Dritter Auftritt.

[52] Agnesens Gemach.

Albrecht. Agnes. Hans Zenger. Percifal Zenger.


PERCIFAL ZENGER. Das ist verdächtig! höchst verdächtig!

AGNES. Jede Eure Abwesenheit ist mir schon Unglück.

PERCIFAL ZENGER. Nein, das kann nicht angehen! wir müßten Verräter sein, wenn wir dazu rieten.[52]

HANS ZENGER. So sanft spricht Ernst nicht, wenn er wahr spricht; und das beschließt kein Rat, in welchem der Vicedom von Straubingen sitzt.

ALBRECHT. Aber sollte denn Religion nicht den aufbrausenden Stolz niederschlagen? sollte mein Vater nicht auch Mensch sein? ein Herz haben? sich doch einbilden können, was ich fühle? bin ich denn nicht sein Sohn? hat er nicht schon sein Leben für meines gewagt?

PERCIFAL ZENGER. Gnädiger Herr! damals galt's Euch, Euer Leben, seinen Sohn. Aber jetzt –

ALBRECHT. Gilt's mehr als mein Leben.

HANS ZENGER. Das denkt Ernst nicht; er kann's nicht: es läßt sich nicht denken, nur empfinden, und das nur von Euch.

AGNES. Was sollte er denn wollen mit mir? mit einem harmlosen Weibe? das nicht schuf ihr Herz; sich nicht gab ihre Liebe: Gegenliebe freilich nicht verdiente; freilich doch wünschte, aber nicht suchte; die das ward, wozu sie Gott, er allein bestimmt hatte, und das sie bleiben muß, bis sie nicht mehr ist.

PERCIFAL ZENGER. Oh! es giebt der Ränke und Schwänke viel in Gesetzbüchern; und wer hat je der Fürsten Gesetzbuch gelesen?

ALBRECHT. Ich bin auch ein Fürst und kenne die Gesetze, die uns Gott ins Herz schrieb, als er uns schuf; worüber er zum Wächter das Gewissen setzte. – Wenn auch der ganze Rat dawider sich empörte, wird mein Vater die Stimme des Blutes nach verbraustem Sturme der Leidenschaft hören, so wie ich nun die höre der kindlichen Pflicht. Man kann zürnen über einen Vater, aufstehen gegen seine Gewalt; aber nur ein Verruchter kann dem Segensblicke des ausgesöhnten Vaters widerstehen.

HANS ZENGER. Ihr verdientet, gnädiger Herr! einen Vater zu haben mit einem Herze wie Ihr.

ALBRECHT. Und das hat er.

PERCIFAL ZENGER. Schöner Beweis, den er Euch auf dem Turnier gab.

ALBRECHT. Noch deutlicher der bei Alling. Lang regieren und nicht stolz sein; immer befehlen und nicht heftig werden, könntet ihr das? – Nein, Agnes! ich will schuldlos bleiben. Von Ernstens Rittern, Gewalt und Heere hätte ich dich erkämpft; ich kenne keine Gewalt, als die aufs Herz wirket, und leide keine andere: aber von meines Vaters Gnade will ich dich gerne haben;[53] dann wird Friede in meinem Busen wohnen, und Segen über uns schweben, und ganz uns werden die Wonne der Liebe.

AGNES. Der Vater, der Euch zeugte, kann kein Tyrann sein, kann nicht betrügen. Geht! vollzieht seine Befehle und kommt bald wieder. – Gott! wenn du mir Glück vorbestimmtest, warum ist die Ahndung davon mir so schauerhaft?

ALBRECHT. Liebe! es ist freilich anders im Fürstenstande, als in der ruhigen Klasse, in der du geboren wardst; doch du hast mein Herz, des Herzogs Wort, diese Männer und Freunde für dich, fürchte nichts.

PERCIFAL ZENGER. Also fort, gnädiger Herr, soll's gewagt sein?

ALBRECHT. Nicht gewagt. Ich soll's und ich will's.

HANS ZENGER. Nun, merkt's Euch; wir haben keinen, keinen Teil daran, und uns trifft nie ein Vorwurf. Vorsicht werdet Ihr doch nicht auch ausschließen?

ALBRECHT. Und welche?

HANS ZENGER. Eine Schloßwache biet' ich auf, und die zween da draußen kommen mir nicht weg, bis Ihr wieder da seid. Das thu' ich für mich, als Pfleger hier, und solltet Ihr's auch nicht wollen.

ALBRECHT. Wie? meines Vaters Gesandten gefangen halten?

ZENGER. Sie werden gerne bleiben, wenn ihr Auftrag redlich ist; und ist er's nicht; so ist durchaus notwendig, sie als Geiseln zu behalten, und wer weiß, was dann alles ihr Aufenthalt hier verhindert?

PERCIFAL ZENGER. Einen Tag können sie ja wohl zechen hier; und in anderthalb längstens seid Ihr so wieder da.

ALBRECHT. Wenn sie's freiwillig thun, sei es, laßt sie kommen.

HANS ZENGER. Ich gehe, und ein funfzig Knechte will ich auch bald haben. Ab.

AGNES. In anderthalb Tagen!

ALBRECHT. Aber dann!

AGNES. Dann! – jenseits des Grabes ist auch ein Dann!

ALBRECHT. Und das wird heißen: »Nach ruhig durchlebten Jahren einer wonnevollen Ehe; nach gezeugten Kindern der tugendhaften Liebe, nach erfüllten Fürsten- und Menschenpflichten –: dann ist es herübergekommen über das Grab, das Paar Albrecht und Agnes,« übermorgen ist das Dann – Freude, Genuß und Segen.[54]

AGNES. Unglaublich bleibt mein Innerstes, und meine Ahndung spricht dazu nicht Amen! – Laßt mich weg; ich mag sie nicht sehen, die Botschafter. Ihr nehmt doch Abschied?

ALBRECHT. Ich komme; aber kein Abschied. Übermorgen bin ich wieder da, liebe Traurende!

AGNES. Übermorgen? und was, was ist morgen? Ab.


Quelle:
Das Drama der klassischen Periode. Herausgegeben von Dr. Adolf Hauffen, Band 1, Stuttgart [o.J.], S. 52-55.
Lizenz:
Kategorien: