[209] Herberge an der Landstraße.
Hans von Marlof, Anton, Simon, Peter Berner, Agnes, Anne.
HANS. So weit haben wir euch mit Gottes Hilfe begleitet, und nun werden wir unter seinem Schütze wohl zurückreiten müssen.
PETER. Ich danke euch für die Ehre, die ihr mir dadurch erzeigt habt.
HANS. Daß euer Bruder Leopold nicht zu Hause war, daß er sogar die Hochzeit seiner Schwester versäumt hat, fällt mir aus mehr als einer Ursache schwer aufs Herz. – Meine Tochter ist allein zu Hause, Herr Ritter; – ich habe böse Ahnungen.
PETER. Ahnungen muß man nicht trauen, sie hintergehen uns fast immer.
SIMON. Du bist vergnügt, Schwester?
AGNES. Recht sehr, wenn ich euch nur nicht verlassen dürfte.
ANTON. Ja, das ist nicht anders im menschlichen Leben, die Zeit bringt die Abwechslungen herbei.
HANS. Jawohl.
SIMON. Die Zeit nun wohl nicht, denn genaugenommen, macht ja eben die Folge dieser Abwechslungen das aus, was wir Zeit nennen.
ANTON. Das ist mir zu spitzfindig.
HANS. Aber noch einmal Musik. – Zum Fenster hinaus. Hört, ihr Spielleute! – Noch eins, der jungen Frau zu Ehren, hübsch lustig mit Trompeten und Pauken. Das Jägerlied.
Musik und Gesang hinter der Szene.
[209]
Es ging ein Jäger wohl auf den Fang!
Trara, trara!
Das Wildbret sprang die Bahn entlang!
Hopsa, hopsa!
Die Büsche hinab ertönt das Horn!
Trara, trara!
Der Jäger, er nahm ein Reh aufs Korn!
Eia, eia!
Das schlankste Tierchen im ganzen Wald!
Trara, trara!
's floh nicht, 's kam ihm entgegen bald,
Sieh da, sieh da!
Zur glücklichen Stunde ritt' ich ans
Trara, trara!
Und bring' ein jung Weibel mit mir nach Haus,
Hopsa, hopsa!
Das ist wohl traun die beste Jagd,
Sasa, sasa!
Feins Liebchen, komm, es wird schon Nacht,
Haha, haha!
HANS. Nun lebt wohl, meine werten Freunde. Ich habe euch so viel Ehre angetan, wie es mir in meinen alten Tagen möglich war; wenn mein Sohn hier gewesen wäre, hätte alles besser eingerichtet sein sollen. – Aber der ist vielleicht schon lange tot und begraben. – Nun lebt wohl. Ab.
SIMON. Adieu, liebe Schwestern, bleibt gesund, schreibt manchmal.
ANTON. Glück auf den Weg!
ANNE. Lebt wohl, liebe Brüder. Sie gehn ab, Anne folgt ihnen.
PETER. Du hast kein Wort gesprochen, Agnes?
AGNES. Ich muß Euch gestehn, daß mir die Tränen so in die Augen kamen, daß ich unmöglich ein Wort sagen konnte.
PETER. Worüber weinst du?
AGNES. Meine Brüder – sie gehn fort, wer weiß, wann ich sie wiedersehe.
PETER. Ah! Wenn man seinen Mann recht lieb hat. muß man Brüder und Schwestern darüber vergessen können. – Nun sind wir beide allein. Gib mir einen Kuß, Agnes. Er küßt sie.
AGNES. Aber ich bitte Euch, wenn wir Weiterreisen, so jagt nicht so mit Eurem Pferde. Ihr galoppiertet hin und zurück, das arme Tier wäre fast unter Euch zusammengesunken.[210]
PETER. Desto mehr wird es sich auf den Stall freuen. – Nur wenn wir recht Beschwerlichkeiten überstanden haben, kommt uns die Ruhe wie Kühe vor. Laß das, mein Kind.
AGNES. Ihr könntet stürzen.
PETER. Ich bin schon oft gestürzt, das tut nichts.
AGNES. Ihr macht mir aber solche Angst.
PETER. Das ist gut, es ist ein Beweis Eurer Liebe.
AGNES. Wahrhaftig, da ich jetzt mit Euch allein bin, könnt' ich mich vor Euch fürchten.
PETER. Wirklich? – Nun, das ist mir lieb, so etwas hab' ich gern. – Aber du wirst dich schon noch ganz an mich gewöhnen, Kind.
AGNES. Die Gegend hier herum ist doch recht wüste. – Die Mühle dort unten saust so schauerlich durch die Einsamkeit. – Seht, da reiten meine Brüder schon den Fels hinauf.
PETER. Meine Augen tragen nicht so weit.
AGNES. Als ich dort hinunterritt, dacht' ich nicht, daß der Ort schon so nahe sei, wo wir Abschied nehmen sollten.
PETER. Schlage dir das aus dem Sinn.
AGNES. Als ich noch nie gereist war, wünscht' ich nichts so sehnlich wie eine recht weite Reise, ich dachte mir in meiner Vorstellung immer schöne, unbeschreiblich schöne Gegenden, Burgen und Türme mit wunderbaren Zinnen, mit Gold ausgelegte Dächer im Schein der Morgensonne funkelnd, steile Berge und weite Aussichten von oben, immer neue Menschengesichter, dunkle Wälder und einsame verschlungene Fußpfade durch das dunkelgrüne Labyrinth mit Lerchen und Nachtigallen. Und nun ist alles so anders, und mir wird immer bänger und bänger, je mehr ich mich von der gewohnten Heimat entferne.
PETER. Wir treffen unterwegs noch auf merkwürdige Gegenden.
AGNES. Seht einmal, wie das Feld wüst ist dorthin, die sandigen, kahlen Hügel, über denen die dunkeln Regenwolken stehn.
PETER. Mein Schloß liegt angenehmer.
AGNES. Es regnet schon, und der Himmel wird immer finstrer.
PETER. Wir müssen wohl aufbrechen, es wird sonst zu spät. – Wo ist denn Eure Schwester?
AGNES. Ich sah sie soeben noch tiefsinnig in dem kleinen Garten sitzen.
PETER. Nun hör auf zu wimmern. – Komm, unsre Pferde sind auch abgefüttert. Sie gehn ab.
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