Mich freut's

[95] Was fliehst Du uns mit trotzigen Mienen,

Wir sind so klug, wir sind so reich,

Es rollt die Welt auf glatten Schienen,

Was rennst Du quer durch Sumpf und Teich? –

– O, laßt die Fragen, klug verbindlich,

Laßt mir mein selbstgewähltes Kreuz,

Es bleibt Euch ewig unergründlich,

Die einz'ge Antwort ist: Mich freut's!


Mich freut's, in dieser Zeit des Alters

Zu sein mitunter ganz ein Kind

Und zickzack, wie der Flug des Falters,

Zu taumeln hin in Blütenwind.

Mich freut's, behaglich zu verstummen,

Indes geschäftig summt die Stadt.

Mich freut's, in dieser Zeit der Summen

Zu handeln um ein Rosenblatt.


Mich freut's, gestreckt im Meer' zu liegen,

Wenn dunkelgrünlich ruht sein Schacht,

Und lang mit flutendem Vergnügen

Zu schaun ins Märchenaug' der Nacht.

Mich freut im Sturme markerschütternd

Der Wehruf der gepeitschten See,

Mich freut, aus stillen Fluten zitternd,

Das Wiegenlied der Meeresfee.


Mich freut's, mit herzigen Kumpanen

In goldbesäumter Dämmerung,

Auf grünbehangnen Burgaltanen

Zu tuen einen edlen Trunk.

Mich freut's, die Brust entblößt dem Taue,

Gebettet unter Gras und Ried,

Zu schmettern weit ins Himmelblaue

Ein rechtes deutsches Heldenlied.
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Mich freut's, im Forst am Erlenteiche

Zu lauschen, wenn der Hirsch sich kühlt,

Wenn klatschend an die Binsensträuche

Das grünliche Gewoge spült.

Mich freut's, wenn Eure Glocken hallen

Und neblig wallt der Weihrauchduft,

In lichter Au' aufs Knie zu fallen,

Stillbetend in die Sonntagsluft. –


Es rollt die Welt auf glatten Schienen,

Mich freut's, zu gehn durchs hohe Gras,

Und bin ich Euch als Narr erschienen,

So denkt: es ist einmal sein Spaß!

Ihr seid für heut die Herrn der Erden,

Ich kann Euch nicht beneiden, seid's!

Ich aber möcht' ein Dichter werden,

Und meine Antwort ist: Mich freut's!

Quelle:
Moritz von Strachwitz: Sämtliche Lieder und Balladen, Berlin 1912, S. 95-96.
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