat Lot mit int Wader scheiten dohn, wo 't öberhaupt kein Grund mehr giwt.

HUGO. Nanu! Scheiten?! denn könnt se doch erst recht nich weeten, wo deip dat geiht.

ELSABE. Teuw doch so lang! Kiek hier is sonn' Meter. An 'e Kugel, de se dahlscheiten dauhn, is nämlich 'n dünne Liehn; kiek, hier is de mächtige Rull. Wenn 't Lot nich wiedergeiht, ward de Liehn einfach afkappt, un disse Meter seggt dann ganz genau, wieveel von de Liehn aflopen is. Kiek!

HUGO besieht die Bilder. Ja – ja. – Ick segg, wo sind bloß de Minschen klok. Du weißt aber ok öber alles Bescheid.[22]

ELSABE. De ein' weit dit, de anner dat, un all weit s' wat. Bloß ick weit jetzt nich wat de Willem weder so lang utblieben mutt. Veel Fisch harn ji doch nichmol mitbröcht?

HUGO greift Fliegen. De Ös! Jetzt hett 't Zweck, dat man se wegfangt, jetzt kamen kein mehr rinn.

ELSABE. Du?

HUGO Fliegen greifend. Nee nich mal mittelmagreit. – As! Drückt eine Fliege in der Hand tot.

ELSABE schlägt ihn auf die Hand. Gitt! Lat doch de armen Tiern, de wölt doch ok leben. Hä! Schüttelt sich und wendet das Gesicht ab.

HUGO. Dat Du nich seihn kannst, wenn ick' 'n Fleig dodmak. De argert uns doch ok ob Schritt un Tritt. In der Nähe tutet dreimal kurz ein Dampfer. Da kümmt he.

ELSABE springt auf. Is dat erst de Damper von Hambog? Kümmt de aber lat, is meist veer, un man markt all, dat 't düsterer ward. Sie sieht zur Tür hinaus.

HUGO geht im Zimmer herum und sucht jeden Gegenstand nach Fliegen ab. He möst gegen Wind und Tied – wie hebt ja Floot – möt aber nu bald Hochwader sien. – Am Schrank. Nu kiek bloß mal an, wat s' dor für intressante Figuren hensett hem. Dor is 'n Stern, dor is 'n Kreis un hier is 'n ganzen Meßhümpel. Sonn' Swienslüs!

ELSABE hinaussehend. – Ja, wenn s' erst mehr bet weg sind, denn möt ick mal ornlich bie un alls afseipen.[23] – Da kümmt he! Läuft nach links; wie sie dort die Tür geöffnet hat, bleibt sie unmutig stehn. Hä! nu möt ok grad de Lütt an to schrein fangen!


Es gehen verschiedentlich Leute übern Deich.


HUGO. Giw s' man her, ick schuckel se 'n beeten in Sucht Fliegen.

ELSABE ab, kommt gleich mit einem Kinderwagen besserer Art zurück. Se schient all weder intoslapen, se legt denn Kopp op de Sied. Fohr se man 'n beeten. Willem Mews kommt übern Deich. Da is he all.

WILLEM kommt herein. Goden Dag!

ELSABE. Ick wull mi grad verkrupen, da fung de Lütt an. Läuft auf ihn zu, faßt ihn bei den Ohren, küßt ihn.

HUGO fährt den Wagen hin und her, setzt sich auf den Stuhl vorm Tisch; stößt den Wagen von sich und zieht ihn am Band, das am Griff befestigt ist, wieder zurück. Singt dabei vor sich hin, den Blick von den Beiden abwendend.

Heut abend scheint der Mond so schön,

Mond so schön,

Da will ich zu meiner Liebsten gehn,

Liebsten gehn,

Da will ich zu meiner Liebsten gehn.


Mädchen! mach auf und :laß mich ein:

:Ich möcht die Nacht wohl :bei dir sein::


Ich mach nicht auf, laß :dich nicht ein:

:Es könnt über Nacht mein :Unglück sein::
[24]

Mädchen! mach auf und :sperr dich nicht:

:Ich bin ein Kerl, heu-:rade dich::


Bist du ein Kerl, heu-:radest mich:

:Ich bin imstand und :nimm dich nicht::


ELSABE während Hugo leise singt. Wat bist denn so lang bleeben? All acht Dag kümmst man op'n halben Dag un denn bliwst ok noch de längst Tiet weg. Sucht lachend seine sämtlichen Taschen durch. Na?

WILLEM steht breit da, läßt alles mit sich geschehen. Nu, Elsbe, datt lätt sick doch mal nich ännern. Ditmal bliwt wi ok bit morgen Nahmiddag.

ELSABE küßt ihn. Dat 's schön!

WILLEM. Ja, seuk Du man to. Dor hest lang watt an. Hewt wi morgn nich Sankt Marten?

