Scena III

[97] Wird aufgezogen und praesentiret den Geheimen Kriegs-Rath an einem Tische sitzend, worauf Schreib-Zeug, Papier und eine Glocke, 1. Marggraff von Baaden, 2. Hertzog von Würtenberg, 3. Stahrenberg, 4. Cappliers und 5. Liebenberg unten an, und 6. ein stummer Secretarius.


BAADEN. Hochgebohrne, HochEdelgebohrne, Gnädige und Hochansehnliche nach Standes Gebühr geschätzte Herren. Wann die unserm Allergnädigstem Kayser und Herrn schuldige Treue uns verbindet, bey gegenwärttig verhandener feindlicher Gefahr, Gut und Blut, ja alle Kräfte und Verstand anzuwenden, unser Vaterland von seinem drohenden Verderben zu erretten, und aber anjetzo das Verhängnuß uns die Glieder von dem Allerdurchläuchtigstem Haupt abgesondert, und der Erbfeind uns den Paß zu Sr. Kayserl. Mayestät Völcker verrennet, So hab ich euch Tapffere und getreue alhier versamlen laßen, umb bestens zu deliberiren, und wie man die Correspondenz mit denen unsrigen fortpflantzen möge zu concludiren.

WÜRTENBERG. So würde wohl das beste seyn, einen verständigen Geschickten und getreuen Menschen, so der Teutsch und Türckischen Sprache kundig, zu einem Unterhändler zu erwehlen, wie ich dann nicht zweifle, daß dergleichen Persohnen in unsrer Stadt sich befinden werden.

STAHRENBERG. Wann aber die Erfahrung gelehret, daß öffters aus dergleichen Kundschafftern die Anschläge einer Stadt zum großen Nachtheil derselben durch die Folter herausgepreßet worden, scheinet auch dieses gefährlich, und wäre mein Gutachten, der Sache noch einige Tage Anstand zu geben, indem Ihro Kayserl. Mayestät und dero hohe Alliirte nicht säumen werden, uns bald möglichst zu succuriren.

CAPPLIERS. Demnach aber der Feind allbereit verschiedene Minen springen laßen und auf dem Burg- Revelin – Posto zu faßen beginnet, wie nicht weniger die Stadt, auch so gar mit glüenden Kugeln beängstiget, so wäre mein unvorgreifflicher Rath, mit dem besten Kern der Mannschafft sich in ein Treffen mit dem Feind einzulassen, und womöglich sich durchzuschlagen.

LIEBENBERG. Dafern auch mir meine Meynung einem hochbestellten Praesidio zu entdecken erlaubet ist; So berichte ich gehorsamst, daß der Herr Unter-Stadt-Cammerer angezeiget, daß ein gewißer Mann alhier, welcher sowohl der Türckischen als Teutschen Sprache kundig, und wohl einen Brieff- Wechsel mit unserer Armeé führen könnte.

BAADEN. Und wo befindet sich derselbe?

LIEBENBERG. In dem Vorzimmer weil ich ihn zu dem Ende mit hergebracht, Ew. Durchlaucht und einem hochpreißl. Consilio vorstellen zu können.


Hie schellet der Praesident mit dem Glöckl: ein Page komt dazu.


PAGE. Was befehlen Ew. Durchlaucht?

BAADEN. Alsobald laße man den im vorgemach befindlichen Mann zu uns herein kommen.

PAGE. Ich gehorsame Ew. Durchlaucht.


Page ab Koltschützky komt dazu.


BAADEN. Seyd ihr derjenige, der Türckisch reden kan, und getrauet ihr euch vor einen Türcken auszugeben.

KOLTSCHÜTZKY. Ja gnädige Herren ich bin sonst von Geburt ein Raitz, und bin lange unter die Türcken gewesen, daß ich Türckisch so gut als meine Mutter-Sprach rede.

BAADEN. Und weswegen befindet ihr euch alhier zu Wienn?

KOLTSCHÜTZKY. Weil mir die Türckey wegen des Aberglaubens nicht gefallen, hab ich mich zu der Christenheit gewendet, und bin willens mich hier zu setzen.

BAADEN. Mit was erhaltet ihr euch aber, und wie ist euer Nahme?

KOLTSCHÜTZKY. Mein Nahm ist Koltschützky und hab mich sonst mit mein bißl Waar,[97] womit ich von Ungarn herauf handele, ernehret. –

BAADEN. Wann ihr redlich und getreu der Christenheit wäret, stünde euch ein Glück bevor, deßen ihr und eure Nachkommen zu genießen hättet.

