Siebente Szene

[263] Der Bürgermeister. Schweigel.


SCHWEIGEL Der Bürgermeister steckt die Hände in die Hosentaschen und geht auf und ab. Schweigel setzt sich im Laufe des Gespräches auf den rechts vorne stehenden Rohrsessel. Es tritt allmählich Dämmerung ein. I mag net hoam geh'. Die Fragerei is mir so z'wider. Sie wissen ja, wie die Frauen san ...

BÜRGERMEISTER. Bleiben Sie hier! Wir trinken ein Glas Bier zusammen, wenn es Ihnen recht ist.

SCHWEIGEL. Warum nit? Der Bürgermeister klingelt. Wissen S', Herr Bürgermoasta, i ko's meiner Alten aa net verdenken. Jetzt hamm ma den Garten Gott woaß wie lang, mir hamm selber so a bissel mit g'arbet, hamm unser Freud dro g'habt – und jetzt müassen mir zuaschaug'n, daß'n de Eisenbahn in der Mitt' ausanandaschneid't.

BÜGERMEISTER. Ja, ja! Seufzt. Und was haben wir für Hoffnungen auf diese Bahn gesetzt!


Das Dienstmädchen tritt von links ein.


BÜRGERMEISTER. Marie, holen Sie zwei Glas Bier!

MARIE. Ja, gnä Herr! Ab.

SCHWEIGEL. I saget no nix, wenn ma sehet, daß die Abtretung notwendig is zu'n allgemeinen Besten. Aber wenn ma woaß, daß de ganze Stadt no dazu an Schaden davo hat, und daß's grad zum Trotz g'schieht – da vageht oam da Glauben.

BÜRGERMEISTER. Ja, wirklich.

SCHWEIGEL. Es is scho merkwürdi heutzutag.

BÜRGERMEISTER. Sie können sich denken, wie mir dabei zumut ist.


Kleine Pause. Marie kommt von links mit Bier. Sie stellt die zwei Gläser auf den Gartentisch rechts.


SCHWEIGEL. No, stoßen ma'r amal o! 's Wohlsei, Herr Bürgermoasta!

BÜRGERMEISTER. Prosit, Herr Schweigel! Stoßen an und trinken.

SCHWEIGEL. Warum s' grad mit uns a so umgengan?

BÜRGERMEISTER. Das haben wir nicht verdient.

SCHWEIGEL. I geh am Sonntag in mei Kirchen, i wähl anständig, i bi Veteran und Feuerwehrhauptmo, i bi überhaupt, wia ma sagt, a loyaler Bürger.[263]

BÜRGERMEISTER. Das muß jeder zugeben.

SCHWEIGEL. Scheint aber net, oder vielleicht gilt dös nix mehr heutzutag.

BÜRGERMEISTER. Das wäre schlimm für den Staat, Herr Schweigel.

SCHWEIGEL. Allerdings. Also Prost, Herr Bürgermoasta!

BÜRGERMEISTER. Prosit! Stoßen an und trinken.

SCHWEIGEL. Guate Bürger braucht der Staat. Ja! Und bal oana so viel Steuern zahl als wia'r i, nacha nimmt ma'r eahm sein Garten.

BÜRGERMEISTER. Nimmt ihm den Garten.


Der Major tritt von links ein.


Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 2, München 1968, S. 263-264.
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