[34] Die Vorigen, Madame Vogelsang.
PUF. Ah! Madame Vogelsang! Willkommen, willkommen. Eben recht! wollen Sie Engagement haben?
MADAME VOGELSANG. Deswegen komm ich her. Ich höre – –
PUF. Herr Frank, da machen Sie eine acquisition. Etwas heimlich auf Madame Krone deudent. Wenn Madame das Publikum mit lauter Empfindung eingewiegt hat, wekt die es wieder auf. Ich will Ihnen gleich eine Probe machen. Zu Madame Vogelsang. Madame! wißen Sie[34] noch die Scene aus der galanten Bäurinn, die wir so oft zusammen gespielt haben?
MADAME VOGELSANG. Was sollt' ich nicht! Es ist ja eine meiner Lieblingsscenen, meine Hauptscene; ist ja auf mich geschrieben worden.
PUF. Nun so bitten wir um Platz. Madame Krone, Frank und Herz treten zurück. »Guten Morgen Röschen! Wohin so früh?«
MADAME VOGELSANG. »In die Stadt.«
PUF. »Und so geputzt?«
MADAME VOGELSANG. »Es hat seine Ursachen.«
PUF. »Ey! was denn für welche?«
MADAME VOGELSANG. »Must du's denn wißen?«
PUF. »Das versteht sich, als dein zukünftiger Mann.«
MADAME VOGELSANG seufzend. »Ja, da ist noch eine gute Weile hin.«
PUF. »Hm! So gar lange ist's doch eben nicht bis auf den Herbst.«
MADAME VOGELSANG. »Mein guter Michel deine heurige Fechsung wirst du wohl noch ohne mich verzehren.«
PUF seufzend. »So? Ey! wie käm' denn das?«
MADAME VOGELSANG. »Ja schau mein lieber Michel, man muß weiter hinaus denken, als auf heute und morgen. Ich habe nichts und[35] du hast nicht viel, was kommt da heraus? Siebzehn Jahr bin ich auch erst alt, und wenn man gar so jung heurathet, wird man gar geschwind alt, hab ich gehört.«
PUF. »So! so!«
MADAME VOGELSANG. »Es ist also besser, wir lassens noch stehn.«
PUF. »Kurios! Wie kommt dir denn das auf einmal in Kopf?«
MADAME VOGELSANG. »Ganz natürlich! Wenn man ein wenig weiter gegukt hat als in seine Schüßel, so sieht man ja, daß das Geld heut zu Tage das nothwendigste Hausgeräthe ist, und wenn man das nun nicht hat, so muß man sich doch erst darum umsehn.«
PUF. »Meinst du? Gehst etwan deswegen in die Stadt?«
MADAME VOGELSANG. »Grade deswegen. Ich will mein Glück probiren.«
PUF. »Nun, und wie willst du denn das anstellen? Sag einem doch auch ein bischen was, vielleicht lernt man noch ein und anders.«
MADAME VOGELSANG. »Du darfst weiter nicht spitzig thun, es hat alles seine gute Richtigkeit. Schau, da hab ich einen Korb Aepfel?«
PUF. »Das seh ich. Nun?«[36]
MADAME VOGELSANG. »Der muß machen, daß ich noch einmal mit Kutsch und Pferden fahre.«
PUF greift ihr an die Stirne. Bist gestern gewiß zu viel in der Sonne gestanden?«
MADAME VOGELSANG. »Gar nicht Herr Michel. Nu – die Aepfel trag ich zu der alten Anne Bruder, der ist fürstlicher Gärtner – –«
PUF. »Und der wird dir so viel dafür geben, daß du – –?«
MADAME VOGELSANG. »Plump mir nur nicht drein. Da hab ich auch ein Briefchen an ihn, wo sie mich ihm recommandirt, damit er mich bey sich behält. Der hat nun das ganze Jahr hindurch eine Menge Pomeranzen und Pfirschen. Er giebt mir also alle Tage ein Körbel voll zu verkaufen. Die trag ich in der Früh aus, in die Kanzeleyen, auf die Reitschule, und was mir noch übrig bleibt, gegen Mittag zu den vornehmen Herren, wenn sie Ballen spielen. Nun, mit einem hübschen Mädel handeln solche Leute nicht: jeder giebt mir was ich fodre, mancher schenkt mir wohl gar noch was dazu. Da kann ich mir also leicht in einem Vormittage ein paar Gulden verdienen.«
