Festesfreude

[643] Als sich seinerzeit der Kurfürst

Brandenburgs zum König krönte

Und sich die Allongeperücke

Mit dem Diadem verschönte,


Ward genehmigt, daß im Volke

Ehrfurchtsvolle Freud' entbrannte,

Weil von nun an »Dero Liebden«

»Seine Majestät« sich nannte.


Unser Los verknüpft bekanntlich

Eng sich dem des Potentaten,

Darum wurde zu des Pöbels

Lustbarkeit ein Ochs gebraten,


Reiter sprengten durch die Straßen,

Warfen Geld in jede Ecke;[643]

Hoch- und Höchstdieselben lachten,

Wenn der Mob sich wälzt' im Drecke.


Heute, nach zweihundert Jahren,

Ist man nicht mehr so entzunden.

Wenn sie oben Feste feiern,

Spürt man nichts im Volke drunten.


Heute stehen an den Türen

Des geschmückten Königschlosses

Andre Bettler; lest die Namen

Im Organe Rudolf Mosses.


Männchenmachend, schweifewedelnd

Sitzt die Schar der Pudelhünde,

Und sie harren voll Begierde,

Daß man ihren Namen künde.


Keine Münzen, aber Orden,

Vogelbilder, schwarze, rote,

Werden unter sie geworfen,

Und sie balgen sich im Kote.


Und sie tänzeln und sie springen

Vor dem hohen Potentaten;

Lächelnd sehen wir dies Treiben,

Und kein Ochse wird gebraten.

Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 6, München 1968, S. 643-644.
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