ELSABE. Ja, dat is't ja. Ick hew all soveel Jungs mit Swiensblasen loopen seihn, aber doran hew ick wahrhaftig nich dacht. Denn geiht ja morgn de Larm weder los.

WILLEM. Lat denn Lütt-Hein man nich mit.

ELSABE. Bist Du denn all nich mehr hier?

WILLEM. Gegen vier möt wi woll hier weg, denn sowat is Hochwader. – Wo steckt denn de Lütt? Wat?

ELSABE. Hest Du em nich buten seihn? Eben leep he noch mit anner Jungs öbern Diek; ick denk, he hett Di von Damper halt.

HUGO steht auf. Ick will em woll seuken, de Lütt slöpt.[25]

WILLEM. Nee, lat man, de ward all von selbst kamen.

ELSABE lacht. Sühst Du! Denn hest 'n ok dropen. Fühlt nochmal alle seine Taschen nach. Wo hest 't denn ditmal bloß versteeken? Du wist mi doch nich wießmoken, dat Du nichts mitbröcht hest? Lütt- Hein, zwei Bücher unterm Arm, kommt von links übern Deich.

WILLEM. Ich hew nichs. – Kiek: is dat nich uns' Lütt?

ELSABE. Wie he padraddig geiht. Lacht. Wat hett he denn unnern Arm? Ah!

WILLEM ebenfalls lachend. 'n lütten snakschen Kerl!

LÜTT-HEIN stolziert herein, nimmt seine Schiffermütze ab, geht, den Kopf im Nacken, an den Eltern vorüber gerade an den Tisch. Morn! Legt die Bücher auf den Tisch. Afgeben! Macht kehrt, setzt sich die Mütze wieder auf und will hinaus. Morn!


Alle drei brechen endlich in helles Lachen aus.


WILLEM. Dat hest got makt!

ELSABE setzt sich in die Hucke, umfängt ihn. De Bad soll hierblieben! Küßt ihn. Hew ok schönen Dank! Drückt ihn heftig an sich. Ach Du bist doch to seut!

WILLEM. Na lat em man gern noch 'n beeten rut.

HUGO ist an den Tisch gegangen, blättert in einem der Bücher, liest den Titel. Das Wasser. Na, dat kennt wie ja.[26]

LÜTT-HEIN. Morn! Stolziert wieder hinaus.

WILLEM lacht. Is dat 'n lütten Büchsenschieter! De deiht all alls, wat 'n em seggt. De is all bald to wiet.

ELSABE fällt über die Bücher her, setzt sich. – Ei! dat hier is 'n feines Book! ei! das Leben im Wasser von Jäger, dat is wat feins. Blättert, liest. Da künn 'ck nu glieks bie sitten blieben.

WILLEM setzt sich aufs Sofa. – Na, wie is 't denn nu mit Kaffee?

HUGO klappt sofort sein Buch zu und geht zum Herd.

ELSABE bleibt sitzen. Ach, Hugo, bring denn Kaffee mal eben her; un Botter un Melk hew ick vergeeten. – Ach, erst schuw de Lütt mal weder nah de Slabstuw rinn. Liest.

HUGO schiebt vorsichtig leise den Wagen nach links ab.

WILLEM zieht seinen Rock aus und wirft ihn mit seinem weichen Hut aufs Sofa; zieht seine Börse aus der Tasche und zählt Geld auf den Tisch.

HUGO kommt zurück, bringt gleich vom Schrank Butter, Brot, Kaffe, Messer auf den Tisch.

ELSABE greift zu dem andern Buch. Un wat is dat? Ah! Roßmäßler! Roßmäßler, das Wasser. Da freu ick mi to! Schüttelt ihren Mann am Arm. Willem, Du bist 'n goden Kerl! Sie ok veemal bedankt!

WILLEM. Is all god, les mand![27]

ELSABE. Daför will ick di hüt nacht ok nich int Bein kniepen, wenn weder to mi ... Sieht auf Hugo, der gerade wieder an den Tisch tritt; hält sich die Hand vor den Mund und liest lächelnd.

WILLEM reckt sich. Verdammi! bin ik meud! Hugo kumm, nimm dien Geld.

HUGO. Ah, dat het ja Tiet.

WILLEM. Na, na, do man nich so, nimm man. – Ick weit noch recht got, wie ick mi op mi erstes Knechtsgehalt freut hew. Nu heit dat doch nich mehr: Jung! Elben Mark in einer Woch, dat 's doch 'n schön Stück Geld. Schenkt sich Kaffee ein. Wi hebbt aber ok Glück hatt dees Woch. Wat hewt 'w denn mitbröcht? nichmal dusend Pund. Aber 't hett Geld geben an' Mark; achtunvierdig Penn' för grode Schulln, vör drei Wochen hett 't elben geben. Trinkt. Schellfisch ditmal achtein und twindig Penn. Ick weit, dat s' all drei geben hem, dat 's 'n Unnerscheid. Trinkt. Un wat meinst, wat 't für Kleiß geben hätt? wi harn nich veel, aber achtzig Penn! Schenkt sich wieder ein. Verdammi, hew ick 'n Dost. Trinkt. Achtzig Penn! – Bist denn hüt morgen all weder an Bord west? Wiewiet sind de beiden Timmerlüd?

