Vierte Szene

[255] Frau Bürgermeister. Major. Bürgermeister. Schweigel. Stelzer.


FRAU BÜRGERMEISTER freudig. Grüß Gott, Fritz!

BÜRGERMEISTER sie auf beide Wangen küssend. Grüß Gott, Mama! Da wären wir ja wieder daheim. So, Karl! Schüttelt dem Major die Hand. Das hätten wir überstanden. Wo ist denn Suschen?

FRAU BÜRGERMEISTER. Mit Adolf. Er ist gerade fort.

BÜRGERMEISTER. So, mit Adolf? Du, Mama, die Herren waren so liebenswürdig und haben mich an der Post abgeholt.

FRAU BÜRGERMEISTER. Das ist nett von Ihnen.

STELZER. Bitte sehr, Frau Bürgermeister. Nidit mehr wie billig. Als Vorstand des Gemeindekollegiums war es sozusagen meine Schuldigkeit. In dieser Beziehung.

SCHWEIGEL. Und mir hätten aa glei' wissen mögen, wia's ganga hat. Aba da Herr Bürgermoasta hat no koa Zeit g'habt zum Verzählen vor lauter Freud, daß er wieda dahoam is.

BÜRGERMEISTER. Die Herren müssen zum Kaffee bleiben.

FRAU BÜRGERMEISTER. Freilich! Geht zur Türe links und ruft. Marie, noch zwei Tassen! Zu Stelzer und Schweigel. Sie schenken uns doch die Ehre?

STELZER. Bitte sehr, Frau Bürgermeister, die Ehre ist unsererseits. Wenn Sie erlauben, sind wir so frei.

FRAU BÜRGERMEISTER. Wollen sich die Herren doch setzen. Alle setzen sich.

BÜRGERMEISTER. Das ist behaglich nach dem Trubel in der Stadt.

SCHWEIGEL. I bin aa jed'smal froh, wenn i wieda dahoam bi'.

STELZER. Unser Dornstein vereinigt sozusagen die Vorzüge des Stadt- und Landlebens! Man genießt die Ruhe und ist doch in den nötigen Lebensbedürfnissen nicht zu sehr beschränkt.

FRAU BÜRGERMEISTER. Aber erzähl doch, Fritz! Wie hat es gegangen?

SCHWEIGEL. Hamm S' an Minister troffen? Zu Marie, die den Kaffee gebracht hat und einschenkt. A bissel mehr Milli, bitt schön.[255]

MAJOR. Schieß mal los!

BÜRGERMEISTER. Es war ein heißer Tag, meine Herren. Ein sehr heißer Tag.

SCHWEIGEL. Und wer gibt nach? Mir oder de ganz andern?

BÜRGERMEISTER. Leider, meine Herren, zu meinem Bedauern, Zuckt die Achseln. ich konnte nichts mehr ändern.

SCHWEIGEL heftig. I hab's ja glei g'sagt. Da hat's koana glaab'n wollen. Auf Stelzer deutend. Da sitzt aa so oana, der allawei predigt hat: nur Ruhe – nur Ruhe! Jetzt hamm s' an Dreck. Entschuldigen schon, Frau Bürgermoasta.

STELZER. Wir, im Gemeindekollegium, glaubten, daß ein maßvolles Verhalten am besten sein würde.

SCHWEIGEL. Nix is – Hätt'n ma nur 's Maul besser aufg'rissen.

MAJOR. Also glattweg abgelehnt, Fritz?

BÜRGERMEISTER. Der Minister bleibt bei dem Entweder – Oder.

SCHWEIGEL. Und lacht uns brav aus.

BÜRGERMEISTER. Das nicht. Im Gegenteil. Es sind scharfe Worte gefallen.

SCHWEIGEL. Hoffentli, aba – –

STELZER. Lassen wir doch unsern Herrn Bürgermeister erzählen.

FRAU BÜRGERMEISTER. So fang doch einmal an, Fritz!

BÜRGERMEISTER. Gleich. Also ich fahre gestern früh in die Stadt. Sie können sich denken, in einiger Aufregung.

STELZER. Das läßt sich begreifen.

BÜRGERMEISTER. Ich komme an und werde gleich vorgelassen. Wie ich eintrete, sagte der Minister: »Ah, da ist ja mein lieber Bürgermeister von Dornstein!«

SCWEIGEL nachäffend. »Mein lieber!« Da bals d' net gehst.

BÜRGERMEISTER. Ich sage: Exzellenz, ich komme heute in dringender Sache. »Weiß schon,« sagte er, »Sie wollen mich in der bewußten Angelegenheit sprechen.«

SCHWEIGEL. »Bewußt!« Dös is freili bewußt.

BÜRGERMEISTER. Dann sagte er: »Ich habe den guten Dornsteinern das Ultimatum stellen müssen. Die Sache geht sonst nicht vorwärts. Hoffentlich hat man sich jetzt eines Besseren besonnen.«

SCHWEIGEL in den Tisch schlagend, daß die Tassen klirren. Hast scho amal so was g'hört?

STELZER. Die kommerziellen Interessen unserer Stadt sollten[256] doch besser gewürdigt werden.

SCHWEIGEL ungestüm. Hamm Sie Eahna des g'fallen lassen?

FRAU BÜRGERMEISTER. Was hast du gesagt, Fritz?

BÜRGERMEISTER. Mir ist das Blut siedheiß in den Kopf gestiegen. Ich denke mir, da hört sich doch die Gemütlichkeit auf.

MAJOR. Ja, und?

BÜRGERMEISTER. Und ... und ich trete einen Schritt zurück, und dann habe ich losgelegt. Aber gründlich! Exzellenz, sage ich, wo ist hier das Bessere? Warum, sagte ich, müssen wir uns eines Bessern besinnen? »Weil ich sonst nicht in der Lage bin, das Projekt zu befürworten,« sagte er.

MAJOR. War's dann fertig?

BÜRGERMEISTER. Nein, dann ging es erst recht an. Ich dachte mir, jetzt ist schon alles gleich.

SCHWEIGEL brüllt. Bravo!

BÜRGERMEISTER. Das ist ein Zwang, sagte ich, ein unerhörter Zwang. Das lassen wir uns nicht bieten! Und dann redete ich mich in den Zorn hinein. Ich weiß auch nicht mehr jedes Wort, aber es war scharf.

SCHWEIGEL. Hamm S' aufdraht?

BÜRGERMEISTER. Ich sparte nichts, was gesagt werden mußte.

FRAU BÜRGERMEISTER ängstlich. Aber Fritz!

BÜRGERMEISTER. Mama, es mußte sein.

SCHWEIGEL. Der werd g'schaugt hamm!

BÜRGERMEISTER. Er war sichtlich betroffen, als ich ging. Das hatte er sich wohl nicht erwartet.

FRAU BÜRGERMEISTER. Wenn er dir nur nichts nachträgt!

SCHWEIGEL. Ah was! Da san mir Dornstoana scho da! Dös vergessen mir Eahna net, Herr Bürgermoasta, daß S' so aufdraht hamm. Dös is ja großartig! Da! Geb'n S' ma Eahna Hand! Schüttelt dem Bürgermeister kräftig die Hand.

STELZER. Mir auch, wenn Sie erlauben, Herr Bürgermeister. Als Vorstand des Kollegiums, und in dieser Beziehung.

BÜRGERMEISTER. Ich danke Ihnen, meine Herren. Sie sind zu freundlich. Ich habe nur meine Pflicht getan.

MAJOR. Du bist ja ein Hauptkerl, Fritz![257]


Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 2, München 1968, S. 255-258.
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