Im Walde

[521] In stiller Ruh liegt Wald und Feld

Soweit ich horch, kein Laut erschallt.

Die Sonne ist geschieden.

Da lieg ich nun im grünen Hag

Im alten trauten Tannenschlag,

Um mich den tiefsten Frieden.


Als wollt er wiegen mich in Traum,

So leise rauscht der Tannenbaum[521]

Und neigt den hohen Gipfel,

Der tönt gar wundersam ans Ohr,

Die andern flüstern wie im Chor

Und schütteln ihre Wipfel.


Mit einem Mal ein Posthorn klingt.

Wie mächtig mir zu Herzen dringt

Das alte Lied vom Scheiden.

So leb' denn wohl! Mir ist so weh.

Wer weiß, wann ich dich wiederseh,

Ich muß es schweigend leiden.


Und weiter fährt der Postillon,

Von ferne noch ein schwacher Ton,

Dann Ruh auf allen Wegen.


Ich aber bin im Waldesschoß,

Das heiße Haupt im kühlen Moos,

Noch lange Zeit gelegen.

Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 6, München 1968, S. 521-522.
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