HUGO hat sich ebenfalls Kaffee eingegossen. Mit 'n Kalfaten wärn s' all meist ferdig. Pick harn s' all op Für.

WILLEM. De Jung is an Bord?

HUGO. Ja! Hält die Kanne über Elsabe's Tasse. Sall ick di ok glieks inschenken?[28]

ELSABE lesend. Nee – Na ja, doch, schenk man in. Klappt das Buch zu.

WILLEM indem er Hugo das Geld zuschiebt. Hewt wie denn hüt nich'n beeten wat Seuts to 'n Kaffee?

HUGO. Ich kann ja eben henlopen, wat holn.

WILLEM. Nee, nichs Köftes.

ELSABE. Ah, dat Backen gerad mi doch nich, wat sall ick 't immer weder verseuken.

WILLEM. Hugo har aber doch 'n paar Ossenoogen backen kunnt.

HUGO. Dat kann 'ck ja noch.

WILLEM. Ne nu lat man Schneidet sich Brot. Aber to hüt abend kannst 't ja maken, da brut wie uns 'n stiewen Krog to, un denn fiert wi mal 'n vergneugten Abend.

ELSABE. Mienwegen. Mehl, Eier, Botter is alles in' Hus. Ick gew mi aber nich damit af.

WILLEM Hugo zulachend. Is ok nich nödig, wat? Wi beiden wöllt woll trecht kriegen. Du vertellst uns denn, wat neies in de Beuker steiht.

HUGO streicht endlich heimlich schnell das Geld ein. Dat wöllt wi woll all allein maken.

ELSABE springt auf. Nee kumm! Gew mal dat Geld her! Gew mal eben gau dat Geld her! To, Hugo!

HUGO hält es in der Hand von sich, lächelnd. Warum? Kann ik nich ok Geld bi mi hem?

ELSABE. Gew her! Ick will 't för di sporn. Du weißt, se könnt di nächstes Jahr licht bi de Marine[29] nehmen; du hest dissen Sommer hier 'n Barg utlegt. Wenn denn dit Jahr fliedig sporst un hest to dien Soldatentiet jeden Sündag Dien Daler, dat is woll schön! To, gew her, Hugo.

HUGO gibt ihr. Du giwst ja doch nich ehr nah. – Holt! Ick möt mi noch 'n blaues Hemd köpen, fief Mark her!

ELSABE hat das Geld genommen und geht damit an den Schrank. Wenn du ein brukst, will ick Di woll ein köpen.

WILLEM. Verdammi! Lacht. Du springst hier mit uns um, as wenn 't nichs is!

ELSABE zieht die linke Schrankschublade auf und nimmt eine Börse heraus. Süh, hier leg ick 't in, bie dat annere. Dat nimmt Di hier kein Minsch.

HUGO. Da bin ick ok nich bang vör.

ELSABE. Dat ligt hier open, ick verslut nichs! Aber nimst Du ein Penn davon, ohne dat ick't weit, denn is för dit Leben de Fründschaft ut twischen uns beiden!

HUGO doch etwas gedrückt. Sie man nich bang.

WILLEM nur um Hugo leichter darüber hinweg zu kriegen, lacht ihn an. Nich, Hugo, se ward orlich krittelig! Zieht sein Geld heraus und schüttet es auf den Tisch. Da! denn nimm mien ok man glieks!

ELSABE. Hugo kennt mi ja, ick will bloß sien best! Kommt an den Tisch und steckt das Geld alles lose in die Tasche. Dat 's mien, dat kann ick nahher[30] wegleggen. – Hest Du denn Mudder dit Monat all wat bröcht?

WILLEM. Verdammi! nee, dat hew ick ganz vergeeten! So wenig Tiet hew ick mi in Hambog laten. Ick bin man so von ein' to 'n annern stört, dat mien Gedanken dorop gornich kamen sind. Dat möt wi mit de Post schicken, hüt noch!

HUGO. Denn schick von mi man ok tein Mark mit, is ja Geld genog in de Schuw. Ick hew ja denn ganzen Sommer nichs brukt.

ELSABE. – Nee – nee – Dien par Groschen ...

WILLEM. Nee, dat süst ok man ruhig sien laten, se is da bie Lisbeth, arbeit noch immer wie freuher veel to veel! De kann ehr woll to eeten geben. Un dat beeten Tüch, dat s' brukt, kann s' sick för de twindig Mark woll köpen. Un wat brukt se wieder?

HUGO. – 'n Kleinigkeit möst aber doch woll mitschicken, sünst is't bie Mudder nich drapen. Se sport 't ja man för mi op, seggt se.

ELSABE. Ick spor 't ja ok för Di.

HUGO sieht tief über die Tasse gebeugt, nachdenklich hinein.

WILLEM zupft Elsabe am Arm und blinzt ihr zu. – Na ja, fief Mark kannst ja mitschicken, süht beeder ut. Bie nächste Reis' hest dat villicht all mehr verdeint. Macht eine Handbewegung zu seiner Frau, die sagen soll: Ich werd es schon so einrichten.


Eine Weile trinken alle stumm Kaffee.
[31]

WILLEM. Verdammi! dat will ok garnich rutschen. Dat dröge Brot so rinntoquausen ...

ELSABE. Na, du seute Mann, ick hol di wat.

HUGO steht auf. Ik will eben hengahn.

ELSABE. Warum? Kann ick ja ok.

HUGO immer ohne einen anzusehen. Lat mi man hengahn.

ELSABE sieht ihn scharf an. Hugo! kiek mi mal an!

WILLEM schüttelt den Kopf und winkt mit der Hand ab, daß sie es lasse.

ELSABE faßt Hugo unters Kinn. Kiek mi mal an!

HUGO da sie seinen Kopf hebt und so ihn zwingt, sie anzusehen, macht er sich endlich lachend los. Wat denn? Watt sall ick denn?

ELSABE. Nu is got. Ich dacht all, du künnst nich mehr lachen. Gibt ihm Geld. Hier! bring aber nich sonn' Schund, 'n beeten wat Gots.

HUGO zur Tür.

ELSABE ruft ihm nach. Bring denn Lütten mit.


Hugo ab.


WILLEM. Dat is em doch 'n beeten in 'e Kron trocken.

ELSABE. Du harst em dat Geld man leiber nich erst geben süllt.

WILLEM. Ick hew dor mit kein Silw an dacht. Ick wull em 'n Freud maken.

ELSABE. De will behandelt sien, wie 'n rohes Ei. Dat ick grad disse Bäuker so gern les, dat is ok man mehr för em, als for mi. Ick les leidenschaftlich gern,[32] noch immer, aber ick würd doch teinmal leiber Romanen lesen as dit. Wenn ick em hierut wat vertell, denn kann he Stünn' lang tohörn un denkt an kein Wirtschaft.

WILLEM. Du harst doch ok Kauken op 'n Disch hem künnt, he mach s' doch ok gern.

ELSABE. Ick hew em ja denn ganzen Dag man öber 't Meer wat erklärn möst. Nich mal Middag hew ick makt. He hett för uns 'n beeten Biefstekhack brad, während ick de Lütt stillt hew.

WILLEM. Ja, 't is gediegen. Hier kann he alles un deiht alles, un bie Mutter nichs, kein Stünn könnt de Beiden sick verdrägen.

ELSABE. Ick weit nich, he kann doran nich schuld sien. Dat halbe Johr, sietdem he nu bie uns is, hett he doch noch kein Fotschritt in 'e Wirtschaft sett. He vergett dat immer mehr. Ick hew gar kein Bang' mehr för em, man möt em bloß to nehmen weiten.

WILLEM. Na, na! – Ssst! da kummt he! Hugo, Lütt- Hein an der Hand, kommt herein.

ELSABE steht auf. Junge, hest Du di swat makt, du sühst ja ut, wie sonn' Sotje Nimmt Lütt-Hein bei der Hand und will mit ihm links ab.

WILLEM. Lat doch man erst; lat em man erst Kaffee drinken.

ELSABE. So swatt wie he is?

WILLEM. Dat makt ja nichs, dat is da all bi öber.

ELSABE. Denn mienwegen Hebt ihn auf den hintersten Stuhl.[33]

WILLEM. He kann doch sünst nich de Tit afteuben, wat? Gibt ihm ein Stück Kuchen. Sonn' Stück Kauken is Dien Leben, wat?

LÜTT-HEIN vergnügt kauend. – Hm – – ja –

HUGO. De Damper sitt mal weder fast int Lock. He wull hier baben ant Stack anleggen, aber mien leibe Wried hett sick doch 'n Happen verrekend.

WILLEM. Verdammi! Is de denn all ünn'?

HUGO. Mit de Ebb'.

WILLEM. Un de Wind möt sick wat dreiht hem. Ja, denn is uns »Kurrier« groß da. Lacht. Denn holt he de grote »Harmonie« meist in. Na, hüt is de ok kein ganze Stün' ehr affohrt.

HUGO ebenfalls lachend. Ja, de »Harmonie« is nich slecht, aber de »Kurrier« is 'n olln Paddelkasten.

ELSABE hat allen Kaffee eingegossen und für Lütt- Hein einen bunten Becher aus dem Schrank geholt. So, nu drinkt nochmal. Hugo, eet Kauken Schiebt ihm die Tüte hin, die sie zuvor aufgerissen hat. da! lat Di nich lang nödigen. Griep to! un wenn't 'n Daler kost! Setzt sich, trinkt und liest dabei.

HUGO. Ick hew eingtlich garkein rechten Hunger mehr.

WILLEM. Na nimm man.

HUGO. Wenn't nich anners geiht Nimmt.


Alle essen und trinken eine Weile.


WILLEM. Kiek, buten gahn doch all Fremde, denn möt de Damper doch glieks loskamen sien.[34]

HUGO. Ja, he seet ja nich hoch; hier gliek nerden bie 't Blinkfür.

ELSABE sieht auch hinaus, wo noch ab und zu eine Gestalt vorüber geht. Da möten ja ornlich welche mitkamen sien.

WILLEM lächelnd. Ja, ornlich welche! Wenigstens vier sind all vorbie gahn.

ELSABE wieder trinkend. Na, dat 's för Finkenwarder doch all 'n ganzen Barg.

HUGO. Oder noch 'n beeten weniger Trinkt den Rest Kaffee aus. So! Steht auf. Ick will man all anfangen intosürn, dat wie to hüt abend ornlich Ossenoogen hebt Geht an den Schrank.

WILLEM. Ja! mak s' man recht got. Könnt wie da nich 'n por Appel insnieden?

HUGO hat den Schrank geöffnet, sucht Tüten hervor. Ohne Appel smeckt 't ja veel beeder.

ELSABE hat fertig getrunken, alles beiseite geschoben und liest. Ach, denn möst ik erst welche holn laten. Appel to 'n Grog, denk ick, smeckt nich.

WILLEM. Dat 's ja weder wohr. Denn mak so!

ELSABE. Hugo, wat söchst denn so lang, hier gliek links möt de Mehltüt stahn.

HUGO. So, hier Nimmt eine Tüte hervor. Wat is denn da in, dat feult sick ja so komisch an Öffnet sie. So, Plumm' Steckt eine in den Mund, stellt die Tüte wieder zurück.

ELSABE. Hest denn noch nich? Dat möt doch noch Mehl ... Ist aufgestanden, nach links herum, daß[35] sie das Gesicht dem Fenster zukehrt, sieht dabei die alte Frau Mews und Lisbeth über den Deich kommen; erschrickt heftig, greift mit der Linken nach der Stuhllehne, mit der Rechten an die Brust. Da is Mudder!

WILLEM. Wahrraftig! Un deshalb erschreckst du so?

ELSABE sich langsam erholend. – Ick weit selbst nich – dat fohrt mi ok op einmal so dörch –

HUGO ist zugesprungen. Nanu? Di fehlt doch nichs?


Frau Mews und Lisbeth treten ein.


ELSABE. Nee! Ihnen entgegen. Goden Dag! Goden Dag ok! Ji hebt juch ja lang nich blicken laten.

MUDDER lächelnd. Ja, nich? Uns geiht meist wi Di.

ELSABE fühlt den Stich, kleinlaut. – Ick ... ick hew doch de beiden Kinner.

MUDDER mit einer wegwerfenden Handbewegung, aber immer lächelnd. Ick hew acht hatt un doch dagdäglich datwischen rut möst.

LISBETH reicht Elsabe die Hand. Gut, wenn mans nich nötig hat. 'Tag, Elsbe! Sprechen zusammen.

WILLEM ruft. 'n Dag, Mutter! Letst Du Di ok mal weder bi uns seihn?

MUDDER kommt an den Tisch. Ich mutt ja, wenn s' mi annerswo rutsmieten dauhn. Goden Dag!

LISBETH. Da! dat wär för mi.

MUDDER sich die Bänder ihres Hutes losbindend. Wat makst Du den dor, Hugo? Kannst nich goden Dag seggen?

HUGO. Ick mak nichs.[36]

WILLEM schiebt seinen Rock mehr auf die Seite und rückt weiter nach vorn. Kumm, sett Di hierher.

LISBETH mit Elsabe an den Tisch kommend, ulkig. Guten Tag, meine Herren! Ei! sogar Kauken! da will ick mi gliek öber her maken Nimmt einen und ißt, setzt sich.

MUDDER. Ja, wenn 't nichs kost!

LISBETH ißt. Stimmt! schmecken aber schön.

ELSABE. Mi zittert noch de Bein', so hew ick mi erschrocken.

MUDDER. Wat? Öber mi doch nich?

WILLEM. Ja, as 's di to seihn kreg.

MUDDER sieht fragend von Willem auf Elsabe und umgekehrt – ausnahmsweise nicht lächelnd. Öber mi hett se sick erschrocken? Dat kann ick nich verstahn.

LISBETH. Da, hahaha! Sowas dürft ihr nicht sagen Nachahmend. öber mi erschrocken? Schüttelt sich. O Gott! o Gott! o Gott! o Gott!

WILLEM. Na, Mudder, wat is denn da bie? Se kunn 't nich faten, dat Du op einmal hier wärst. Na, un da hett se sick erschrocken! Wat is denn ok dorbie?! Nu sett Di doch man.

MUDDER. Dat is ja 'n schönen Empfang! Wat süll denn dat to bedüden hem, über mi erschrocken! Ick hew Di doch nichs dahn.

LISBETH. Hahaha!

MUDDER bindet sich die Hutbänder wieder zu. Denn bruk ick denn Hot jo gornich erst aftonehmen. Dat hett ok wat do bedüden.[37]

HUGO am Schrank, schüttelt den Kopf. Immer noch datselbe.

ELSABE ohne die Sache ganz zu begreifen. Da wär doch gar nichts Böses bie dacht. Ich hew doch man seggt, wat wahr is.

LISBETH. Mudder denkt sich bei allem was Böses Schiebt sie nach dem Sofa. Aber nu setz Dich doch endlich mal hin. Über Dich hat Elsbe sich nicht erschrocken, über mich! Ich bin das Schreckgespenst! – Nimm mal den Hut ab Reißt ihr die Bänder wieder auf. So, dann setz Dich auf 's Sofa und mach 'n recht freundliches Gesicht, Du kannst ja so schön lächeln.

MUDDER den Hut abnehmend. Is Di dat ok all weder to veel?

LISBETH. Hahaha! Das hab ich ja nicht gesagt.

MUDDER reicht Elsabe den Hut. Hier, nimm mal den Hot – nee, binn' fat an, möst da 'n beeten ornlich mit umgahn. Sett 'n opt Bett.

LISBETH. Denn nimm meinen man auch gleich mit Gibt ihren Hut Elsabe, setzt sich.

WILLEM. Hier man her, Mudder, hier sett Di her!

MUDDER hebt seinen Rock auf. Wat is denn dat hier?

ELSABE. Willem sien Rock, denn hett he sick eben uttrocken.

MUDDER lächelnd. Un denn hängst Du em nich gliek weg?

ELSABE wie geschlagen, stotternd. – Nee ... ick ... ick hew man erst ...[38]

MUDDER reicht ihn ihr. Nee, da giwt 't garkein Entschuldigung; sowat möt immer gliek an 'n Sied bröcht warden Setzt sich.

WILLEM der es auch gefühlt. Dat har ja Tiets genaug, Mudder, wie öberielt uns hier nich.

ELSABE ganz verwirrt, läuft mit den Sachen links ab.

HUGO bringt Tassen für Lisbeth und Mudder. Ja, wenn de Mudder kümmt, möt alls in Ornung sien.

MUDDER. Det hört sick ok so. Wat dohn denn hier de Bäuker op 'n Disch? mitten mang dat Kaffeegeschirr?

WILLEM. Der hew ick eben 'n beeten in leest Nimmt sie und stellt sie aufs Bücherbrett neben dem Sofa.

MUDDER. Denn hest Du Di bannig ännert.

LISBETH. Tag, mein Hugo! Wir haben uns aj noch garnich guten Tag gesagt.

HUGO. Dag! Gehlgoos, du sprickst jawoll bald bloß noch gehl. Wie geiht 't denn Dien Mann; kickt he noch immer so?

LISBETH. Eigentlich soll ich Dir sagen, Du sollst bald mal hinkommen, er will mal wieder mit Dir durchgehen. Aber nu, daß Mudder hier bleibt, komm man nich, denn ich bleib doch nich allein zu Haus.

WILLEM. So, Mudder bliwt hier?

MUDDER. Wenn Di 't nich angenehm is, kann ick ok weder gahn. – Na un Du Lütt-Hinnik! Lacht mit dem Kleinen, der immer drauf los kaut. Di geiht dat woll gornichs an, wenn Dien Großmutter hier bie Di[39] kummt, wenn Du man Kauken hest. Nu gew mi erst mal schön de Hand, segg goden Dag!

LÜTT-HEIN schlägt in ihre Hand. Goden Dag!

ELSABE kommt zurück, ganz kopflos, rennt an den Tisch, dann wieder an den Schrank. ... Ach, Du hest woll all Tassen ...?

MUDDER. Aber Junge, wat hest Du för swatte Hann'! Man mag Di ja gornich anfaten Nimmt ihm den Kuchen aus der Hand. Un öber 't ganze Gesicht Lacht. Du sühst ja ut wie sonn' Neger Hebt ihn vom Stuhl und schiebt ihn Elsbe zu. Erst lat Di mal von Dien Mudder ornlich afwaschen, denn kannst wieder eeten.

ELSABE steht, staunt, weiß nicht, was sie sagen soll.

