III. Amaryllis.

[38] Auf! Ich gehe, mein Lied Amaryllis zu singen. Die Ziegen

Weiden am Berg indeß, und Tityros mag sie mir hüten.

Tityros, du mein Freund, mein trautester, weide die Ziegen!

Führe sie d'rauf an den Quell mir, Tityros; doch vor dem weißen

Bock dort nimm dich in Acht, vor dem Libyer, denn er ist stößig.

Ach, Amaryllis, du süße, warum nicht mehr aus der Grotte

Guckst du wie sonst, und nennst mich dein Schätzlein? Bist du mir böse?

Dünkt dir die Nase zu platt an mir, in der Nähe gesehen,

Mädchen? zu lang mein Bart? O du ruhst nicht, bis ich mich hänge!

Hier zehn Aepfel für dich, sieh her! Ich pflückte sie droben,

Wo du mich pflücken geheißen, und andere bring' ich dir morgen.

Schau doch, was ich erleide für Herzensqualen! O wär' ich

Doch die summende Biene, so flög' ich zu dir in die Grotte,

Schlüpfte durch's Epheulaub und das dicht aufschießende Farrnkraut.

Jetzo kenn' ich den Eros! Ein schrecklicher Gott! an der Löwin

Brüsten gesäugt; ihn erzog im wilden Gebirge die Mutter.

Ganz durchglühet er mich und verzehrt mir das Mark im Gebeine.

Nymphe mit lachendem Blick! du steinerne! du mit den schwarzen

Augenbrau'n, o laß im Arme des Hirten dich küssen!

Süße Wonne gewährt auch selber der nichtige Kuß schon.

Wart'! in Stücke zerreiß' ich den Kranz auf der Stelle, du willst es,

Den ich trage für dich, Amaryllis, den schönen, von Epheu,

Rings mit knospenden Rosen durchwebt und würzigem Eppich.[39]

Ach, was soll ich beginnen? Ich Armer! – So hörst du denn gar nicht?

Gut – ich werfe mein Fellkleid weg und spring' in die Fluthen

Gleich, da hinab, wo Olpis, der Fischer, die Thunne belauert.

Bin ich des Todes auch nicht, doch wirst du dich freuen des Anblicks.

Ob du mich liebest, versucht' ich noch jüngst und erfuhr es zu gut nur:

Denn es versagte den Knall das angeschlagene Mohnblatt:

Ganz matt gieng es entzwei, am fleischigen Arme zu welken.

Auch was Agröo gesagt, die Siebwahrsagerin, neulich,

Als sie Aehren sich las im Rücken der Schnitter, bewährt sich:

Brünstig hieng' ich an dir, doch gar nichts fragest du mir nach.

Wisse, die Geiß, die weiße, mit Zwillingen, zog ich für dich auf,

Mermnon's bräunliches Mädchen, Erithakis, hätte sie gerne,

Und ich gebe sie der, dieweil du meiner nur spottest.

Halt! da hüpfet mein Auge, das rechte, mir! Soll ich sie doch noch

Seh'n? Ich will an die Pinie hier mich lehnen und singen.

Ist sie doch nicht von Stein, vielleicht sie thut einen Blick her.

Als Hippomenes einst zur Braut sich wünschte die Jungfrau,

Lief er mit Aepfeln in Händen den Wettlauf, und Atalanta,

Im Hinschauen entbrannt, wie versank sie ganz in die Liebe!

Trieb doch die Heerde vom Othrys daher der Seher Melampos

Froh gen Pylos zuletzt, und es lag in den Armen des Bias

Endlich die reizende Mutter der sinnigen Alphesiböa.

Hat nicht, der im Gebirge die Schafe geweidet, Adonis,

Selbst Kythereia, die schöne, gebracht zum äußersten Wahnsinn,

Daß sie nimmer vom Busen ihn ließ, auch als er nun todt lag?

Mir sei selig gepriesen Endymion, welchen der tiefe

Schlaf umfieng, und selig Ïasion, trautestes Mädchen,

Denn er genoß, was nimmer den Ungeweiheten kund wird.

Wehe! wie schmerzt mir das Haupt! Dich kümmert es nicht. So verstumme.

Nun mein Gesang. Hier lieg' ich, da mögen die Wölfe mich fressen!

Wahrlich, das wird dir süß eingeh'n wie Honig dem Gaumen!


M.

Quelle:
Theokritos: Idyllen. In: Theokritos, Bion und Moschos, Stuttgart 1883, S. 38-40.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Unsühnbar

Unsühnbar

Der 1890 erschienene Roman erzählt die Geschichte der Maria Wolfsberg, deren Vater sie nötigt, einen anderen Mann als den, den sie liebt, zu heiraten. Liebe, Schuld und Wahrheit in Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

140 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon