|
[80] Gorgo.
Ist Praxinoa drin.
Eunoa.
O Gorgo, wie spät! Sie ist drinnen. –
Praxinoa.
Wirklich! du bist schon hier? – Nun, Eunoa, stell' ihr den Sessel!
Leg' auch ein Polster darauf.
Gorgo.
Es ist gut so.
Praxinoa.
Setze dich, Liebe.
Gorgo.
Ach! halbtot, Praxinoa, bin ich! Lebensgefahren
Stand ich aus, bei der Menge des Volks und der Menge der Wagen!
Stiefel und überall Stiefel, und nichts als Krieger in Mänteln!
Dann der unendliche Weg! Du wohnst auch gar zu entfernt mir.
Praxinoa.
Ja, da hat nun der Querkopf ganz am Ende der Erde
Solch ein Loch, nicht ein Haus, mir genommen, damit wir doch ja nicht
Nachbarn würden: nur mir zum Tort, mein ewiger Quälgeist![81]
Gorgo.
Sprich doch, Beste, nicht so von deinem Dinon; der Kleine
Ist ja dabei. Sieh, Weib, wie der Junge verwundert dich anguckt!
Lustig, Zopyrion, herziges Kind! sie meinet Papa nicht.
Praxinoa.
Heilige du! ja, er merkt es, der Bube. – Der liebe Papa der!
– Jener Papa ging neulich (wir sprechen ja immer von neulich),
Schmink' und Salpeter für mich aus dem Krämerladen zu holen,
Und kam wieder mit Salz, der dreizehnellige Dummkopf!
Gorgo.
G'rade so macht es der meine, der Geldabgrund Diokleidas!
Sieben Drachmen bezahlt' er für fünf Schafsfelle noch gestern:
Hundshaar, schäbige Klatten! nur Schmutz, nur Arbeit auf Arbeit!
– Aber nun lege den Mantel doch an, und das Kleid mit den Spangen!
Komm' zur Burg Ptolemäos', des hochgesegneten Königs,
Dort den Adonis zu sehn. Etwas Prachtmäßiges, hör' ich,
Gebe die Königin dort.
Praxinoa.
Reich macht bei den Reichen sich Alles.
Gorgo.
Wer was gesehn, kann dem und jenem erzählen, der nichts sah.
Komm, es ist Zeit, daß wir gehn.
Praxinoa.
Sei's! Stets hat der Müßige Festtag.
Eunoa, nimm mein Gespinst. So leg' es doch, Träumerin, wieder
Mitten im Zimmer da hin! Weich liegen die Katzen ja gerne.
Rühr' dich! Wasser geschwind! – Nein, Wasser ja brauch' ich am ersten!
Bringt sie mir Seife! Nun, gieb! – Halt' ein – Unmäßige! Gieß' doch[82]
Nicht so viel! Heillose, was mußt du den Rock mir begießen!
– Jetzt hör' auf! Wie's den Göttern gefiel, so bin ich gewaschen,
Nun, wo steckt denn der Schlüssel zum großen Kasten? So hol' ihn.
Gorgo.
Einzig, Praxinoa, steht dies faltige Spangengewand dir.
Sage mir doch, wie hoch ist das Zeug vom Stuhl dir gekommen?
Praxinoa.
Ach! erinn're mich gar nicht daran! Zwei Minen und drüber,
Bar; und ich setzte beinah' mein Leben noch zu bei der Arbeit.
Gorgo.
Aber auch ganz nach Wunsche geriet sie dir.
Praxinoa.
Wahrlich, du schmeichelst.
– Gieb den Mantel nun her, und setze den schattenden Hut mir
Auf nach der Art. Nicht mitgehn, Kind! Bubu da! das Pferd beißt!
Weine, so lange du willst; zum Krüppel mir sollst du nicht werden. –
Gehn wir denn. – Phrygia, spiel' indes mit dem Kleinen ein wenig;
Lock den Hund in das Haus und verschließ' die Thüre des Hofes. –
Götter! o welch' ein Gewühl! Durch dieses Gedränge zu kommen,
Wie und wann wird das gehn? Ameisen, unendlich und zahllos!
Viel Preiswürdiges doch, Ptolemäos, danket man dir schon,
Seit bei den Himmlischen ist dein Vater. Es plündert kein schlauer
Dieb den Wandelnden mehr, ihn fein auf ägyptisch beschleichend,
Wie vordem aus Betrug zusammengelötete Kerle,
All' einander sich gleich, durchtriebenes, freches Gesindel!
