Dritter Auftritt.

[195] Der Capitain und die Vorigen.


WOHLAU. Sage mir, Hauptmann, was fangen wir mit dem eigensinnigen Mägdchen an? da ist nicht mit auszukommen ich habe süßes und saures versucht, ich komme nicht aus der Stelle.

DER CAPITAIN spöttisch. Ey nicht doch, Bruder, Sie ist ja so ein gutes gehorsames Kind, Sie hat ja jederzeit deine Wünsche[195] von ferne errathen, Sie hat sich ja immer durch die Vernunft lenken lassen.

WOHLAU. Das hat Sie auch, aber nunmehro ist das vorbey, es ist als wenn ihr der Junge den Kopf verrückt hätte, und ich weiß keinen Rath mehr.

DER CAPITAIN. Nimm es mir nicht übel, Bruder – aber mich hohl der Henker, wenn es mir nicht warm um die Ohren wird, wenn ich an das nasenweise Mägdchen, und an deine kindische Aufführung denke –

WOHLAU. Nun Herr Capitain – etwas gelassener, ich begehre deinen guten Rath, und keine Schimpfreden.

DER CAPITAIN. Und hilft bey dir ein guter Rath –? ja hier hinterm Ofen, da können wir die Stirne in Falten ziehen, die Zähne zusammenbeißen, und die Arme in die Seite setzen, aber wenn das Ding er scheint – wenn Sie zu winseln anfängt, dann ist die Courage fort, da ists das arme Mägdchen, und das arme Kind, Gott weiß was es alles ist. – Eine Närrin würde Sie seyn, wenn Sie dir gehorchte. Sieh hier Bruder – willst du mir folgen, so sage der Dirne ins Gesicht, daß Sie ein leichtfertiges Stück ist, daß Sie sich an einen Bettler[196] gehängt hat, der sich vielleicht jetzo um den Galgen verdient macht, und wenn Sie nicht pariren will Maulschellen, eingesperrt, bey Wasser und Brod – Ich schwöre dir, in zwey Monathen soll Sie zahm werden: krumm wollte ich Sie schließen lassen, wenn Sie meine Tochter wäre.

FRAU VON WICHMANN. Dem Himmel sey Dank, daß Sie es nicht ist – und daß du keine Kinder hast, die schöne Zucht die das geben würde.

DER CAPITAIN. Zucht sagen Sie Madame? Zucht? bey meiner armen Seele – ich habe Kerls gezogen mit Schnurrbärten bis an die Ohren, Kerls die im Feuer stunden, wie die Mauren, und sollte so ein Ding nicht zur Raison bringen? gebt mir Sie her – nur des Wunders wegen, nur auf acht Tage, wie einen Recruten will ich Sie abrichten, unter dem Gewehr soll Sie mir stehen, Rechts und Links soll Sie machen, und wenn ich Ihr einen Corporal zum Manne geben will, wie Ihro Gnaden befehlen, soll Sie sagen.

WOHLAU. Sachte, sachte Herr Bruder, so ist die Sache nicht gemeynt, es ist wahr, das Mägdchen könnte mich aufbringen ein wenig härter mit Ihr zu verfahren,[197] aber da sind doch noch andere Mittel mit deiner Erlaubniß – zumal bey einem Kinde, das keiner Härte gewohnt ist.

DER CAPITAIN. Und ich will ein Schurke seyn, wenn du mit deinem Hätscheln etwas Kluges aus dem Weibsbilde machst; und was sind denn das für andere Mittel? Ich denke ein ergrimmtes böses Gesichte? das mag fürchterlich genug aussehen, das arme Kind, ich möchte nicht an ihrer Stelle seyn, aber wenn Sie etwa mit Ihren Thränen kommen sollte, Herr Bruder? die ihr zu Gebot stehn, wenn Sie Lust hat – wie denn? so stehn wir da, wie die Tropfen, so verlieren wir den Kopf, so machen wir ein falsches Manoeuvre, – und so sehn wir uns nach der Flucht um: – ja wer sich durch Thränen erweichen ließe, hier muß Eisen seyn, Mann – und kein weibisches weiches Herz – Ordre muß die Dirne pariren – oder ihr Vater versteht den Dienst nicht. Was den Jungen betrift, der soll sich endlich wohl die Lust vergehen lassen, denn ich habe ihm ein Briefgen geschrieben, das ihm das Maul zusammenziehen soll.

WOHLAU. Wie kommst du dazu ihm einen Brief zu schreiben?[198]

DER CAPITAIN. Hatte der Schurke nicht die Frechheit mir eine ganze schriftliche Predigt zu halten, mich zur Sanftmuth gegen die Fräulein Julie zu ermahnen, und was des Zeuges mehr war, ja ich glaube, Gott vergebe mir, er drohete hier und da, aber ich habe ein solches Sendschreiben an ihn erlassen, er wird sich nicht satt dran lesen können.

FRAU VON WICHMANN. Einen von deinen unmanirlichen Briefen, ich wette – das hättest du nicht thun sollen, Bruder, du wirst den armen Menschen zur Verzweiflung bringen.

WOHLAU. Was hast du ihm denn geschrieben? wer hat dich darum gebethen? die Wahrheit zu sagen, das hätte sehr gut unterbleiben können.

DER CAPITAIN. Sie reden Herr Bruder, als wenn Sie es sehr gut verstünden; und ich sage dir, mit deiner Erlaubniß, daß nichts so vernünftiges in der ganzen Sache geschehen ist; und ich bin noch glimpflich genug mit dem Burschen umgegangen, denn ich habe ihm in aller Höflichkeit angedeutet, daß ich ihn ins Zuchthaus stecken lassen will, daß ich ihm Steckbriefe nachschicken will, und daß er in keinem Winkel der Welt sicher seyn soll.[199]

WOHLAU. Das war allzu hitzig Bruder, der Mensch könnte zu einer schlimmen Entschließung gebracht werden.

DER CAPITAIN. Könnte er? wenn er recht toll im Kopfe wird? – und kein Mitleiden mehr erwartet, so könnte er vielleicht auf den einzigen klugen Gedanken gerathen, dem Kalbfell zu folgen und noch ein braver Kerl zu werden. Du siehst Bruder, daß ich es so schlimm nicht mit dem Jungen meyne, unter der Fuchtel wird ihm der Kützel schon vergehn, wenn man es recht mit ihm angreift, so kann noch etwas aus ihm heraus gefuchtelt werden.

FRAU VON WICHMANN. Bewahre Gott – was das für Anschläge sind – der arme junge Mensch – das ist unerhört grausam von dir Bruder, Er ist unser Vetter!

DER CAPITAIN. Wenn unsre Base ein liederliches Mensch wäre, wolltest du Sie wohl auf den Händen tragen? Es ist Liebe für einen Taugenichts, wenn man sich mit seiner Zucht abgiebt. Lassen Sie mich nur machen, Frau Schwester, gehangen wäre nicht zu viel vor den Bösewicht, der einem ehrlichen Mann seine Tochter verführt.[200]

WOHLAU. Nu nu, hätte der Junge das Unglück nicht in meinem Hause angerichtet, so sollte es ihm nicht übel gegangen seyn, denn er ist sonst ein ehrlicher Kerl. Indessen wir müssen ein Ende aus der Sache machen, willst du nicht meine Tochter rufen, Schwester? ich muß wirklich dem Mägdchen ein paar ernsthafte Worte sagen.

FRAU VON WICHMANN. Ich beschwöre dich Bruder, dringe nicht tyrannisch in Sie, du weißt, wie eine zärtliche Creatur Sie ist, Sie ist so schon krank und abgehärmt genug. Sie würde es nicht aushalten – wenn wir durch Zeit und Geduld nichts mit Ihr ausrichten, durch Härte und Uebereilung fürchte ich, machen wir Sie immer elender, und erreichen unsere Endzwecke doch nicht.


Geht ab.


Quelle:
Peter Helfrich Sturz: Schriften. Band 1, Leipzig 1779–1782, S. 195-201.
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