Achte Szene

[264] Die Vorigen. Major.


SCHWEIGEL. Dös is net klug und weise, dös is net diplomatisch. Auf de Weis ziagt ma Sozialdemokraten her.

BÜRGERMEISTER. Hoffentlich nicht! Hoffentlich nicht!

SCHWEIGEL. Was denn? De, wo nix hamm, san's a so scho; jetzt brauchan bloß no de Sozialdemokraten wer'n, de wo was hamm; nacha werd's bald gar sei. Hab i recht, Herr Major?

MAJOR. Vollständig. Sie wollen also jetzt zur äußersten Linken übertreten, Herr Schweigel?

SCHWEIGEL. No, ma hat ja no sei Religion im Leib! Aba ma soll oan aa net zu stark reizen.

BÜRGERMEISTER. Es wird eben darauf gesündigt, daß der kernige Bürgerstand sich nicht vom rechten Weg abbringen läßt.

MAJOR. Der kernige Bürgerstand ist bloß selber schuld, wenn man ihm auf die Zehen tritt.

BÜRGERMEISTER. Erlaub du mir!

MAJOR. Jawohl. Jeder Stand wird so behandelt, wie er sich's gefallen läßt.

BÜRGERMEISTER. Wir lassen uns nichts gefallen, wir schweigen nur manchmal der staatlichen Ordnung zulieb.

MAJOR. Und aus sonstigen Gründen.

BÜRGERMEISTER. Wir wollen nicht mit der Regierung auf dem Kriegsfuß leben.[264]

MAJOR. Ist ja nicht notwendig, aber die Bürger sollen sich wenigstens Respekt verschaffen.

BÜRGERMEISTER. Den Respekt verweigert man uns nicht.

SCHWEIGEL. Da taten mir aa no a Wörtl mit reden.

MAJOR. Ich kann nicht finden, daß der Bürgerstand mit besonderer Hochachtung behandelt wird.

BÜRGERMEISTER. Die Eisenbahnen sind nun einmal staatlich, und ...

MAJOR. Es handelt sich nicht bloß um eure Bahn, und nicht bloß um euch Dornsteiner. Die Nichtachtung sieht man überall und bei jeder Gelegenheit.

SCHWEIGEL. Dös waar g'spaßi!

MAJOR. Man sieht auch recht gut, wo es bei den Bürgern fehlt.

BÜRGERMEISTER. Wo fehlt es?

MAJOR. An der richtigen Festigkeit.

SCHWEIGEL. Entschuldigen S', Herr Major, wenn i da aa'r a bissel mitred. Aba i moan, Sie gengan da entschieden zu weit.

MAJOR. Nein, nein, Herr Schweigel.

SCHWEIGEL. Wo steht denn dös, daß mir koa Festigkeit net hamm? Da müaßten mir aa was wissen.


Während der Szene ist es Nacht geworden. Schöne Mondnacht.


MAJOR. Das zeigt sich überall.

BÜRGERMEISTER. Zum Beispiel?

MAJOR. Ihr nehmt tausend Rücksichten, auch da, wo ihr gar nichts davon habt. Ihr schimpft über Vorurteile und beugt euch davor. Ihr macht Opposition und schmeißt wieder um.

SCHWEIGEL. Ah! Ah! Sie san guat!

MAJOR. Man nimmt euch nicht ernst. Das müßt ihr doch selber sehen.

BÜRGERMEISTER. Du übertreibst aber wirklich, Karl.

SCHWEIGEL. Wia Sie so reden könna, Herr Major, wo Eahna Bruader ein solches Beispiel geben hat!

MAJOR. Ja so!

SCHWEIGEL. I glaab, daß dös a Festigkeit is, wenn ma si traut und an Minister a so z'sammpackt.[265]


Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 2, München 1968, S. 264-266.
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