WILLEM. Elsbe wull 'n ja glieks waschen, aber ick hew seggt, se süllt 't nahlaten, de Jung künn 't ja nich mehr afteuben.

ELSABE läuft mit Lütt-Hein ab.

MUDDER. Daför möt de Fru sorgen, da kann de Mann seggen, wat he will. Hew ick juch woll einmal so an' Disch gahn laten?

WILLEM. Dat weit ick nich mehr. Wi hebt ok woll mal mit swatte Hann' 'n Kauken eeten.

MUDDER. Aber man nich, dat ick 't seihn hew.

LISBETH. Schluß! Anderes Thema! Ißt und trinkt.

HUGO arbeitet am Schrank, hat die Mehltüte gefunden, das Mehl in eine braune Schüssel getan, drei Eier eingeschlagen und mit Milch angerührt.[40]

MUDDER lacht. Statt wat mittobringen, wenn s' op Beseuk kummt, frett se hier alls op.

LISBETH. Ich will nichts geschenkt haben, ich kann 's ja bezahlen Schlägt sich selbst auf den Mund. Schwapp! Schweigen! Steht auf und hält ihrer Mutter die Tüte Kuchen vor. darf ich dir ein Stück anbieten? Kostet nichts!

MUDDER. Sünst würd'st Du ok nich so freeten.

HUGO. Na, hier geiht jawoll ok all los.

MUDDER zu ihm. Hest Du denn ok wat to seggen? Du drückst di ja in 'e Ecken rum, as wenn wat op 'n Gewissen harst.

HUGO stellt die Schüssel hin, geht wütend mit langen langsamen Schritten auf Mudder zu, sie starr ansehend. – Wat? – Wat? Hest Du Dien grotes Mul immer noch nich stoppt? Wat sall ick denn all weder ...

WILLEM. Psssst! Hugo! do mi 'n Gefalln!

HUGO. Is ja wohr! Geht wieder an den Schrank.

MUDDER. Du würdst mi ja am leiwsten unner de Erd seihn.

HUGO. Ja! Wenn denn man Dien Mul holln wust!

MUDDER. Süh, so sind de Kinner! Dem Weinen nahe. Wenn s' de Öllern nich mehr bruken, willn s' se am leiwsten an 'e Sied schanzen.

LISBETH. Mudder, Du bist aber auch mit ihm angefangen.[41]

ELSABE kommt zurück, ängstlich und verwirrt von einem Gegenstand zum andern laufend und dies oder das in Ordnung bringend.

MUDDER trocknet sich mit ihrem Taschentuch das ganze Gesicht ab. – Nu? Wo is denn de Jung?

ELSABE. – Slöpt 'n beeten he wär so meud – hett denn ganzen Dag rumlopen.

LISBETH hat Elsabe beim ersten Wort groß angesehn, kneift die Augen zu, trinkt den Rest Kaffee, wischt sich den Mund. – Mudder, mir wär 's am liebsten, Du gings wieder mit.

MUDDER. Du bist doch woll bang, dat Dien Arbeit nich allein ferdig kriegst?

WILLEM. Wat geiht uns dat an! Du bliwst hier; ick hew Di 't ja all lang seggt.

LISBETH. Wir beiden verstehn uns doch noch am besten.

MUDDER. So? Grad Du bist de Schuldige! mit Dien' Mann künn ick jahrlang tosam husen, ohn dat ein böses Wurt fallt.

LISBETH. Na, na! – Aber hört erst mal zu, wie das gekommen ist. Mudder könnte durch ihr brockenweises Erzählen eine falsche Vorstellung aufkommen lassen.

MUDDER. Hackt man all op juch Mudder rum.

WILLEM klopft der Mudder auf den Rücken. Na, Du hest aber ok 'n breiden Puckel, da kann wat rop. Verdammt! ick mein doch ...[42]

MUDDER. Hest Du Di dat gräßliche Wurt noch immer nich afgeweunt? ›Verdammi!‹ 'n scheußliches Wurt!

LISBETH lacht. Da! hast Dein Teil!

MUDDER zu Elsabe. Warum löpst Du denn da soveel rum un setzt Di nich weder bie mi hen? Hew ick Di wat dahn? oder hest Du mi wat öbel nahmen?

ELSABE. – Nee – nee –

MUDDER. Na, dat möst ok nich! Wenn ick ok mal sonn' Wort rutslag, bös is dat nich meint, as anner Lüd seggt.

LISBETH lachend. .... Anner Lüd – bin ich!

MUDDER. Ick hew ok all soveel dörchmaken möst in mien Leben, erst mit mien Mann, denn ...

WILLEM legt ihr die Hand auf den Rücken. Mudder! do mien 'n Gefalln un swieg still davon. Wi hebt datt all oft genog hört.

MUDDER. So is recht! Verbeid Du Dien Mudder man dat Mul Faltet die Hände und sieht träumend zur Decke.

