Berliner Fürstenbesuch

[615] Mutter, gib mir den Zylinder,

Schmier mir eine Butterbemme,

Durch die Linden fährt ein wilder

Häuptling der Aschantistämme.


Und den schwarzen Negerfritze

Wird der ganze Hof begleiten,

Auch zwei Kürassierschwadronen

Werden vorn und hinten reiten.


Und so war's. Durchs Brandenburger

Rasselnd kam die Kavalkade.

Helme funkeln, Säbel blitzen,

Und es riecht die Bartpomade.


Links und rechts ein Hurrarufen,

Blumenwerfen, Tücherschwenken,

Und der Häuptling bleckt die Zähne

Allen, die ihm Beifall schenken.


Wirklich, der Aschantineger

War darob sehr guter Dinge,

Alle kommandierten Herren

Kriegten goldne Nasenringe.


Auch bei Hof war man zufrieden,

Daß das Volk sich so benommen.

Bald läßt man für die Berliner

Wieder einen Fürsten kommen.

Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 6, München 1968, S. 615-616.
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