Dritte Szene


[207] Freies Feld.

Der Ratgeber, Klaus.


KLAUS. Hier wollen wir eine Weile ruhn. Wir kommen noch immer früh genug. – Setzt Euch, hier ist Schatten. – Das Botengehn will mir und meiner Krücke gleich wenig bekommen. – Ja, so ist das menschliche Schicksal, es kommt wohl vor, daß man die Dienste wechseln muß.

RATGEBER. Was sprichst du von Dienst? – Ich habe nie gedient.

KLAUS. Nun, nennt es, wie Ihr wollt. – Unsere Herren sind tot, und es ist doch gut, daß sich der Blaubart unserer annehmen will, so dürfen doch unsere Talente nicht betteln gehn. – Da hier, trinkt eins auf des Blaubarts Gesundheit.

RATGEBER. Aber ich hatte mich in dem Schlosse nun so eingewohnt –

KLAUS. Die Zeiten sind vorbei. – Aber ich bin doch neugierig, sagt mir doch einmal – solange ich Euch kenne und weiß, habe ich Euch immer nur den Ratgeber nennen hören. Wie heißt Ihr denn eigentlich? – Oder habt Ihr etwa keinen andern Namen?[207]

RATGEBER. Narr, ich keinen andern Namen? – Ich hatte sonst einmal einen ganz vortrefflichen Namen, aber ich muß dir gestehn, durch die Länge der Zeit hab' ich ihn fast vergessen; – ich kann mich nur noch dunkel daran erinnern. – So geht's dem menschlichen Geiste. Ich habe mir angewöhnt, immer nach dem Titel Ratgeber zu hören und mich selbst so denken. Wart! – Ferdinand von Eckstein hieß ich ehemals. – Ja! – Aber die Zeiten sind vorüber. Die Gewohnheit, sagt man wohl mit Recht, ist unsre zweite Natur. Wenn ich jetzt nur von Rat reden höre oder so ein Sprichwort: Hier ist guter Rat teuer – Guter Rat kommt hintennach – Er weiß sich weder zu raten noch zu helfen – so denk' ich immer dabei an mich.

KLAUS. Grade so geht es mir. – Man darf nur von irgendeinem Narren in Afrika sprechen, und gleich ist mir, als wenn notwendig von mir die Rede sein müßte. – So hat man gar keine rechte Ruhe im Leben. – Sagt mir nur, wozu man getauft wird, wenn der Taufname gar nicht gebraucht werden soll?

RATGEBER. Es ist unrecht.

KLAUS. Seht Euch nur etwas vor, ich glaube, der Blaubart wird ein scharf Examen mit Euch anstellen.

RATGEBER. Lieber Gott, was kann er fragen, worauf ich nicht einen guten Rat zu geben wüßte!

KLAUS. Nun, da müßt Ihr in Eurem Berufe gut beschlagen sein.

RATGEBER. Ein Narr wie du kann so etwas freilich nicht begreifen. – Es ärgert mich nur, daß ich so mit dir in Gesellschaft reisen muß, mit dieser armseligen Gelegenheit; was werden die Leute von mir denken?

KLAUS. Sie werden Euch für einen blinden Passagier halten, der grade nicht Weisheit genug bei sich hat, um auf eine bessere Art wegzukommen.

RATGEBER. Wir sollten wenigstens die große Landstraße meiden.

KLAUS. Narrheit geht nie anders.

RATGEBER. Wir sind schon so vielen Prozessionen begegnet.

KLAUS. Und da habt Ihr Euch doch wohl meiner nicht geschämt? – Narrheit mit Weisheit – das ist die beste Gesellschaft.

RATGEBER. Ja, für die Narren – aber der weise Mann kommt dabei sehr zu kurz.

KLAUS. Ihr dürft ja nur an mir ein Beispiel nehmen, um immer noch mehr Abscheu vor der Narrheit zu bekommen;[208] seht, auf die Art kann ich Euch ja doch nützlich sein. Ich bin dann eine Art von moralischer Vogelscheuche, ein Kerl, der zwar nur aus Plündern zusammengesetzt ist, der aber doch in seinem Wirkungskreise soviel leistet, wir er mir kann.

RATGEBER. Du bist ein Schwätzer.

KLAUS. Aber kommt, es wird zu spät. – Wir müssen uns wieder auf die Beine machen. –

RATGEBER. Ich wollte, wir wären erst da.

KLAUS. Kommt Zeit, kommt der Ratgeber. – Ihr kennt ja wohl das Sprichwort. Beide ab.


Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in einem Band. Hamburg 1967, S. 207-209.
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