|
[101] Armut nur, Diophantes, erweckt zum Leben die Künste,
Lehrerin in der Bemühung. Es lassen die drängenden Sorgen
Selber den Schlaf nicht zu für die duldenden Männer der Arbeit.
Hascht auch einer des Nachts was Weniges weg von dem Schlummer,
Plötzlich verscheucht ihn wieder, zum Lager sich stellend, die Unruh'.
Zwei, beim Fischfang ergraut, sie ruhten gesellt beieinander
Unter der Hütte Geflecht auf Streu von getrocknetem Meergras,
An die Bewandung von Blättern sich lehnend, und nahe bei ihnen
Lagen der rüstigen Hände Bewappnungen: weidene Körbe,
Haken zum Angeln und Rohr, aus Tangen gewundene Netze,
Schnür' und Reusen, und Fanglabyrinthe aus Binsen geflochten,
Taue, auch Ruder dabei und ein alternder Nachen auf Stützen;
Unter den Häupten ein Stückchen von Matte, ein Mantel als Decke.
Dieses der Fischer gesamte Gerätschaft, dieses ihr Reichtum.
Thür war nicht auf der Schwell', noch Hund: all des nicht bedürf' es,
Meinten sie, denn für sie sei Hüt'rin geworden die Armut.
Auch war nirgends ein Nachbar; denn hart an die Hütte sich drängend
Wogete rings nur Meer mit sanft anplätschernder Welle.
Noch nicht die Hälfte der Bahn lag hinter dem Wagen Selenes,
Als lieb word'nes Geschäft wach legte die Fischer; sie rieben
Schlaf aus den Wimpern und regten zur Zwiesprach' an die Gedanken.[102]
Der Erste.
Unwahr spricht, o Freund, wer sagt, daß Nächte des Sommers
Kürzere Zeit einnehmen, wenn länger die Tage sich dehnen.
Tausend von Träumen geträumt schon hab' ich, und noch ist nicht Morgen.
Oder versteckt er sich mir? Wie doch? Lang dauern die Nächte.
Der Zweite.
Schiltst du den lieblichen Sommer, Asphalion? Nicht aus der Bahn schritt
So nach Laune die Zeit; vielmehr abschneidend den Schlummer
Hat dir Sorge die Nacht in die Länge hinüber gezogen.
Der Erste.
Hast du Träume zu deuten Verständnis? Ich träumte was Schönes,
Und will unteilhaftig dich meines Gesichtes nicht lassen.
Wie du den Fischfang teilest, so teil' mit mir, was ich da träume.
Schläfrig nicht bist du im Geiste, und wahrlich der beste von allen
Traumauslegern ist der, dem Lehrer darin der Verstand wird.
Außerdem haben wir Muße: was hätte doch einer zu schaffen,
Welcher da liegt auf dem Laub an der Welle und eben nicht schlummert?
Anders der Esel im Dorn, ich meine die Lampe im Rathaus:
Der ist das Wachen Geschäft.
Der Zweite.
Nun sag' mir einmal dein Nachtbild,
Und thu alles mir kund, wie's sich dem Gefährten geziemet.
Der Erste.
Als ich abends entschlief nach all dem Geplack auf dem Meere
(War nicht eben zu voll von Futter, denn frühe ja, weißt du,
Hatten zu Nacht wir gespeist und des Magens geschonet), da schien mir's,
Als ob Felsen hinan ich stieg', und, mich setzend, auf Fische
Lauerte, und von dem Rohre den täuschenden Köder hinabschwäng'.
Anbiß einer der Fetten; denn immer im Schlaf hat der Hund ja
Bilder von Brocken vor sich und ich die Erscheinung von Fischen;[103]
Und an die Angel gespießt da hing er herunter, und Blut floß.
Doch mir ward von dem Zappeln das Rohr nach unten gekrümmet,
Drum beugt', Hand ausstreckend, ich vor mich, und hatt' nun zu kämpfen,
Wie das gewaltige Tier ich bekäm' an dem winzigen Eisen;
Da fiel ein mir die Wunde, und sanft erst bohrt' ich sie tiefer,
Ließ dann wieder ihn los, doch er floh nicht; da drückte ich tüchtig.
So vollbracht' ich den Kampf und zog von Gold einen Fisch auf,
Ganz vom Golde umstarrt. Ich wurde von Schrecken ergriffen,
Ob vielleicht nicht das Tier da ein Liebling sei des Poseidon,
Oder ein Kleinod etwa der Amphitrite, der blauen.
Sacht denn löste ich ihn von der Angel, daß ja nicht ein Stücklein
Golds aus seinem Gebiß mir bleib' noch stecken am Haken,
Zog ihn behend an das Ufer, an Schätze, an wirkliche, glaubend;
Und ich schwor, nie wieder das Meer mit dem Fuß zu berühren,
Sondern zu bleiben am Land und König zu sein mit dem Golde.
Darüber wurde ich wach. Du richte den Geist nun auf das, Freund,
Was draus folgt, da der Eid mich ängstiget, den ich geschworen.
Der Zweite.
Wirst doch nimmer dich fürchten? Du schworst nicht. Den Fisch da aus Golde
Fingst du nicht, wie dir gedüngt; die Träume sind mehr nicht als Lügen.
Suchst du im Schlaf umher in dem Land hier, so hast du auch Hoffnung
Nur auf Funde des Traums; geh aus auf fleischerne Fische,
Daß du vor Hunger nicht stirbst inmitten der goldenen Träume!
N.
Buchempfehlung
Strindbergs autobiografischer Roman beschreibt seine schwersten Jahre von 1894 bis 1896, die »Infernokrise«. Von seiner zweiten Frau, Frida Uhl, getrennt leidet der Autor in Paris unter Angstzuständen, Verfolgungswahn und hegt Selbstmordabsichten. Er unternimmt alchimistische Versuche und verfällt den mystischen Betrachtungen Emanuel Swedenborgs. Visionen und Hysterien wechseln sich ab und verwischen die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn.
146 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro