Nacht

[114] Im Windsgeräusch, in stiller Nacht

Geht dort ein Wandersmann,

Er seufzt und weint und schleicht so sacht,

Und ruft die Sterne an:


Mein Busen pocht, mein Herz ist schwer,

In stiller Einsamkeit,

Mir unbekannt, wohin, woher,

Durchwandl' ich Freud' und Leid;


Ihr kleinen goldnen Sterne,

Ihr bleibt mir ewig ferne,

Ferne, ferne,

Und ach! ich vertraut' euch so gerne.
[115]

Da klingt es plötzlich um ihn her,

Und heller wird die Nacht.

Schon fühlt er nicht sein Herz so schwer;

Er dünkt sich neu erwacht:


O Mensch, du bist uns fern und nah,

Doch einsam bist du nicht,

Vertrau' uns nur, dein Auge sah

Oft unser stilles Licht:


Wir kleinen goldnen Sterne

Sind dir nicht ewig ferne;

Gerne, gerne,

Gedenken ja deiner die Sterne.

Quelle:
Ludwig Tieck: Gedichte. Teil 1, Heidelberg 1967, S. 114-116.
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