Sechste Szene

[23] Die Vorigen ohne Arratos.


LYKON.

Du schweigst?

Du starrst mich an? ... Du gehst nicht gerne heim?

PHILARETE.

Doch wohl! – Es muß ja sein. Es muß wohl sein,

Daß wir nun Abschied nehmen.

LYKON.

Abschied nehmen?

Was sollen uns die großen Worte? Morgen,

Zur Abendzeit – in Jauchzen eingehüllt –

Auf Purpurwolken ...

PHILARETE.

Kinder, sehet euch

Den Vater an. Macht Wachs aus euren Seelen –

Und drücket seine Züge tief hinein;

Denn heute – seht ihr ihn – zum letztenmal.

LYKON.

Was?! – Philarete?!

PHILARETE.

Tränen hab' ich keine.

Von Klagen hörst du nichts. Und meinen Gram

Empfang' ich heut' in aufgetanem Herzen,[23]

Wie Menschen sonst der Götter Sonnengabe.

Ich will ihn hegen als mein Köstlichstes.

Ich will, so schwör' ich dir, das wenige,

Das mir vom Leben schmerzhaft übrig bleibt,

Vor deinem Bildnis opfernd niederlegen.

Nicht Witwe, Priesterin will ich dir sein.

LYKON.

So spricht ein Weib, das Traumgesichte sah

Und falsch sie deutet ... Freilich – Kinderspiele

Sind's nicht, die auf uns warten. Mancher Speer

Geht seine Bahn, und ...

PHILARETE.

Gnädig sei, Geliebter –

Und laß mich eins nur fühlen, daß ich deiner

Nicht unwert war.

LYKON.

Mein Weib! Mein edles Weib!


Sie halten sich umschlungen.


PHILARETE sich lösend.

Nun schilt mich, daß ich eigensüchtig bin

Und die vergaß, die mit gerechtrem Anspruch

Als ich um deine Liebe betteln.

LYKON scheinbar leicht.

Kinder,

Wenn's etwa länger dauert als bis morgen,

Daß wir uns –


Ausbrechend.


Kinder – meine – meine –!


Er herzt sie.


Quelle:
Hermann Sudermann: Der Bettler von Syrakus. Stuttgart und Berlin 2-51911, S. 23-24.
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