127.

[298] Aus dem Tagebuche Salviatis, Mailand, 23. Juli 1819


Eine ehrbare Frau hält sich auf ihrem Landgute eine Stunde lang im Treibhause mit ihrem Gärtner auf. Leute, mit denen sie sich nicht gut steht, beschuldigen sie einer Liebschaft mit dem Gärtner.

Was soll sie dagegen sagen? Die Sache ist ja möglich. Sie könnte entgegnen: »Mein Charakter spricht für mich, meine ganze Lebensführung.« Aber auch das ist ganz[298] unsichtbar für boshafte Menschen, die nichts sehen wollen, und für Dumme, die nichts sehen können.

Quelle:
Von Stendahl – Henry Beyle über die Liebe. Jena 1911, S. 298-299.
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