PUF. »Manchmal auch mehr, nachdem du eine Kundschaft trifst. hm! hm!«[37]
MADAME VOGELSANG. »Rümpf du nur die Nase, ich weiß schon, was ich zu thun habe. Wenn mir einer sagt, ich soll ihm Pomeranzen ins Haus bringen, so versprech ich ihms wohl, weil er mir desto mehr zahlt, aber ich finds Haus nicht, und so behalt' ich lange eine gute Kundschafft an ihm.«
PUF. »Schau, schau! Freylich, bey Handel und Wandel kommt viel auf die Kundschaften an. Nu, weiter?«
MADAME VOGELSANG. »Das geschieht nun alles Vormittag. Nachmittag lern ich Näh'n, Putzmachen und Friesieren. In einem Jahr bin ich fertig, da leg ich denn mein Bauerngewandel ab, kleid mich nach der Mode, und komm zu einer Gräfinn als Kammerjungfer.«
PUF. »Potztausend, wie geschwind!«
MADAME VOGELSANG. »Du darfst gar nicht zweifeln, ein hübsch Gesicht wird überall recommandirt.«
PUF. »Und da fährst du also mit Kutsch und Pferden? Richtig, mit der Bagage, wenn die Herrschaft auf die Güter fährt.«
MADAME VOGELSANG. »Nein Herr Michel, ich sitz bey der Gräfinn in der Kutsche. Das ist aber alles noch nicht, was ich meyne.«
PUF. »Nicht? Hören wir also weiter!«[38]
MADAME VOGELSANG. »Nun hat mich gleich alles im Hauß zum freßen lieb. Der junge Graf streicht mir erschrecklich nach; aber den laß ich ablaufen, damit ichs mit der alten Gräfinn nicht verderbe.«
PUF. »Eine gute Ursache.«
MADAME VOGELSANG. »Aber mit dem Hofmeister von der jungen Herrschaft geb ichs ein bischen gelinder. Der kann Musik und lernt mich singen, damit ich also seine Kundschaft nicht verliere, laß ich ihn hoffen, daß ich ihn heurathen werde.«
PUF. »Wieder nur wegen der Kundschaft.«
MADAME VOGELSANG. »In zwey Jahren kann ich singen wie eine Nachtigall, da komm ich auf die Komödie als Sängerinn, und krieg's Jahr tausend Dukaten.«
PUF. »Auf die Komödie! O liebes Röschen, was fängst du an? Weist du nicht, daß die Leute nicht seelig werden?«
MADAME VOGELSANG. »Vor Alters wohl; aber nach der neuen Einrichtung kommen sie so gut in Himmel als der Schulmeister.«
PUF. »Ich hab noch keinen dort gesehen.«
MADAME VOGELSANG. »Das glaub ich, du bist auch noch nicht dort gewesen. Nun ists gar aus; itzt verliebt sich die ganze Welt in mich;[39] ich schick' aber alle spatzieren, ich weiß schon auf wen ich warte.«
PUF. »Auf wen denn?«
MADAME VOGELSANG. »Auf einen alten Kavalier. Den laß ich mir an die linke Hand antrauen; in einem Monath stirbt er, und vermacht mir eine Herrschaft, die mir des Jahrs hundert tausend Gulden einträgt.«
PUF. »Ach Röschen! Herzens-Röschen! mach mich doch hernach zum Verwalter!«
MADAME VOGELSANG eine hohe Miene annehmend. »Ihr könnt ja nicht schreiben guter Freund.«
PUF. »Ach liebe gnädige Frau, ich werds schon lernen, wenn ich nur einmal Verwalter bin. Und mit ihrem Mann werden Sie's ja auch nicht so genau nehmen.« Will sie umarmen.
