Einhundertundsiebenundsechzigstes Kapitel.

[246] – Da Tom zu der Zeit mit dem Mohrenmädchen nichts zu schaffen hatte, Ew. Gnaden, so ging er in das Hinterzimmer, um mit der Judenwittwe von Liebe zu reden, und – von dem Pfund Wurst, und da er, wie ich Ew. Gnaden sagte, ein offener, treuherziger Bursche war, dem seine Gesinnung in den Augen und auf dem Gesichte geschrieben stand, so nahm er einen Stuhl, stellte ihn ohne weitere Entschuldigung, aber doch mit der größten Höflichkeit zu ihr an den Tisch und setzte sich.

Nun ist nichts schwieriger, Ew. Gnaden, als einer Frau den Hof zu machen, wenn sie Wurst stopft. Tom fing also damit an, von Würsten zu sprechen, zuerst ganz ernsthaft: wie sie gemacht würden, was für Fleisch, für Kräuter und Gewürze man dazu nähme; dann ein bischen lustiger, was für Därme? und ob sie nicht manchmal platzten? ob die dicksten nicht immer die besten wären? und so fort, wobei er nur dafür Sorge trug, daß er das, was er über Würste zu sagen hatte, eher zu wenig als zu viel würzte, damit ihm noch etwas für später übrig bliebe.[246]

– Weil er diese Vorsicht verabsäumte, sagte mein Onkel Toby und legte seine Hand auf Trims Schulter, – verlor der Graf de la Motte die Schlacht bei Wynendale; er drang zu hastig in den Wald vor; hätte er das nicht gethan, so wäre Lille nicht in unsere Hände gefallen, noch Gent, noch Brügge, die dem Beispiel folgten. Das Jahr war schon so vorgerückt, fuhr mein Onkel Toby fort, und die Witterung war so abscheulich, daß unsere Truppen im offenen Felde hätten umkommen müssen, wenn das nicht gewesen wäre.

– Warum, Ew. Gnaden, sollten also Schlachten nicht ebenso gut im Himmel beschlossen werden als Ehen? – Mein Onkel Toby dachte nach. Die Religion neigte ihn dieser Ansicht zu, – sein hoher Begriff von der Militärwissenschaft trieb ihn auf die andere Seite. Da er also keine Antwort finden konnte, die ganz seiner Ueberzeugung entsprochen hätte, zog er es vor, gar nichts zu sagen, und der Korporal beendigte seine Geschichte.

– Als Tom bemerkte, daß er vorwärts kam, und daß Alles, was er über Würste sagte, freundlich aufgenommen ward, fing er an ihr ein bischen bei der Arbeit zu helfen; zuerst hielt er den Ring, während sie die eingestopfte Masse mit der Hand hinunterstrich, dann zerschnitt er den Bindfaden in kleine Stücke, wie's nöthig war, und hielt dieselben in der Hand, aus der sie eines nach dem andern nahm; dann gab er sie ihr in den Mund, damit sie sie selbst herausziehen könnte, wie sie sie brauchte, und so immer weiter und immer mehr, bis er sich zuletzt daran machte, die Würste selbst zuzubinden, während sie das offene Ende hielt.

– Nun müssen Ew. Gnaden wissen, eine Wittwe wird immer einen zweiten Mann nehmen, der ihrem ersten so unähnlich als möglich ist, deshalb war die Sache bei ihr schon halb beschlossen, ehe Tom noch ein Wort gesprochen hatte.

Nichtsdestoweniger machte sie einen schwachen Versuch zum Widerstand und faßte eine Wurst, aber Tom faßte gleich eine andere.

Und da sie sah, daß Toms dicker war –

So unterschrieb sie die Kapitulation, – und Tom setzte ein Siegel darauf; damit war die Sache fertig.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 246-247.
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