XXVII. Liebesgespräch.

[131] Mädchen.

Helenen, klug wie sie war, hat Paris geraubt, auch ein Hirte!


Hirte.

Doch freiwillig geküßt hat Helena selber den Hirten.


Mädchen.

Weg mit der Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .


Hirte.

. . . . . . . . . . . . . . . . Und nochmal werd' ich die Lippe dir saugen.


Mädchen.

Satyr, mach' dich nicht mausig, ein Kuß heißt nichtige Ware.


Hirte.

Liebliche Wonne gewährt auch selber der nichtige Kuß schon.


Mädchen.

Ich doch spüle den Mund und von mir spei' ich den Kuß weg.


Hirte.

Spülst du die Lippen? so gib, daß wieder darauf ich dich küsse.[132]


Mädchen.

Dir ziemt, Kälber zu küssen, und nicht jungfräuliche Mädchen.


Hirte.

Mach' dich nicht mausig: vorüber ist bald wie ein Traum dir die Jugend.


Mädchen.

Weinbeer' wird zur Rosin' und dürr noch duftet die Rose.


Hirte.

Unter die Ölbäum' komm', daß ich dir sage ein Wörtlein.


Mädchen.

Mag nicht; hast mich vorhin mit lieblichen Wörtlein betrogen.


Hirte.

Unter die Ulmbäum' komm', daß meine Syringe du hörest.


Mädchen.

Habe du Freude daran, sonst niemand gefällt solch' Gewinsel.


Hirte.

Ho! ho! Fürchte das Zürnen des Paphia, Mädchen, und meid' es.


Mädchen.

Leb' doch Paphia wohl; mir sei nur Artemis gnädig.


Hirte.

Nimmer dem Eros entfliehst du, entflohen ist nie ihm ein Mädchen.


Mädchen.

Ich, beim Pan, doch entflieh', sein Joch bleibt stets unerträglich.


Hirte.

Sag's nicht, daß er nicht schießt und ins Netz du unlöslich geratest.[133]


Mädchen.

Schieß' er doch, wie er es mag! auch hier schafft Artemis Abwehr.


Hirte.

Daß er dem schlechteren Mann noch hin dich werfe, besorg' ich.


Mädchen.

Viel schon freiten um mich, doch rührete keiner das Herz mir.


Hirte.

Einer der vielen erschein' auch ich auf dem Platz als dein Freier.


Mädchen.

Und – was soll ich denn, Freund? voll bitterer Plag' ist die Heirat.


Hirte.

Schmerzen und Qual nicht bringet, es bringt Heiraten den Reigen.


Mädchen.

Doch man sagt, daß die Frau vor des Lagers Genossen erzitt're.


Hirte.

Vielmehr Herrin ist sie: vor wem doch erzitterten Weiber?


Mädchen.

Ich vor Wehen: Geschosse der Eileithya sind herbe.


Hirte.

Doch der Gebärenden Hilfe ist Artemis, deine Gebiet'rin.


Mädchen.

Aber mich schreckt die Geburt, ich könnte die Schönheit verlieren.


Hirte.

Wenn du Kinder geboren, so glänzt in den Söhnen sie neu dir.[134]


Mädchen.

Und welch' würdig Geschenk für Gewährung gibst du zur Hochzeit?


Hirte.

All' mein Vieh und Gehölz und sämtliche Weiden erhältst du.


Mädchen.

Schwör' denn, nach dem Genuß nicht treulos von mir zu gehen.


Hirte.

Nie, beim Pan, und wolltest du selber mich von dir verjagen.


Mädchen.

Bau'st du Kämmerchen mir und bau'st du Haus und Gehöfe?


Hirte.

Kämmerchen bau' ich dir und weid' dir treulich die Herden.


Mädchen.

Aber dem alternden Vater was doch, was geb' ich für Wort' ihm?


Hirte.

Loben das Bündnis wird er, sobald mein Nam' ihm zu Ohr kommt.


Mädchen.

Sage den Namen mir denn, wohl kann auch erfreuen ein Name.


Hirte.

Daphnis bin ich, ein Sohn von dem Lykidas und der Nomäa.


Mädchen.

Traun von guter Geburt, doch bin ich geringer als du nicht.


Hirte.

Weiß es, geehrt weit um; dein Vater ja ist der Menalkas.[135]


Mädchen.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .


Hirte.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .


Mädchen.

Zeig' mir denn dein Gehölz und wohin zu steht dein Gehöfe.


Hirte.

Sieh dort meine Kypressen, die schmeidigen, wie sie sich treiben!


Mädchen.

Weidet denn, Ziegen, ich gehe des Hirten Gelände zu schauen.


Hirte.

Graset in Ordnung, Stiere, ich zeig' das Gebüsche dem Mägdlein.


Mädchen.

Satyr, was soll das? was in den Busen da greifst du hinein mir?


Hirte.

Wollte die Äpfelchen nur, die eben sich färben, erkunden.


Mädchen.

Mir vergehen die Sinne. Heraus gleich wieder die Hand da!


Hirte.

Mutig, du liebliches Kind: was zitterst du vor mir? wie zaghaft!


Mädchen.

Wirfst in den Graben mich hin und beschmutzest die schönen Gewande!


Hirte.

Nein; dir unter das Kleid, sieh, werf' ich das weichliche Schaffell.[136]


Mädchen.

Weh, auch den Gürtel entrissen! Wozu hast den du gelöset?


Hirte.

Ihn als Erstlingsgab' vor Paphia leg' ich darnieder.


Mädchen.

Halt! ob niemand sich nahet, Verweg'ner! ich höre was rauschen.


Hirte.

Deine Vermählung flüstern einander ins Ohr die Kypressen.


Mädchen.

Hast ja zum Fetzen gemacht mein Mäntelchen! Bloß bin ich worden!


Hirte.

Werde ein anderes dir und größeres Mäntelchen geben.


Mädchen.

Sagst, wollst alles mir geben, und gibst wohl endlich kein Salzkorn.


Hirte.

Könnt' ich die Seele, die eig'ne, dazu noch fügen als Zugab'.


Mädchen.

Artemis, zürn' nicht der, die treulos deinem Gebot ward!


Hirte.

Eros opfr' ich ein Kalb, Aphroditen die Kuh, die es säuget.


Mädchen.

Jungfrau kam ich hierher, rückkehr' ich als Weib nach dem Hause.


Hirte.

Aber ein mütterlich Weib, das Kinder gebiert, nicht ein Dirnlein.[137]

So in schmelzender Lust durchwärmend die blühenden Glieder

Flüsterten jene zusammen. Sie schieden vom heimlichen Lager,

Und sich erhebend enteilte die Ziege zu weiden sie leise,

Mit verschämten Augen, doch innerlich hüpfte das Herz ihr;

Er zur Herde der Stier', noch voll von Wonn' der Umarmung.


N.

Quelle:
Theokritos: Idyllen. In: Theokritos, Bion und Moschos, Stuttgart 1883, S. 131-138.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Haller, Albrecht von

Versuch Schweizerischer Gedichte

Versuch Schweizerischer Gedichte

»Zwar der Weise wählt nicht sein Geschicke; Doch er wendet Elend selbst zum Glücke. Fällt der Himmel, er kann Weise decken, Aber nicht schrecken.« Aus »Die Tugend« von Albrecht von Haller

130 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon