Scena IV

[98] Zimmer. Aloisia, Euphrosina.


ALOISIA. Das Hertz will mir vor Angst zerspringen, und eine innerliche Quaal suchet sich meiner Sinnen zu bemeistern, indem ein Nächtlich gehabter Traum mein Gemüth dergestalt beängstiget, daß ich fast außer mir selber bin.[98]

EUPHROSINA. Gnädigste Frau Mutter, Träume sind Träume, welche Kluge und behertzte Gemüther billig verlachen, ich bitte kindlich, Sie wolle durch übermäßiges Trauren nicht meine Schmertzen noch mehr vergrößern.

ALOISIA. Träume haben offtmahls nur gar zu wohl eingetroffen, so ward dem Könige Pharaone die Theurung seines Landes durch einen Traum verkündiget, als der Himmel den König Nebucadnezar seiner Hoheit entsetzte, deutete er ihm solches durch einen Traum an, hätte jener unglückseelige König Ludwig der Weißagung seines Traums gefolget, hätte er nicht in der Schlacht bey Varna sein so edles Leben eingebüsset; und also siehest du geliebte Tochter daß dieselbe nicht allemahl zu verwerffen sind.

EUPHROSINA. Jene Träume regierete die Schickung des Himmels; diesen aber etwa die aufsteigende Dünste des Geblüts.

ALOISIA. Was kan man aber gutes hoffen, da das Unglück über unserm Haupte schwebet und unser Leben nur an einem seydenen Faden hanget.


Hans Wurst im Thorsteher-Habit komt dazu.


HANS WURST. Gnädige Frau Gräffin, es ist eine Gräffin draußen, die läst sich der Gräffin gantz schön befehlen, und läst sagen, sie sey eine Gräffin.

ALOISIA. Leichtfertiger Vogel, hab ich dir nicht befohlen niemand anzumelden ohne ihre Nahmen zu wißen, hat sie nicht gesagt wer sie sey.

HANS WURST. Ja sie sagt, sie läst sich gantz schön incommodiren, und wann ihre Excellenz die Auffwarttung machten, so wolt Sie kommen und sich gantz schön befehlen.

ALOISIA. Du Narr, ihren Nahmen will ich wißen.

HANS WURST. Gräffin von Daun hat Sie gesagt.

ALOISIA. Gehe schleunig und sage daß ich ihre Gegenwart mir vor eine hohe Ehre schätze.

HANS WURST. No No ist schon recht. Gehet ab.

EUPHROSINA. Dieser meiner gnädigsten Frau Mutter Hertzens-Freundin wird unserer Betrübnuß durch ihre Gegenwart eine Linderung geben.


Adelgunda und Hans Wurst kommen dazu, drey Stühle werden gebracht.


HANS WURST. Faßen Sie mich bey der Hand, daß Sie nicht fallen, die Stiegen ist gar finster.


Hie empfanget das Frauen-Zimmer einander auf frantzösische Manier.


ADELGUNDA. Indem meine Einsamkeit mich veranlaßet, Ew. Excellenz meine schuldigste Auffwarttung zu machen, bitte ich umb Verzeihung, wann meine Kühnheit dieselbe incommodiret, oder an dero hohe Geschäffte verhindert.

ALOISIA. Daß Ew. Excellenz dero Dienerin mit ihrem werthen Zuspruch beehren wollen, erkenne ich als eine sonderbahre affection, weil mein Hertz anstatt derer Geschäffte mit lauter Traurigkeit erfüllet ist.


Alle setzen sich.


EUPHROSINA. Ew. Excellenz handeln löblich diejenigen zu besuchen, deren Vergnügung in Thränen zerschmeltzet und deren Trost keinen Anker oder Grund findet.

ADELGUNDA. Wiewohl auch bey jetzo gefährlichem Zustande mein Hertz noch schlechter Freude theilhafftig worden, so hat mich doch die Lustigkeit ihres Dieners zum Lachen bewegt.

ALOISIA. Ich will nicht hoffen, daß er Ew. Excellenz durch üble Aufführungen beleydiget.

ADELGUNDA. Nein, gar nicht, nur seine Höfflichkeit verwundert mich, indem er mich die Stiegen herauf tragen wollen, da ich doch wohl zu fuße bin.

ALOISIA. Ob er es zwar aus Einfalt gethan, so will ich ihm doch laßen 50 Prügel geben dafern es Ew. Excellenz befehlen.

HANS WURST. Nein machen Sie ihnen keine Ungelegenheit, mich durst nicht, ich hab erst mit dem Haus-Meister ä halbe umb zwölff truncken, zu dem bin ich viel zu blöde, daß ich Geschenck annehmen solt.

EUPHROSINA. Du hast wohl schlechte mores gelernet, dich also familiar und gemein zu machen.

HANS WURST. Ein Mohr, ich hab glaubt wir sind allein, ist dann ein Mohr auch noch da.

EUPHROSINA. Du Narr keine mores hast du gelernet, das will sagen gute Sitten.

HANS WURST. Sitzen, warumb solt ich dann nicht auch so gut sitzen können als der Mohr, was wolt Sies wetten. Setzt sich nieder.

ALOISIA. Ungeschliffener Flegel, wirst du doch gar unsinnig, gleich will ich dich gar aus meine Dienste stoßen.

HANS WURST. No so last eure Tochter ä fried geben, warumb sagt Sie ich kan nicht so gut sitzen als der Mohr. Stehet auf.

ADELGUNDA. Nein guter Freund, Eure Gnädige Fräulein hat gesagt, ihr habet keine gute Sitten das will sagen Höfflichkeit oder Manieren[99] an euch, seyd ihr etwa ehedeßen im Feld gewesen, dann dergleichen Leuthe pflegen sich also aufzuführen, indem sie nicht mit dem Frauenzimmer sondern denen Soldaten umbzugehen gewohnet sind.

HANS WURST. Freylich daheim habens mich allezeit die Kriegs-Gurgel geheißen und bin auch 4 wochen ein Soldat gewest.

ADELGUNDA. Warumb aber nicht länger als 4 wochen.

HANS WURST. Weil der Feld-Webel gesagt ich wär capabel, daß ichs gantze Regiment zu schanden machte, so tapffer muß er mich gehalten haben.

EUPHROSINA. Und worinnen ist diese deine Tapfferkeit bestanden.

HANS WURST. Selben mahl als der Moscowiter Saltzburg belagert hatte, da habens mich auf dem Land geworben und auf die Schildwacht gestellt; bey der Nacht kommen über 100 daher gelauffen, ich fang an zu schreyen Corporal heraus, ja der hat geschlaffen, ich fang wieder an zu schreyen: bleibts zuruck biß ich meine Cammeraden aufweck, aber die sind allezeit fortgeloffen, endlich hab ich geschoßen, bald darauf komt der Halter und blaßt Lärmen, ich hätt ihm ä Sau todt geschoßen, und wann ich den Bauern nicht durchgangen wär, sie würden mir den Puckel recht treuhertzig ausgewaschen haben.

ALOISIA. Wann du bey mir keine beßere Schildwacht seyn wirst als damahls so bist du mir wenig nütze; Aber anjetzo nim diesen Brieff, trage ihn zu meinem Gemahl, vermelde dabey, daß ich seinenthalben in Tausend Sorgen lebe, und wünsche ihm bald zu sehen. Gibt ihm den Brief No. 5.

HANS WURST. No, No ist schon recht Frau Gräffin – – Aber a propo wann der Hausknecht – sagens ihm doch, er soll sich nur ä Weil niedersetzen, biß ich komme, er hat mich bestelt, ich soll mit ihm Dame ziehen. Gehet ab.

ADELGUNDA. Dieser Kerl ob er gleich von grober Art, so ist er dennoch lustig, und wundert mich daß da jedermann voll Furcht und Sorgen, er dennoch fröhlich und aufgeräumt seyn kan; Aber gnädiges Fräulein, wie so in tieffen gedancken, als der ich dieselbe ehedeßen bey fröhlicherm Gemüthe zu sehen die Ehre gehabt.

EUPHROSINA. Wie solte doch einige frölichkeit bey mir stattfinden, da mein Herr Vater in Gefahr, und meine Frau Mutter in Sorgen lebet. Sophia dazu.

SOPHIA. Ach Ihro Excellenz wollen sich nicht erschrecken, der Feind hat viel Bomben in die Stadt herein geworffen, wodurch eine große Feuers Brunst entstanden, der Pöbel lauffet gantz rasend durch alle Gaßen und wann nicht eine so gute Wache vorhanden, würden sie gewißlich die Häuser stürmen.

ALOISIA. Ach Himmel was fangen wir an, dafern das Feuer überhand nimmt; Und an welchem Orth ist es?

SOPHIA. Dieses weiß ich nicht.

ALOISIA. Laßet uns uns in Sicherheit begeben, und in die innersten Zimmer verfügen.

ADELGUNDA. Ihro Exzellenz es hat keine Gefahr nicht, dann wir seynd alhie sicher genug.


Alle stehen auf, die Stühle werden weggetragen.


EUPHROSINA. Aufs wenigste gnädigste Frau Mutter laßet uns sehen ob es unserm Hause nahe, und das Feuer uns einigen Schaden zufügen kan.

ALOISIA. Dieses beruhet auf Ihro Excellenz meiner hochwerthen Freundin, ob dieselbe uns zu begleiten beliebet.

ADELGUNDA. Ich folge wohin es Ew. Excellenz gefällig.


Alle gehen ab.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 98-100.
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