Dritte Szene


[331] Ein andres Zimmer.

Melpomene, der Fremde.


FREMDER. Liebe Frau, wie lange sind wir nun schon miteinander verheiratet?

MELPOMENE. Vier Wochen.

FREMDER. Ist es noch nicht länger?

MELPOMENE. Währt dir die Zeit so lang?

FREMDER. Das grade nicht; aber ich meinte, es sei länger.

MELPOMENE. Soll ich nun darüber nicht weinen?

FREMDER. Du Weinst viel zu viel; wir zanken uns alle Tage, und haben in den vier Wochen wenigstens dreißig Aussöhnungen gefeiert.

MELPOMENE. Du betrübst mich recht von Herzen; du bist ein leichtsinniger Mensch, ein Mensch, der an meinem Jammer Vergnügen findet.

FREMDER. O so höre doch auf.

MELPOMENE. Einer, der ungerührt meine Tränen sehn kann.

FREMDER. Hol doch der Teufel den Apollo! Warum hat er dich nicht auf dem Theater behalten?

MELPOMENE. Ja, ich wollte, ich hätte dich nie mit Augen gesehn.

FREMDER. Wär ich doch nie hiehergekommen!


Grünhelm und Thalia.


GRÜNHELM. Wir müssen euch doch auch einmal besuchen, Freunde.

THALIA. Wie geht's, liebe Melpomene?

MELPOMENE. O mein Mann –

GRÜNHELM. Nun, Doktor, wie steht's?

FREMDER. O meine Frau –

THALIA. Ihr seid beständig entzweit, und das ist durchaus nicht recht. In eurem Hause regiert immer ein bürgerliches Trauerspiel, und das ist mir etwas Verhaßtes.

MELPOMENE. Ist es zu ändern?[331]

THALIA. Ihr müßt euch wieder vertragen. Melpomene, du mußt nachgeben.

MELPOMENE. Eher sterben.

THALIA. Daraus wird ja doch nichts; das darf ja schon des frohen Ausgangs wegen nicht geschehn. Warum lebe ich denn mit meinem Manne glücklich?

MELPOMENE. Weil du eine Närrin bist.

GRÜNHELM. Gehorsamer Diener! Also verlohnte es sich wohl gar nicht der Mühe, mit mir glücklich zu sein?

MELPOMENE. Schwerlich.

FREMDER. Nun, Frau, da ist meine Hand, sei wieder gut. Die Szene darf ja doch nicht zu tragisch wer den.

MELPOMENE. Du gibst also zu, daß du unrecht hast?

FREMDER. Nimmermehr!

MELPOMENE. Nun, Thalia, da siehst du.

THALIA. Auf diese Art könnt ihr nimmermehr zusammenkommen. Der hat offenbar unrecht, der jetzt nicht zur Versöhnung die Hand bietet; wer dem andern zuerst vergibt, der hat das meiste Recht.


Die beiden Eheleute umarmen sich.


FREMDER. O wie ich dich nun wieder liebe! – Wie mein Herz nur für dich schlägt!

MELPOMENE. Ebenfalls.

FREMDER. Ich begreife nicht, wie ich dich so verkennen mochte.

MELPOMENE. Ich auch nicht, Geliebter.

FREMDER. Im Grunde hatten wir beide unrecht.

MELPOMENE. Ich geb es zu.

FREMDER. Nun so sei dieser Tag der Versöhnung ein Tag der Freude für uns. – Bleibt bei uns, lieben Freunde, und helft uns ein so schönes häusliches Fest der Liebe begehn.


Gehn ab.


Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in vier Bänden. Band 2, München 1963, S. 331-332.
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