LISBETH sieht Willem an, lächelt – dann. Na, hört mal zu. Mein Mann sah ein, daß ich für Mudder tat, was ich konnte.

MUDDER immer zur Decke sehend, lächelt. Ja, law Di man.

WILLEM. Dat dot wi ja all gern, Mudder!

MUDDER sieht ihn eine Weile scharf an, dann wieder lächelnd zur Decke, spielt mit den Fingern.[43]

LISBETH lacht endlich laut auf. Hahaha! der sitzt! – Also, als der Streit heute morgen wieder losging, da hat er Mudder in Ruhe gesagt, er fände es nicht nett, daß sie jedes Wort mit einer Stichelei beantworte. Da aber Mudder: ›Ick bin Di woll toveel in' Hus! Kannst man grad rutseggen! Du wißt mi bloß lossien.‹ Na, nicht einmal bis heut nachmittag wollt sie warten: ›Ick bettel nich um min Stück Brot! ick kann noch arbeiten! ick will ok noch arbeiten!‹

MUDDER. Will ick ok.

WILLEM. Sast Du ok! Aber düchtig!

LISBETH. Na ja. Mein Mann denn ...

MUDDER. Mein Mann! Mein Mann! Is 'n olln schönen Mann, de sien Fru fragt, wenn he mal utgahn will.

LISBETH. Das is grade nett von ihm.

WILLEM sehr wichtig zu Lisbeth. Dat mark Di! Wenn de Mann fragt, denn is he gorkein Mann! und fragt he nich, denn döcht he nichs!

MUDDER liest lebhaft die Krumen von ihrem Schoß auf und zerbeißt sie. Ja, nu hackt man ob mi rum, dat is ja von jeher all so west.

WILLEM. Nanu!

LISBETH. Na, da haben wir denn Hals über Kopf die Sachen gepackt und ...

MUDDER steht auf. Swieg doch still mit Dien olle dumme Lögengeschichten. Mein Mann hinn'n! un mein Mann vör! Ick bin ja nich mehr dabie. – Gott sie Dank! warst Du seggen.[44]

HUGO rührt noch immer in der Schüssel. Se kann ok seggen: denn Dübel sie Dank!

WILLEM schlägt mit dem Finger auf den Tisch. Lat dat!

ELSABE. Hugo!

LISBETH dreht sich zu ihm um.

MUDDER. Ach ja! Em mak't immer Freud, wenn he sien Mudder weihdauhn kann!

HUGO wirft den Löffel in die Schüssel. Nu, von ein von min Öllern möt ick dat doch hem.

WILLEM. Denn lat dat doch, da kümmt nichs na rut.

MUDDER. Von mi hest Du dat gewiß nich! Ick segg kein' Minschen wat to Leed. Noch jederein hett sick mit mi verdragen künnt.

HUGO. Nu ward 't snein!

MUDDER. Du sust man leiber nah mien Saken seihn. – Wat hett he da denn eingtlich makt?

WILLEM. Wi wulln 'n poo Ossenoogen backen to hüt abend.

MUDDER nimmt sich ihren guten Überrock bis über die Brust hoch. Gew mi mal 'n Schort. Ick will di Ossenoogen backen, da kannst de Finger nah liggen.

ELSABE. – Lat doch – ick will 't woll dohn.

MUDDER. Ach Du versteihst dat doch nich so Macht sich die Ärmel hoch. Gew mi doch man 'n Schort her und stah nich un kiek.

HUGO. Nu geiht' los! Lacht bitter, nimmt seinen Hut, der bei der Tür hängt. Nu geiht' los! Ab.[45]

MUDDER will ihm nach. Hugo! Hugo! wo wullt Du hen!

WILLEM springt auf und hält sie zurück. Lat dat! Du möst em da nich immer an erinnern!

MUDDER. He geiht doch nich in 'e Wirtschaft?

WILLEM. Nee, he süht nah Dien Saken.

MUDDER geht zum Schrank. Hest Du denn öberhaupt kein Schort rein, oder warum giwst Du mi kein?


Vorhang.


Quelle:
Fritz Stavenhagen: Mudder Mews. Hamburg 21908, S. 17-46.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Mudder Mews
Mudder Mews

Buchempfehlung

Jean Paul

Titan

Titan

Bereits 1792 beginnt Jean Paul die Arbeit an dem von ihm selbst als seinen »Kardinalroman« gesehenen »Titan« bis dieser schließlich 1800-1803 in vier Bänden erscheint und in strenger Anordnung den Werdegang des jungen Helden Albano de Cesara erzählt. Dabei prangert Jean Paul die Zuchtlosigkeit seiner Zeit an, wendet sich gegen Idealismus, Ästhetizismus und Pietismus gleichermaßen und fordert mit seinen Helden die Ausbildung »vielkräftiger«, statt »einkräftiger« Individuen.

546 Seiten, 18.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon