Vierte Szene


[332] Das Meer.

Ein Kriegsschiff segelt vorüber, Pantalon der Admiral auf dem Verdecke, Soldaten.


PANTALON. Ihr, meine lieben Soldaten, heut muß das Seegefecht notwendig vorgenommen werden, denn der Wind[332] ist uns überaus günstig. Auch können wir uns nicht länger halten, weil uns der Proviant ausgeht.

EIN SOLDAT. Soll es ein scharfes Seegefecht werden?

PANTALON. Wir fechten bis auf den letzten Mann. Und daß nur keiner zu desertieren gedenkt!

SOLDAT. Davor soll uns Gott behüten.

PANTALON. Der fremde Admiral kann unmöglich standhalten, denn seine Flotte ist viel schwächer; er wird sich ergeben müssen, und dann fahren wir im Triumph nach Hause.

SOLDAT. Wenn nur keiner von uns dabei umkömmt!

PANTALON. Da muß man schon die Augen zudrücken und fünfe gerade sein lassen, denn das steht nicht zu ändern.

SOLDAT. Aber wen's trifft, der hat doch den Schaden.

PANTALON. Sprich beherzter, sonst bist du ein erbärmlicher Soldat.


Sie fahren vorbei, die übrige Flotte folgt.

Ein anderes Kriegesschiff tritt auf. Harlekin als Admiral, Soldaten.


SOLDAT. Soll heut die Bataille vorgenommen werden?

HARLEKIN. Wenn ihr es meint, Leute, so wollen wir dran; einmal muß es ja doch sein, und so ist es immer besser heute als morgen.

SOLDAT. Wir haben schon alle Flinten geladen.

HARLEKIN. Das ist recht, Kinder; und im Gefecht nur nicht den Mut verloren! Bedenkt, daß ihr doch irgendeinmal sterben müßt, und daß ihr hier auf der See fürs Grab nichts zu bezahlen braucht.

SOLDAT. Ganz gut, ich wollte, der Feind wäre erst da.

HARLEKIN. Ist die ganze Flotte beisammen?

SOLDATEN von den andern Schiffen. Ja, Herr Admiral!

HARLEKIN. Nun stellt euch in Schlachtordnung. Marsch! links um! – So! – wir müssen dem Feinde den Wind abgewinnen, wir müssen nicht saumselig sein, denn auf unsere Behendigkeit kömmt alles an.


Pantalon tritt mit seiner Flotte auf.


PANTALON. Sieh, da ist ja die feindliche Flotte. Das ist mir recht lieb, so brauchen wir nicht länger die Hände in den Schoß zu legen. Schießt nur brav nach den Matrosen, lieben Leute, wenn sie oben in den Masten herumklettern.[333]

HARLEKIN. Macht den Angriff!


Es wird geschossen; die Kanonen donnern; viel Rauch; die Schiffe geraten aneinander; ein paar fallen um; das Meer schwimmt voll Soldaten.


PANTALON. Es ist ein heißes Gefecht.

HARLEKIN. Nun wollen wir das Admiralschiff entern.


Er steigt mit seinen Soldaten bei Pantalon an Bord.


PANTALON. Was ist das? – Ei, den Teufel, das gilt nicht! das gilt nicht! – das ist gegen alle Kriegsmanier! – Harlekin, das gilt nicht! das gilt nicht!

HARLEKIN. Warum soll's nicht gelten? Ich habe nun den Krieg gewonnen.

PANTALON. Das ist ganz was Neues, das ist gegen alle Abrede.

HARLEKIN. Ei was, im Kriege gelten alle Vorteile.

PANTALON. Nein, Herr Narr, das soll nimmermehr sein. Ich will die alte Manier behaupten. Sie ringen miteinander, Pantalon fällt ins Wasser. Hülfe! Hülfe!

HARLEKIN. Nun haben wir den glorreichsten Sieg davongetragen.


Der Direktor Wagemann kömmt als Neptun aus der Tiefe des Meeres.


WAGEMANN. Wer macht auf meinem Schauplatz solch Getöse?

PANTALON. Da bin ich ins Wasser gefallen, Herr Wagemann, und habe die Seeschlacht verloren.

WAGEMANN. Hier schwimmt ja alles voll Soldaten. Kerls, stellt euch doch auf eure Beine, was schwimmt ihr denn?


Die Soldaten stehn aufrecht und gehn ans Ufer.


PANTALON. Helft Ihr mir denn nicht, Herr Directeur?

WAGEMANN. Steige unverzagt hier in meinen Wagen hinein, wir wollen nachher deine Kleider trocknen.

PANTALON. Das war ein grausames Meertreffen. Er wird ans Ufer gefahren.

HARLEKIN. Wir können nun auch aussteigen, denn der Triumph ist unser.

PANTALON. Herr Neptun! ich habe in der Hitze der Schlacht meine kostbare Admiralskappe verloren; wie soll das werden?

NEPTUN. Ich will in den Grund des Meers hinunterfahren und sie suchen. Er geht unter.

HARLEKIN. Soldaten, steigt ans Land! Sie steigen alle ans Land.

PANTALON. Zwei von meinen Schiffen sind in den Grund gebohrt, der Schade ist ganz unersetzlich.[334]

NEPTUN aus dem Meere. Hier ist die Mütze, Pantalon, nehmt sie künftig besser in acht. Ihr seid überhaupt liederliches Gesindel; es liegen da noch sehr viele Theaterrequisiten herum.

wer hat am Ende den Schaden davon als ich?

PANTALON. Bei einer Bataille kann man nicht so haarscharf auf alles achtgeben.


Skaramuz mit Gefolge.


SKARAMUZ. Ich habe lange keinen so angenehmen Spaziergang gemacht. – Was ist das da?

SCHATZMEISTER. Das Meer, mein König.

SKARAMUZ. Das Meer? – Sieh, ich habe ein Meer in meinem Lande, und weiß kein Wort davon. – Und wer seid Ihr?

HARLEKIN. Euer getreuster Untertan, der Admiral Harlekin, der soeben den großen feindlichen Admiral Pantalon überwunden hat.

SKARAMUZ. Ich weiß von euch allen nichts. Also hat meine Flotte den Sieg davongetragen?

HARLEKIN. Allerdings.

SKARAMUZ. Aber, Kerle, warum sagt ihr mir nichts davon, daß dergleichen in meinen Staaten vorgeht?

SCHATZMEISTER. Es wäre schädlich, wenn Ew. Majestät für alles sorgen wollten.

SKARAMUZ. Nun das hat seine Richtigkeit. Und du bist also mein Feind?

PANTALON. Ihnen aufzuwarten, mein König.

SKARAMUZ. Bei welchem Könige dienst du denn?

PANTALON. Ihro Majestät, ich habe den Namen vergessen, und der tut ja doch auch nichts zur Sache. Jeder Mensch hat seine Feinde, und so geht es Ihnen auch. Genug, wir sind besiegt, und die Ruhe in Ihrem Reiche ist wieder hergestellt.

SKARAMUZ. Was ist denn das für ein Kerl da in der See?

EIN SOLDAT. Das ist der Meergott, Neptun.

NEPTUN. Herr Skaramuz, Sie vergessen sich zu sehr, das muß ich Ihnen sagen. Ihr Hochmut übersteigt beinah alle Grenzen, Kennen Sie mich, Ihren Directeur Wagemann nicht mehr?

SKARAMUZ. Ich erinnere mich ganz dunkel eines solchen Namens.

NEPTUN. Ich habe Ihnen zu befehlen, mein Herr.

SKARAMUZ. Mir zu befehlen?[335]

NEPTUN. Nun, warten Sie nur den letzten Akt ab, so sollen Sie es schon gewahr werden; ich mag jetzt das Schauspiel nicht stören; aber ich bin imstande, und gebe Ihnen den Abschied.

SKARAMUZ. Mir den Abschied? Einem Könige den Abschied? Nun, hört nur, Leute, welche revolutionäre Gesinnungen der Wassernix da von sich gibt. Mein Herr Neptun, oder wer Sie sein mögen, ich verspreche Ihnen, daß Sie gar keinen letzten Akt erleben sollen.

NEPTUN. Wir sprechen uns schon wieder. Geht unter.

SKARAMUZ. Wo ist der Kerl geblieben?

SCHATZMEISTER. Er ist versunken.

SKARAMUZ. Wie kömmt das?

SCHATZMEISTER. Vermöge der Maschinerie.

SKARAMUZ. Der Kerl, der Maschinist, ist doch an allen Dingen in der Welt schuld; er hat mir schon unsägliche Leiden erregt. – Maschinist, hieher!


Der Maschinist kömmt aus der See.


MASCHINIST. Was gibt's, Herr Skaramuz!

SKARAMUZ. Du lässest ja die Leute versinken, wie ich höre.

MASCHINIST. O ja, mein König, wenn es das Stück erfordert.

SKARAMUZ. Immer hör ich von einem Stücke reden. Mir hast du noch nie das Vergnügen gemacht, daß ich versunken wäre.

MASCHINIST. Es hat auch nichts davon in Ihrer Rolle gestanden.

SKARAMUZ. So? Aber mit einem Gewitter bist du mir doch zur Last gefallen, das mir äußerst fatal war? – Jetzt will ich einmal untergehn.

MASCHINIST. Bemühen Sie sich nur zu mir ins Meer herein.

SKARAMUZ. Ins Meer? Ja, daß ich dir doch traute; ich könnte am Ende gar ersaufen. Das Meer ist keines Menschen Freund.

MASCHINIST. Ich gebe Ihnen mein Wort, Sie sollen mit der größten Sicherheit untergehn.

SKARAMUZ. Ich will aber lieber hier auf dem Trocknen versinken.

MASCHINIST. Mein König, dort sind keine Falltüren angebracht.

SCHATZMEISTER. Tun Sie's immer dort in der See, es hat wirklich keine Gefahr.

SKARAMUZ. Nun, auf eure Verantwortung, Leute. Wenn ich sterbe und es wird aus euch eine Republik, so habt ihr den[336] größten Schaden davon. Er geht ins Meer und versinkt; die übrigen gehn ab.

SCÄVOLA. So eine Meerschlacht ist doch etwas Grausames.

DER ANDRE. Man glaubt es vorher nicht so, bis man es selber mit Augen sieht.

PIERROT. Was ich zu tadeln habe, ist nur, daß in solchen Szenen immer viel Wasser sein muß.

DER ANDRE. Es hat bis jetzt noch keiner die poetische Schwierigkeit überwunden, eine Seeschlacht ohne Wasser zu machen.


Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in vier Bänden. Band 2, München 1963, S. 332-337.
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