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[174] Als wir zu dem Stellmacher kamen, war das Haus und die Werkstatt verschlossen; es war der 8. September, das Geburtsfest der Jungfrau Maria, der Mutter Gottes.
– Tantarra – tantarra – tan – Alle Welt war zur Maie hinaus, um dort zu hüpfen und zu springen; kein Mensch bekümmerte sich um meine Bemerkungen; ich setzte mich also auf eine Bank vor der Thür und dachte über meine Lage nach. Ich hatte mehr Glück als gewöhnlich, denn noch hatte ich kaum eine halbe Stunde gewartet, als die Meisterin nach Hause kam, um[174] ihre Papilloten aus dem Haar zu nehmen und dann zur Maie zu gehen.
Die Französinnen lieben, beiläufig gesagt, die Maien à la folie, sie lieben sie noch mehr als die Frühmetten. Gebe man ihnen nur eine Maie, gleichviel, ob im Mai, Juni, Juli oder September, – die Zeit ist ihnen gleichgültig, gleich geht es los; eine Maie ist ihnen viel lieber als Essen, Trinken, Waschen, Wohnen; – und wären wir nur so höflich, Ew. Wohlgeboren, ihnen eine tüchtige Anzahl davon hinüberzuschicken (denn das Holz ist rar in Frankreich) – –
so würden die Weiber sie schon einpflanzen und darum herumtanzen (und die Männer mit), bis ihnen Hören und Sehen verginge.
Die Frau des Stellmachers kam, wie gesagt, nach Hause, um die Papilloten aus dem Haar zu nehmen. Die Gegenwart eines Mannes stört keine Toilette; sobald sie also in die Stube getreten war, nahm sie ihre Mütze ab, um anzufangen; dabei fiel eine der Papilloten auf die Erde – ich sah sogleich, es war meine Handschrift!
– Herr des Himmels, rief ich, Sie haben also meine Bemerkungen auf Ihrem Kopfe, Madame!
J'en suis bien mortifié, sagte sie. – Noch gut, dachte ich, daß sie da stecken; etwas tiefer würden sie einen französischen Weiberkopf gut in Verwirrung gebracht haben; da wäre ihm besser gewesen, ewig unfrisirt zu bleiben.
– Tenez, sagte sie, und ohne die geringste Ahnung von meinen Leiden nahm sie eine nach der andern vom Kopf und legte sie mir in den Hut; die eine war dahin gedreht, die andere dorthin. O weh! sagte ich, und wenn sie nun herausgegeben werden!
Da wird man sie noch ganz anders verdrehen!
Ausgewählte Ausgaben von
Tristram Shandy
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