Gottesgericht

[682] Ein Enterich hat jüngst im Freien

Der Liebe ohne Scheu gefrönt.

Natürlich waren sie zu zweien,

Und was sie taten, ist verpönt.


Er hatte das Rezept gefunden

Zu jenem alten Wonnespiel,[682]

Wobei er oben und sie unten

Ins Auge des Betrachters fiel.


Ha! Wie ihm alle Sinne schwinden,

Da schien es manchem offenbar,

Daß jedes ethische Empfinden

In diesem Tier erloschen war.


Ein solches Beispiel öffentlicher

Verdorbenheit kommt selten vor.

Doch Gottes Mühlen mahlen sicher,

Hier war es ein Benzinmotor.


Das Rad zerquetscht sie in der Rinne

Und preßt den Enterich auf sie,

Es war wohl in gewissem Sinne

Auch eine Schicksalsironie.

Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 6, München 1968, S. 682-683.
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