KOLTSCHÜTZKY. Gestrenge Herren, wegen selben hats kein Gefahr und will auch wohl mein Vermögen davor zum Pfand setzen.

BAADEN. Sofern ihr diese Worte mit einem Eyde bekräftiget, ist man damit zufrieden, anjetzo nehmet einen Abtritt, meldet euch aber bey unserer nächsten Zusammenkunfft alwo man euch zu etwas wichtiges gebrauchen wird.

KOLTSCHÜTZKY. No So befehl ich mich derweil der hochgestrengen Gesellschaft. Abit.

BAADEN. Hochansehnliche Mittglieder, die Sache ist wichtig, welche Wir einem unbekannten anvertrauen, und wer will uns vor seine Treue Bürge seyn?

WÜRTENBERG. Die Auffrichtigkeit, die diesem Menschen aus dem Gesicht leuchtet, versichert mich, daß es an seiner Seite nicht fehlen werde, das übrige muß man der Obsorge des Himmels anbefehlen.

BAADEN. Aber was saget Sr. Excellenz der Herr Commendant dazu?

STAHRENBERG. Daß ich dem Willen Ew. Durchlaucht in allem adhaerire weil dero hohes Iudicium mir anstatt einer Richtschnur dienen muß.

CAPPLIERS. Die Sache aber leydet keinen Verzug, und jede Stunde der Versäumnuß ist uns schädlich.

LIEBENBERG. Das Glück wolle der Stadt und diesem Kundschaffter zur Seiten stehen, wie dann der Herr Unter-Cammerer vor deßen Treue gut spricht.

BAADEN. Wohlan so bleibet es geschloßen, und beruhet auf allgemeinem Rath doch weil die Zeit uns zu andern Geschäfften beruffet, so begeben wir uns von hinnen.

WÜRTENBERG. Noch wird hochnöthig seyn zu erinnern, daß nachdem verschiedene Klagen eingekommen, wie etliche Weiber zum großen Nachtheil der Stadt über die Pallisaden steigen, und mit denen Türcken handeln und umbgehen, dann auch die verstorbene Soldaten auf dem Stephansfreythoff und anderen offenen Plätzen hingeleget werden, welches denen Leuthen einen Abscheu erwecken wird, wie nicht weniger, die mit der Ruhr behafftete Krancke durch stäten Umbgang die gesunden inficieren, deßen Abstellung auf Sr. Excellenz den Herrn Commendanten beruhet.

STAHRENBERG. Ich werde zu Verhütung deßen Anordnung thun, wie ich dann auch einem löblichen Stadt-Gericht aufzuerlegen bitte. 1. die von der Burgerschafft begehrte 400 Mann alle Tage umb Vier Uhr auf dem Hoff zu stellen, 2. denen Burgern und Einwohnern anzubefehlen, die auf denen Plätzen stehende Röhr-Brunnen beiy jetzigem Abgang des Waßers durch ihr Gesinde anfüllen zu laßen, 3. daß auch die Becken das Brodt weißer und größer backen, und 5. die Wirth umb so theuers Geld beßern Wein schencken sollen.

BAADEN. Diese Decreta sollen ausgefertiget, und dem Herrn Burgermeister die Sache committirt werden.

LIEBENBERG. Ich werde der einem hochansehnlichen Collegio schuldigen Pflicht gemäß alles veranstalten.


Serini komt dazu.


SERINI. Gefahr, Gefahr, Gnädigste und hochansehnliche Herren, eine am Schotten Closter im Mayer- Hoff entstandene Feuers-Brunst setzet das Kayserl. Zeughauß in Gefahr.


Alle stehen auf und treten fürwerts.


BAADEN. Das wolle der Himmel nicht, wann das darinnen befindliche Pulver in die Lufft sprenget, so ist alles verlohren.


Tisch und Stühle weg.


SERINI. Und über dieses ist die gantze Stadt in Allarm, und der wütende Pöbel nicht zu stillen.

BAADEN. Geehrteste Mittglieder, es eyle mit mir ein jeder dem Übel zu steuren und zu wehren.

WÜRTENBERG, STAHRENBERG, CAPPLIERS, SERINI UND LIEBENBERG. Wir folgen alle, wohin es Ihro Durchlaucht dem Herrn Praesidenten gefällig.


Alle ab, wird forne zugemacht.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 97-98.
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