Einhundertundfünfundsechzigstes Kapitel.

[243] – Da Tom eine gute Stelle hatte, Ew. Gnaden, und die Witterung warm war, so dachte er im Ernst daran, sich ein Haus zu gründen, und nun kam's gerade, daß ein Jude, der in derselben Straße einen Wurstladen hatte, an der Harnstrenge sterben mußte, und daß er eine Wittwe als Besitzerin seines blühenden Geschäftes hinterließ; so meinte denn Tom (denn in[243] Lissabon sucht Jeder, so gut er kann, für sich zu sorgen), daß es nichts schaden könnte, wenn er ihr seine Dienste anböte, das Geschäft zu führen. Damit machte er sich, ohne weiter mit der Wittwe bekannt zu sein, auf den Weg nach ihrem Laden, um ein Pfund Wurst zu kaufen; denn er dachte, wie er so ging, das Schlechteste, was mir begegnen kann, ist doch nur, ein Pfund Wurst für mein Geld zu bekommen, wenn aber Alles gut abläuft, so bin ich ein gemachter Mann und habe nicht blos ein Pfund Wurst, sondern ein Weib und einen ganzen Wurstladen obenein. –

Alle Dienstleute in der Familie, von dem ersten bis zum letzten, wünschten ihm gut Glück – Ach! Ew. Gnaden, mir ist's wahrhaftig, als ob ich ihn sähe, in seiner weißen Piquéweste und seinen weißen Hosen, den Hut ein bischen auf die Seite gesetzt, wie er so lustig die Straße hinunterschlendert, mit dem Stocke fuchtelt und für Jeden, der ihm begegnet, ein freundliches Wort und ein lachendes Gesicht hat. – Ach! ach! Tom, Du lachst nicht mehr, – rief der Korporal hier aus und sah seitwärts auf den Boden, als ob er ihn in seinem Gefängnisse anredete.

– Armer Bursche, sagte mein Onkel Toby gerührt.

– Es war so ein ehrlicher, harmloser Junge, Ew. Gnaden, wie nur je einem das warme Blut durch die Adern lief.

– Dann glich er Dir, Trim, sagte mein Onkel Toby rasch.

Der Korporal erröthete bis in die Fingerspitzen, – eine Thräne gefühlvoller Scham, – eine Thräne der Dankbarkeit für meinen Onkel Toby, – eine Thräne des Leides um seinen unglücklichen Bruder schossen ihm ins Auge und rannen leise über die Wange hinab. Auch meines Onkel Toby's Auge feuchtete sich, wie eine Lampe sich an der andern entzündet; er faßte Trims Rock (einst Le Fevers) vorn an der Brust, als ob er es seinem lahmen Beine leichter machen wollte, aber in Wahrheit um ein edleres Gefühl zu befriedigen. So stand er schweigend länger als eine Minute, dann nahm er seine Hand weg, der Korporal machte eine Verbeugung, und die Geschichte von seinem Bruder und der Judenwittwe ging weiter.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 243-244.
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