– Süßeste Gorgo, wie wird es uns gehn! Da kommen des Königs
Prunkpferd', siehst du? – Mein Freund, mich nicht überritten, das bitt' ich! –
Ha, der unbändige Fuchs, wie er bäumt; Du verwegenes Mädchen
Eunoa, wirst du nicht weichen? Der bricht dem Reiter den Hals noch.
O nun segn' ich mich erst, daß mir der Junge daheim blieb![83]
Gorgo.
Faß' dich, Praxinoa, Mut! wir sind schon hinter den Pferden
Jene reiten zum Platze.
Praxinoa.
Bereits erhol' ich mich wieder.
Pferd' und eisige Schlangen, die scheut' ich immer am meisten,
Von Kind an. O geschwind! Was dort ein Haufen uns zuströmt!
Gorgo.
Mütterchen, wohl aus der Burg?
Die Alte.
Ja, Kinderchen.
Gorgo.
Kommt man denn auch noch
Leichtlich hinein.
Die Alte.
Durch Versuche gelangten die Griechen nach Troja,
Schönstes Kind; durch Versuch ist alles und jedes zu machen.
Gorgo.
Fort ist die Alte, die nur mit Orakelsprüchen uns abspeist!
Alles weiß doch ein Weib, auch Zeus' Hochzeit mit der Hera.
Sieh, Praxinoa, sieh, was dort ein Gewühl um die Thür ist!
Praxinoa.
Ach, ein erschreckliches! – Gieb mir die Hand! Du, Eunoa, fasse
Eutychis an, und laß sie nicht los, sonst gehst du verloren.
Alle auf einmal hinein! Fest, Eunoa, an uns gehalten! –
Wehe mir Unglückskind! Da riß mein Sommergewand schon
Mitten entzwei, o Gorgo! – Bei Zeus, und soll es dir jemals
Glücklich ergehen, mein Freund, so hilf mir und rette den Mantel.
Erster Fremder.
Ja, wer's könnte! doch sei es versucht.[84]
Praxinoa.
Ein gräulich Gedränge!
Stoßen sie nicht wie die Schweine?
Der Fremde.
Getrost! nun haben wir Ruhe.
Praxinoa.
Jetzt und künftig sei Ruhe dein Loos, du bester der Männer,
Daß du für uns so gesorgt! – Der gute, mitleidige Mann da! –
Eunoa steckt in der Klemme! Du Tröpfin! frisch! mit Gewalt durch!
– Schön! wir alle sind drin! so saget der Braut, wer sie einschloß.
Gorgo.
Hier, Praxinoa, komm: sieh erst den künstlichen Teppich!
Schau, wie lieblich und zart! Du nähmst es für Arbeit der Götter.
Praxinoa.
Heilige Pallas Athene, wer hat die Tapeten gewoben?
Welcher Maler dazu so herrlich die Bilder gezeichnet?
Wie natürlich sie stehn, wie in jeder Bewegung natürlich!
Wahrlich beseelt, nicht gewebt! Ein kluges Geschöpf ist der Mensch doch!
Aber er selber, wie reizend er dort auf dem silbernen Ruhbett
Liegt, und die Schläfe herab ihm keimet das früheste Milchhaar!
Dreimal geliebter Adonis, der selbst noch im Hades geliebt wird!
Zweiter Fremder.
Schweigt doch, ihr Klatschen, einmal! Könnt ihr kein Ende noch finden?
Schnattergänse! Wie breit und wie platt sie die Wörter verhunzen!
Gorgo.
Mein! Was will doch der Mensch? Was geht dich unser Geschwätz an?
Warte, bis du uns kaufst! Syrakuserinnen befiehlst du?
Wisse auch dies noch dazu: wir sind von korinthischer Abkunft,
Gleichwie Bellerophon; wir reden ja peloponnesisch;
Doriern wird's doch, denk' ich, erlaubt sein, dorisch zu sprechen?[85]
Praxinoa.
O so bewahr' uns vor einem zweiten Gebieter, du liebe
Melitodes! Nur zu! Du streichst mir den ledigen Scheffel.
Gorgo.
Still, Praxinoa! Gleich nun fängt sie das Lied von Adonis
An, die Sängerin dort, der Argeierin kundige Tochter,
Die den Trauergesang auf Sperchis so trefflich gesungen.
Sicherlich macht die's fein. Schon richtet sie schmachtend ihr Köpfchen.
Die Sängerin.
Herrscherin! die du Golgos erkorst und Idalions Haine,
Auch des Eryx Gebirg', goldspielende du, Aphrodita!
Sage, wie kam dir Adonis von Acherons ewigen Fluten
Nach zwölf Monden zurück, im Geleit' sanftwandelnder Horen?
Langsam gehn die Horen vor anderen seligen Göttern;
Aber sie kommen mit Gaben auch stets und von allen ersehnet.
Kypris, Dionas Kind, du erhobst, so meldet die Sage,
In der Unsterblichen Kreis, die sterblich war, Berenika,
Hold Ambrosiasaft in die Brust der Königin träufelnd.
Dir zum Dank, vielnamige, tempelgefeierte Göttin,
Ehrt Berenikas Tochter, an Liebreiz Helena ähnlich,
Ehrt Arsinoa heut mit allerlei Gaben Adonis.
Neben ihm liegt anmutig, was hoch auf dem Baume gereifet;
Neben ihm auch Lustgärtchen, umhegt von silbergeflocht'nen
Körben, auch goldene Krüglein, gefüllt mit syrischen Düften;
Auch des Gebackenen viel, was Frau'n in den Formen bereitet,
Mischend das weißeste Mehl mit mancherlei Würze der Blumen,
Was sie mit lieblichem Öle getränkt und der Süße des Honigs.
Alles ist hier, das Geflügel der Luft und die Tiere der Erde.
Grünende Laubgewölbe, vom zartesten Dille beschattet,
Bauete man: und oben als Kinderchen fliegen Eroten,
Gleichwie der Nachtigall Brut, von üppigen Bäumen umdunkelt,
Flattert umher von Zweig zu Zweige, die Fittige prüfend.
Sehet das Ebenholz! und das Gold! und den reizenden Schenken,
Herrlich aus Elfenbein, vom Adler entführt zu Kronion![86]
Auf den purpurnen Teppichen hier (noch sanfter wie Schlummer
Würde Milet sie nennen und wer da wohnet in Samos)
Ist ein Lager bereitet, zugleich dem schönen Adonis.
Hier ruht Kypris, und dort mit rosigen Armen Adonis.
Achtzehn Jahre nur zählt ihr Geliebtester, oder auch neunzehn;
Kaum schon sticht sein Kuß, noch säumet die Lippen ihm Goldhaar,
Jetzo mag sich Kypris erfreu'n des schönen Gemahles.
Morgen tragen wir ihn, mit der tauenden Frühe versammelt,
Alle hinaus in die Flut, die herauf schäumt an die Gestade:
Und mit fliegendem Haare, den Schoß bis tief auf die Knöchel,
Offen die Brust, so stimmen wir hell den Feiergesang an:
Holder Adonis, du nah'st bald uns, bald Acherons Ufern,
Wie kein anderer Halbgott, sagen sie. Nicht Agamemnon
Traf dies Loos, noch Aias, der schrecklich zürnende Heros,
Hektor auch nicht, von Hekabes zwanzig Söhnen der erste,
Nicht Patroklos, noch Pyrrhos, der wiederkehrte von Troja,
Nicht die alten Lapithen und nicht die Deukalionen,
Noch die Pelasger, die grauen, in Pelops' Insel und Argos.
Schenk' uns Heil, o Adonis, und bring' ein fröhliches Neujahr!
Freundlich kamst du, Adonis, o komm', wenn du kehrest, auch freundlich!
Gorgo.
Unvergleichlich! dies Weib, Praxinoa! Was sie nicht alles
Weiß, das glückliche Weib! und wie süß der Göttlichen Stimme!
Doch es ist Zeit, daß ich geh'; Diokleidas erwartet das Essen.
Bös ist er immer, und hungert ihn erst, dann bleib' ihm vom Leibe!
– Freue dich, lieber Adonis, und kehre zu Freudigen wieder!
M.
Buchempfehlung
Stifters späte Erzählung ist stark autobiografisch geprägt. Anhand der Geschichte des jungen Malers Roderer, der in seiner fanatischen Arbeitswut sich vom Leben abwendet und erst durch die Liebe zu Susanna zu einem befriedigenden Dasein findet, parodiert Stifter seinen eigenen Umgang mit dem problematischen Verhältnis von Kunst und bürgerlicher Existenz. Ein heiterer, gelassener Text eines altersweisen Erzählers.
52 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro