Erste Szene

[249] Frau Bürgermeister, ihre Tochter Susanna, Major Rehbein sitzen beim Kaffee.


MAJOR über seine Zeitung wegblickend. Der Fritz muß nun bald kommen?

FRAU BÜRGERMEISTER. Wenn er am Vormittag fertig wurde. Seufzt. Ach ja!

MAJOR. Hm! Liest wieder die Zeitung und raucht an der Pfeife.

FRAU BÜRGERMEISTER. Ach Gott, ja! Suschen, gib mir den Honig. Suschen reicht ihr die Schale; die Bürgermeisterin streicht Honig auf die Brötchen und seufzt wieder. Wenn er nur schon wieder glücklich zu Hause wäre!

MAJOR über die Zeitung weg. Was soll ihm denn passieren? Gestern abend ist er in die Stadt, und heute kommt er wieder.

FRAU BÜRGERMEISTER. Er hat eine Unterredung mit dem Minister.

MAJOR. Das ist nicht immer angenehm, aber lebengefährlich ist es nicht.

FRAU BÜRGERMEISTER. Mit dir kann man über so was nicht reden. Zu Suschen. Gib mir nochmal den Honig!

SUSCHEN reicht ihr die Schale. Was tut Papa beim Minister?

FRAU BÜRGERMEISTER. Du weißt doch, wegen der Bahn.

SUSCHEN. Immer die Bahn!

FRAU BÜRGERMEISTER. Man hört nichts anderes mehr seit einem Jahr. Die Bahn und die Bahn.

SUSCHEN. Mein Adolf sagt auch, es sei gräßlich.

MAJOR brummig. So?[249]

SUSCHEN. Und er sagt, er wäre mit dem Streit gleich fertig, wenn er zu entscheiden hätte.

MAJOR. Sagt das der Adolf?

SUSCHEN. Ja, und er hat auch ganz recht.

MAJOR. Na, überall sind der Herr Amtsrichter nicht maßgebend.

FRAU BÜRGERMEISTER. Mir wäre alles recht, wenn Fritz sich nicht so weit einlassen würde.

MAJOR. Das muß er wohl oder übel.

FRAU BÜRGERMEISTER. Er hat die ganze Arbeit und dazu die Aufregung.

MAJOR. Was ist denn dabei, wenn er dem Minister Vorstellungen macht?

FRAU BÜRGERMEISTER. Wenn er ruhig wäre! Aber, er war so wütend.

MAJOR lacht. Der Fritz?

FRAU BÜRGERMEISTER. Ja. Hättest du ihn nur gehört! In der Nacht hat er mit sich selber geredet, und beim Abschied sagte er, daß er einmal gründlich von der Leber weg reden wolle.

MAJOR. Die Fahrt in die Residenz dauert vier Stunden. Da vergeht ihm der Zorn, wie ich ihn kenne.

FRAU BÜRGERMEISTER. Du beurteilst ihn ganz falsch. Er kann schrecklich aufbrausen.

MAJOR. Wenn er's nur tät'!

FRAU BÜRGERMEISTER. Ja freilich!

MAJOR. Das hätte sich schon vor einem Jahr gehört.

FRAU BÜRGERMEISTER. Ich habe die größte Angst, daß er sich hinreißen läßt.

SUSCHEN. Adolf sagt oft, Papa sei viel zu frei in seinen Äußerungen.

MAJOR. Ja, wenn man eben so korrekt ist wie dein Amtsrichter.

SUSCHEN. Du bist immer gegen ihn, Onkel – und ...


Von links tritt Dr. Beringer ein; blond, trägt Brille. Typus eines jungen Pedanten, Suschen springt ihm entgegen.
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Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 2, München 1968, S. 249-251.
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