[43] Thorringer. Die Vorigen.
ALBRECHT entsetzt, eilt ihm entgegen. Wie! Kaspar der Thorringer? – Edler Ritter! wie kommt Ihr her? was soll das?
THORRINGER. Von Seefeld, wo ich ruhte, ritt ich nach Regensburg mit meinem Georg, der zum ersten Male turnieren sollte; wollt', ich wäre zu Hause geblieben! – da sagt' ich so vorher zu meinem Knaben: »Es ist Zeit, daß du dich zeigst; ich will dich hinführen zum Turniere, wo du die teutschen Ritter wirst versuchen können, da sollst unsern gnädigen Herrn Albrecht sehen, den tapfern Mann, der einst dein Feldherr sein wird: kann sein,[43] daß er deinem Vater zuliebe einmal gegen dich rennt« so sagt' ich – und was mußte ich sehen, gnädiger Herr!
ALBRECHT. Einen mißhandelten Sohn, einen entehrten Ritter.
THORRINGER. Und warum?
ALBRECHT. Weil er nicht entsagen wollte dem Weibe, das er liebet.
THORRINGER. Und wen liebt er?
ALBRECHT. Die ihm von oben herab bestimmt war, die seiner würdig ist, aber Vorurteil tief unter ihn setzt! er aber rächen wird am Vorurteile, und an denen, die es verblendet.
THORRINGER. Das ist Albrechtens Sprache, fester Mut, mannlicher Ton; aber, gnädiger Herr! ich hab' in meinem Leben nie geschmeichelt, auch die Wahrheit den Fürsten schon mit dem Schwerte verkündiget. Wenn's Eure Sprache noch ist, so verkenne ich Euern Geist und Euer Herz. Gewohnheiten und Gebräuche, Volksklassen und Stammordnungen, die das Reich erkennt; die es von den Teutonen erbte; denen ihr, Agilolfinger! eure Rechte über uns Bayern zu danken habt; die zur Rittersitte geworden: die sollen euch verehrliche, unverbrüchliche Gesetze und nicht Vorurteile sein. Ich darf Euch nicht erst sagen, wie notwendig die Bürgerklassen, wie unentbehrlich der Adel einem freien Staate wie Teutschland; wie wesentlich die Reinigkeit des Bluts und der Stammfolge bei Fürsten und Rittergeschlechtern sei? – Nun, Ihr seid ein Teutscher, ein Wittelsbacher, ein Ritter, geboren zum Throne; und Ihr wolltet des Reiches Gesetze, das Gesetz, wodurch Ihr Ritter und Herzog seid, brechen? – Ihr seid geboren, Unterthan der Gesetze, sie zu befolgen und zu handhaben, nicht sie zu beurteilen; Ihr seid geboren ein teutscher Fürst, eine Stütze des Reiches zu sein, nicht seine Grundfesten zu erschüttern; – Ihr seid geboren, ein bayerischer Herzog, Richter einer Nation zu sein, nicht nach umgestoßenen Gesetzen ihr Despote zu werden oder des Aufruhrs Beispiel zu geben: so solltet Ihr denken! – Und sei es auch, ich will Agnesen alle Vorzüge ihres Geschlechtes eingestehen; erkennen die entnervende Macht der Liebe auf einen Jüngling; den Zauber einer edlen schönen Bildung; das Unwiderstehliche, das in der Gegenliebe zu liegen scheint; ich will noch mehr thun; ich will sagen, daß die Tugend und das holde Wesen der jungfräulichen Unschuld edlen Herzen am gefährlichsten und eben diese dem Eindrucke der Liebe am offensten seien: das ist dann alles, was[44] Ihr Wesentliches sagen könnt. Aber, gnädiger Herr! ist's genug an Agnesens Tugend und Reize? und an Eurer Liebe? und könnt Ihr Bayern eine Herzogin und Fürstenmutter, wie Euren Sinnen ein Mädchen geben? – und wenn keine Gesetze wären – bleibt Euch kein Herz mehr für einen Vater, der auf Allings Schlachtfelde mit seinem Blute Euch aus den Feinden gerettet? den Lorbeer um Euer Haupt befestiget? den Ihr nun kränket, und dessen graues Haar Ihr in Schande begraben wollt? – kein Herz mehr für Euer Vaterland, das Ihr mit Kriegsmut erobern, nicht erben; eher verheeren, als mit friedlichem Scepter gesetzmäßig regieren wollt? Habt Ihr es darum mit mächtigem Arme beschützt? und als das Volk Euch als Siegern seiner und der Religionsfeinde zujauchzte, hätte es ahnden können, daß Ihr einst über selbes, über Vaterland und Gesetze selbst Sieg jauchzen wolltet? Wie könnte Albrecht die braven Männer, die ihm sein Erbland schützen halfen, die unter ihm für Bayern kämpften, nun hinführen zum schmählichen Tode, zum gottlosen Kampf gegen Vater und Herzog? und hinströmen lassen auf vaterländischem Boden, Ritter- und bayerisches Blut, um den Besitz eines Bürgermädchens? – Vergebt, gnädiger Herr! dem alten Manne die vielen Worte und dem Thorringer die Hitze im Ausdrucke; Wahrheit hat ihren eigenen Ton und bei des Vaterlands Sache wallt noch immer mein Blut, und jede Senne spannet sich verjüngter. – Eures Vaters Antrag ist billig, ist Euch rühmlich; alles ist wieder gut gemacht dadurch.
GUNDELFING. Und hättet Ihr auch weitere Forderungen; wolltet Ihr die Ehe mit Annen von Braunschweig nicht gleich schließen; – auch das; nur kommen zu Eurem Vater, Euch aussöhnen mit ihm.
ALBRECHT. Thorringer! Gundelfing! – ha! wär' ich in Augsburg nie gewesen!
GUNDELFING. Das wird vorüber gehen, glaubt mir! die heftigste Leidenschaft ist die kürzeste.
THORRINGER. Und was ist denn endlich auch Leidenschaft gegen Pflicht und Ehre? der einzelne Mann gegen sein Vaterland?
ALBRECHT. Es ist vorbei! – Nur zween Wege sind übrig.
THORRINGER. Der Ehre oder der Schande; der Pflicht oder des Verrats.
ALBRECHT. Nein! Ausnahme der Gesetze werden durch Kriegsmacht, oder entsagen dem zu hart bedungenen Erbe?[45]
THORRINGER. Also Bayern an das Mädchen tauschen?
ALBRECHT. Nicht mehr Mädchen! – mein Weib, von Priesterhand, vor Ritterzeugen!
THORRINGER. Gnädiger Herr! lebt wohl –
ALBRECHT. Bleibt, bleibt, Thorringer!
THORRINGER. Und was soll ich noch? Auf Eures Vaters Bitte kam ich, Euch zu sprechen; ich sprach; zu spät! Ich kehre nach meiner Feste, und bedaure Euch –
ALBRECHT. – und verachtet mich?
THORRINGER. Wenn Ihr Euer Vaterland bekrieget, ja! und so wird's jeder gute Bayer.
ALBRECHT. Verachtet? – und wenn ich die heiligsten Schwüre bräche; wenn ich die Tugendhafte entehrte; wenn ich zur Hure vor der Welt machte, die ich vor Gottes Angesichte zum Weibe nahm; wenn ich doppelt meineidig hinging, eine andere zu betrügen? wenn ich kriechend dem undankbaren Ernst für den entehrenden Schlag dankte? wenn der Böhmen Sieger demütig vor seines Vaters Räten sich schmiegte; wenn ich die Ritter, die mir folgten, ihrer Rache preisgäbe; wenn ich Herz und Gefühl, und Liebe und Treue, und Ehre und Religion verleugnete? dann wär' ich so ein Fürst, ein Held, nicht wahr? – Ha! verdammtes Unding, eure Ehre, eure Fürstenpflicht!
THORRINGER. Gnädiger Herr! Ihr vergesset, daß Ihr mit einem Manne sprecht, der eine Leidenschaft bedauren kann, aber Thorheiten nicht hören mag – Vergebt mir, und laßt mich –
ALBRECHT. Zürnet nicht, alter, braver Rittersmann! antwortet und ratet.
THORRINGER. Ich antworte, Ihr habt eine Unglückliche gemacht, die Zeit wird es lehren: ich rate, unterwerft Euch Eurem Vater, und erwartet seine Befehle; nur er kann und soll jetzt entscheiden.
ALBRECHT. Ist das Euer Rat? mein Vater? der Gefühllose! o, Agnes! was wäre dein Schicksal!
GUNDELFING. Euer Weib zu bleiben; nie Herzogin, nie der Herzoge Mutter zu werden.
ALBRECHT. Gundelfing! bliebe sie es? seid Ihr mir Bürge dafür?
GUNDELFING. Wenn Ernstens erster Zorn vorüber ist, ja! so denk ich.
THORRINGER. Und Ihr wollt Herzog bleiben?[46]
ALBRECHT. Ja, oder –
THORRINGER. Also keine Fehde.
ALBRECHT. Dann nicht.
THORRINGER. Wille des Verbrechens ist auch Verbrechen. Danket die Unvorsichtigen ab, die Euch von Regensburg folgten; noch weilen sie um Voheburg.
ALBRECHT. Daß ich mich bloßgäbe? daß Ernst dann handle, wie er wolle, und jede Gewalttätigkeit übe?
GUNDELFING. Das wird er nicht; er ist auch Vater; das habt Ihr eher erfahren; er wird's sein, wenn Ihr Sohn bleibt, und Eure Großmut wird nicht unvergolten sein.
ALBRECHT. Wenn er aber mißbrauchte die Macht, die ich ihm lasse? wenn –
THORRINGER. Dann werdet Ihr Schutz und Mittler in denen finden, die nun Eure Feinde werden müßten. Aber Agnes nimmermehr Herzogin!
ALBRECHT. Aber ich Herzog und ihr Gemahl!
GUNDELFING. Gilt's?
ALBRECHT. – Meine Kinder! – – nun wohl! sie werden darum glücklicher sein, daß sie keine Fürsten werden! – nur noch der Schimpf –
GUNDELFING. Wenn Ihr sie behaltet; wann Ihr Fürst bleibt, ist's nicht genug?
ALBRECHT. Nun! es gilt.
GUNDELFING. Eure Hand drauf und Euer Wort.
ALBRECHT. Hier –: bringt mir bald Antwort.
GUNDELFING. Morgen, wenn's sein kann.
THORRINGER. Und Eure Leute werden verabschiedet?
ALBRECHT. Thut es, Thorringer! Euch ist's Ernst schuldig.
THORRINGER. Gottlob! so kostet's nur ein Leben mehr.
ALBRECHT. Wie? wessen?
THORRINGER. Eurer Agnes. Merkt's Euch, gnädiger Herr! was ich nun sage – und dann gehe ich. Wenn auch jetzt alles gut ginge, so werdet Ihr ihrer müde werden; das Feuer wird verrauchen; aus der Asche der Fürstenstolz aufleben; mit jedem Sohne wird sie Euch Reue gebären; Ihr werdet sie verachten; Kummer und Schande werden sie töten; gut für sie, wenn's noch so geht. Lebt wohl! haltet Euer Wort! nochmal, vergebt meiner Freimütigkeit; ich sprach nie anders.[47]
ALBRECHT. Umarmet mich, Thorringer! daß ich's sehe, daß ich noch Ritter bin.
THORRINGER. Die Umarmung eines Freundes; der Segen eines Greises über Euch – Lebt wohl!
GUNDELFING. Morgen komm' ich wieder.
ALBRECHT. Geht und bringt mir Ruhe, Ehre und Glück wieder.
Alle ab.
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