MADAME VOGELSANG stößt ihn von sich. »Grober Knopf! Wißt ihr wen ihr vor euch habt?«
PUF zu sich kommend. »Potz tausend Sapperment! thust du doch als ob du schon eine Dame wärst.«
MADAME VOGELSANG sich ebenfalls erholend. »Ha, ha, ha! Gelt ich weiß mich drein zu schicken?«[40]
PUF. »Ja, ja. Wenn nur der Kavalier schon gestorben wäre!«
MADAME VOGELSANG. »Das geht alles wie ich gesagt habe. Nun was sagst du? Ist das nicht klug ausgedacht?«
PUF. »Ja ja, wenns nur alles so gienge! Aber sag mir nur Röschen (denn jetzt bist doch noch keine Dame) woher hast du denn das Zeug alles?«
MADAME VOGELSANG. »Von der alten Anne. Du weist, die hat viel gesehn, da hat sie mir denn immer so erzählt; und ich hab mir das so zusammen buchstabirt.«
PUF. »Schau Röse, ich hätte nichts dagegen. Aber, wenn nun alles so gienge, wie du sagst, wie käm' denn ich hernach an dich?«
MADAME VOGELSANG. »Das will ich dir gleich sagen: du gehst itzt mit mir in die Stadt. Annens Bruder muß dich in ein groß Haus als Kucheltrager bringen; tragen kannst du, das weiß ich; nun da lernst du daneben schreiben und lesen. In ein paar Jahren wirst du Kuchelinspektor. Nun legst du dir was auf die Seite; hernach wirsst du irgend einem Hofrath was ins Maul, der bringt dich zu einer rechten großen Herrschaft als Hofmeister. Itzt hast du schon gewonnen. Denn in der Zeit bin ich[41] schon auf der Komödie; ich geb dir mein Erübrigtes, du legst deine Sporteln dazu und leibst aus. Zwanzig vom hundert sagt die alte Anne wär' immer noch christlich. Das häuft sich nun von Tag zu Tag. Endlich braucht dein Graf ein funfzig taufend Gulden, die leihst du ihm, und er verschreibt dir seine Herrschaft. Du giebst ihm jährlich zehn tausend Gulden, und wenn er stirbt, gehört alles dein. Itzt ist gerade mein Kavalier auch gestorben. Du wirst ein Herr Von, und wir heurathen uns.«
PUF. »Ah! Rubenfikerment! Ich ein Herr Von! Nun Röse, du sollst sehn, wie ich mich patzen will. Ich will dir gewiß meinen Herrn Von vorstellen trotz einem. Da hast meine Hand drauf, ich geh mit dir, verkauf meine Wirthschaft, und werd ein Kucheltrager.«
MADAME VOGELSANG. »Aber Michel, daß du nur gescheit bist. Das erste Jahr können wir noch zusammen kommen, aber hernach müssen wir thun als ob wir uns nicht kennten.«
PUF. »Was? ich sollt' dich nicht sehen?«
MADAME VOGELSANG. »Nur heimlich; das werden wir schon ausmachen, bis du Herr Von bist und ich Wittwe; hernach gehts schon.«[42]
PUF. »Und was unterdessen vorfällt? – – Nun, geht eins mit dem andern auf.« Er nimmt sie in Arm und kehrt sich gegen die Anwesenden. Nun Herr Frank?
FRANK. Mit auserordentlich viel Natur.
MADAME VOGELSANG. Also werden Sie mir doch Engagement geben?
PUF. Können Sie noch fragen?
MADAME VOGELSANG. Nun, ich will billig seyn, achzehn Thaler die Woche.
FRANK verlegen. Madame – rechtgern –
MADAME KRONE Was! und ich soll mit Vierzehn Thalern zufrieden seyn?
PUF zu Madame Krone. Madame, Sie werden erlauben – es ist immer schwerer das Publikum mit Anstand lachen zu machen als Thränen zu erregen. Ueber das ist auch eine komische Aktrice immer brauchbarer als eine bloß tragische.
MADAME VOGELSANG. Ich habe noch einen Vorzug. Ich habe einen Mann der singen kann.
HERZ. Und ich eine Frau die singt.
MADAME VOGELSANG. Ich will meinen Mann gleich holen. Ab.
HERZ. Und ich meine Frau. Ab.
MADAME KRONE. Nein, das heißt die Kunst zu weit herabsetzen. Ab.[43]
FRANK. Warten Sie doch Madame!
MADAME KRONE. Nicht einen Augenblick.
FRANK. Da haben wirs, die Gesellschaft ist noch nicht beysammen, und die Uneinigkeit herrscht schon in vollem Maaß.
PUF. Warum sind Sie mit der Gage gestiegen. Sie treiben Sie noch auf zwanzig Thaler hinauf, wenn Sie nicht fest halten.
Ausgewählte Ausgaben von
Der Schauspieldirektor
|
Buchempfehlung
Diese Ausgabe gibt das lyrische Werk der Autorin wieder, die 1868 auf Vermittlung ihres guten Freundes Ferdinand v. Saar ihren ersten Gedichtband »Lieder einer Verlorenen« bei Hoffmann & Campe unterbringen konnte. Über den letzten der vier Bände, »Aus der Tiefe« schrieb Theodor Storm: »Es ist ein sehr ernstes, auch oft bittres Buch; aber es ist kein faselicher Weltschmerz, man fühlt, es steht ein Lebendiges dahinter.«
142 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro